
Hilfsgüter für Gazastreifen Stiftung startet offenbar umstrittene Verteilung
Die Gaza Humanitarian Foundation hat offenbar begonnen, Hilfsgüter im Gazastreifen zu verteilen. Doch das Konzept ist umstritten. Drei Verteilzentren liegen laut Medien im Süden Gazas - dort wo Israel erneute Angriffe angekündigt hat.
Nach mehr als anderthalb Jahren Krieg herrscht im Gazastreifen eine massive humanitäre Notlage. Verschärft hatte die Situation eine wochenlange Blockade Israels von Hilfslieferungen in den Küstenstreifen. Nun hat die neu gegründete Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) nach eigenen Angaben mit der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen begonnen. Das Konzept der Organisation ist jedoch umstritten.
Einer Mitteilung der GHF zufolge seien "Lastwagenladungen mit Lebensmitteln" an "sichere Verteilungsstellen" geliefert worden. Dort habe die Verteilung an die Bevölkerung des Gazastreifens begonnen. Um welche Mengen an Hilfsgütern es sich genau handelte, gab die Organisation nicht bekannt, ebenso wo sich die Verteilungszentren im Gazastreifen befinden.
Medienberichten zufolge sieht der Plan der GHF vier Verteilungszentren im Gazastreifen vor, die sich im Süden und im Zentrum des Küstenstreifens befinden sollen. Ob bereits alle Zentren den Betrieb aufgenommen haben, ist jedoch unklar. Laut der Nachrichtenagentur dpa hat die Organisation die palästinensische Bevölkerung aufgerufen, dass ein Vertreter jeder palästinensischen Familie alle fünf Tage zu einem der Zentren gehen solle, um ein Hilfspaket abzuholen. Bis zum Ende der Woche sollen die Hilfsmittel demnach eine Million Palästinenser erreichen - etwa die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens.
Plan der GHF von Anfang an umstritten
Die GHF-Verteilungszentren sollen von US-Sicherheitsfirmen betrieben werden. Die USA und Israel unterstützen das neue System für die Hilfslieferungen. Israel will so eigenen Angaben zufolge verhindern, dass die Terrororganisation Hamas von den Lieferungen profitiert. Wiederholt hatte die israelische Regierung der Miliz vorgeworfen, Hilfsgüter zu stehlen, um sie für eigene Zwecke zu missbrauchen, ohne für diese Vorwürfe Belege vorzuweisen. Die Hamas selbst hat die palästinensische Bevölkerung übereinstimmenden Medienberichten zufolge aufgerufen, die GHF zu boykottieren.
Die Pläne der GHF waren von Beginn an umstritten. Die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen kritisieren, dass ihre Beteiligung an der humanitären Versorgung im Gazastreifen unterbunden werde. Nachdem die GHF bekanntgegeben hatte, wie sie die Verteilung von Hilfsgütern umsetzen will, verschärfte sich die Kritik nochmals. Für die palästinensische Bevölkerung bedeute der Plan häufig lange Wege, auch durch Kampfgebiete. Für alte und kranke Menschen stellten solche Strecken unüberwindbare Hürden dar.
Chef der Stiftung tritt zurück
Für Aufsehen sorgt auch, dass der bisherige Chef der Stiftung, Jake Wood, seinen Rücktritt eingereicht hat - nur kurz, nachdem die GHF eigenen Angaben nach mit der Verteilung erster Hilfsgüter begonnen hat. Der ehemalige US-Marine veröffentlichte ein Statement, in dem er das Konzept der Organisation verteidigt.
Vor zwei Monaten sei er gebeten worden, die GHF zu leiten. Wie so viele andere Menschen sei er "entsetzt und untröstlich über die Hungerkrise in Gaza" gewesen und habe sich verpflichtet gefühlt, "alles in meiner Macht Stehende zu tun, um das Leid zu lindern". Er sei "stolz auf die Arbeit, die ich beaufsichtigt habe - einschließlich der Entwicklung eines pragmatischen Plans, der die hungernden Menschen ernähren, die Sicherheitsbedenken bezüglich der Abzweigung von Hilfsgütern ausräumen und die Arbeit der langjährigen NGOs in Gaza ergänzen konnte", betonte Wood.
Doch in Woods Statement heißt es weiter, es sei nicht möglich, "diesen Plan umzusetzen und gleichzeitig die humanitären Grundsätze der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit strikt einzuhalten, die ich nicht aufgeben werde".
Die GHF äußerte sich in einer Erklärung "enttäuscht" und Woods Entscheidung und gab bekannt, dass John Acree vorerst die Leitung der Organisation übernehmen werde. Acree sei ein "erfahrener humanitärer Experte mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung in den Bereichen Katastrophenhilfe, Stabilisierungsprogramme und zivil-militärische Koordinierung", zitierte der Sender CNN aus der Erklärung.
Israel ruft zur Flucht aus dem Süden Gazas auf
Der Rücktritt des bisherigen GHF-Chefs folgt auf die Ankündigung Israels, seine Militäroffensive im Gazastreifen nochmals auszuweiten. Zuletzt teilte das israelische Militär mit, einen "beispiellosen Angriff" auf ein großes Gebiet im südlichen Gazastreifen vorzubereiten. Es rief die dort lebende Bevölkerung zur Flucht auf. Das Militär werde beginnen, gegen Terrororganisationen vorzugehen, hieß es in einem in arabischer Sprache veröffentlichten Aufruf. Im Süden des Gazastreifens sollen Medienberichten zufolge drei der vier GHF-Verteilungszentren liegen.
Laut einer vom Militär veröffentlichten Karte umfasst der Fluchtaufruf die Großstädte Chan Junis, Rafah und alle weiteren Orte im Süden des Gazastreifens. Ausgenommen sei der kleine Ort Al-Mawasi, welcher von Israels Militär schon vor Längerem als "humanitäre Schutzzone" ausgewiesen worden war. Berichten zufolge soll es jedoch auch dort bereits zu israelischen Angriffen gekommen sein. Die meisten Vertriebenen leben dort in Zelten.
Die Armee hatte bereits kürzlich die Menschen in Rafah und Chan Junis aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Die nun erfolgte Warnung gilt auch für die angrenzenden Gebiete Bani Suhaila, Abasan und Al-Qarara. Die Fluchtaufforderung gelte derweil nicht für die Nasser-Klinik und das Al-Amal-Krankenhaus in Chan Junis, so das Militär.
Israel begründet seine geplanten Angriffe damit, dass aus den vom Fluchtaufruf betroffenen Gebieten nach wie vor Raketen auf das eigene Staatsgebiet abgefeuert würden. Am Morgen meldete Israel Beschuss aus dem südlichen Gazastreifen. Die Stadt Chan Junis betitelt das israelische Militär als "als gefährliches Kampfgebiet".
