
Gaza Humanitarian Foundation Was steckt hinter der Stiftung?
Die komplette Bevölkerung des Gazastreifens ist von einer Hungersnot bedroht. Doch Israel lässt nur wenige Lkw in den Küstenstreifen. Nun soll eine Genfer Stiftung die humanitäre Hilfe organisieren. Aber sie ist umstritten.
Der Place de Longemalle liegt in bester Innenstadtlage in Genf: Hier plätschern Brunnen, Menschen dinieren auf dem Balkon eines Vier-Sterne-Hotels. In der Hausnummer 1 haben sich unter anderem eine Versace-Boutique, ein Edel-Chocolatier und laut glänzend poliertem Bronzeschild die Uhrenmanufaktur A. Lange und Söhne niedergelassen.
Bis vor ein paar Tagen war hier laut Schweizer Stiftungsregister auch die Adresse der Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Jetzt steht da "ohne Domizil" - Adresse gelöscht. Auch im Internet hat die Stiftung keine Homepage. Interviewanfragen bleiben ohne Antwort.
Ebenso undurchsichtig sei die Finanzierung der Organisation, sagt Julie Billaut, Professorin und Expertin für humanitäre Hilfe am Genfer Graduate Institute für Internationale Studien: "Angeblich soll die Bank Goldman Sachs für die Finanztransaktionen zuständig sein", sagt Billaut. "Es ist wirklich eine Art Büchse der Pandora. Je weiter man nachforscht, desto mehr stellt sich die Frage, was an dieser Organisation humanitär sein soll."

In diesem Gebäude in Genf hatte die GHF laut Stiftungsregister bis vor wenigen Tagen ihren Sitz. Inzwischen ist die Adresse gelöscht.
Stiftungsdirektor zurückgetreten
Mehr als elf Wochen lang hat Israel keine humanitären Hilfslieferungen zu den hungernden Menschen im Gazastreifen gelassen. Dass nun mit der obskuren Gaza Humanitarian Foundation angeblich eine bessere Organisation der humanitären Hilfe beginne, das halten nicht nur die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen für ausgeschlossen. Selbst der geschäftsführende Direktor der Stiftung, der US-Militärveteran Jake Wood, ist gerade zurückgetreten und hat mitgeteilt, dass es nicht möglich sei, die geplanten Einsätze nach humanitären Grundsätzen durchzuführen.
Der Hilfsplan der Gaza Stiftung mit Verteilzentren ausschließlich im Süden des Gazastreifens diene allein dem Vorhaben der israelischen Regierung, die Menschen aus dem Norden des Gazastreifens zu vertreiben, sagt UNICEF-Sprecher James Elder: "Israel hat deutlich gesagt, die Menschen in den Süden drängen zu wollen." Die private Stiftung soll die Menschen ködern. Wer Essen wolle, müsse in den Süden kommen. "Humanitäre Hilfe wird zur Waffe, um Menschen in die Falle zu locken - Menschen, die am Ende ihrer Kräfte sind und keine andere Wahl haben."
Seit dem Ende der Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas im März sind laut dem Global CCCM Cluster insgesamt etwa 616.000 Menschen im Gazastreifen in die Flucht getrieben worden. Rund 80 Prozent des von Israel angegriffenen Küstengebietes seien Sperrgebiet oder von Räumungsanordnungen betroffen, hieß es. Laut den Vereinten Nationen ist die komplette Bevölkerung des Gazastreifens von einer Hungersnot bedroht.
Beschwerde gegen die GHF
Nachdem wochenlang UN-Organisationen am Helfen gehindert wurden, sei der Plan der Gaza Humanitarian Foundation ein Frontalangriff auf das seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute System internationaler Hilfen, sagt Julie Billaut: "Die Zukunft humanitärer Einsätze ist in Gefahr - jedenfalls so, wie wir sie bisher kannten: unparteiisch und nach den Richtlinien des humanitären Völkerrechts."
Die NGO Trial International, die weltweit für internationales Recht und Gerechtigkeit kämpft, hat bei der Schweizer Regierung Beschwerde eingereicht. Die Genfer Stiftung müsse überprüft werden - zumal die Schweiz als sogenannter Depositarstaat der Genfer Konventionen besonders verpflichtet sei, das humanitäre Völkerrecht zu schützen, so Trial International-Direktor Philip Grant, Jurist und Völkerrechtler.
Behörden leiten Ermittlungen ein
Im Gaza-Krieg hätten viele ihren moralischen Kompass verloren, sagt Grant. "Wenn schon Moral und Anstand kein Thema mehr sind, müssen wir an die Basis zurück - das Gesetz." Die Schweiz solle nicht, sie müsse prüfen, ob diese intransparente Stiftung die Genfer Konventionen respektiere.
Die Schweizer Behörden haben nun Ermittlungen eingeleitet. Die Genfer Gaza Stiftung habe weder ein Bankkonto noch Mitglieder mit Wohnsitz in der Schweiz, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Man habe sie nun aufgefordert, die Situation zu klären. An welche Adresse die Aufforderung ging, sagte der Sprecher nicht.