
Kritik an Israels Kriegsführung Wie weit geht die Solidarität der Bundesregierung?
Die Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen wird auch in Deutschland immer lauter - genauso wie Forderungen nach einem Stopp von Waffenlieferungen. Kanzler Merz und seine Regierung geraten zunehmend unter Druck.
Die Frage kam nicht überraschend: Damit, dass er auf dem WDR-Europaforum in Berlin nach Israels umstrittener Kriegsführung im Gazastreifen und deren Folgen für die palästinensische Bevölkerung gefragt werden würde, musste Friedrich Merz rechnen.
Die Antwort des Bundeskanzlers, davon darf ausgegangen werden, war mit Bedacht formuliert. Was die israelische Armee aktuell im Gazastreifen tue, verstehe er nicht und sei mit dem Kampf gegen die Hamas nicht zu begründen, sagte der Regierungschef des wichtigsten israelischen Partnerlandes in Europa. Er mahnte die Regierung in Jerusalem, nichts zu tun, was auch ihre besten Freunde irgendwann nicht mehr akzeptieren würden. So deutlich hat Merz Israels Vorgehen im Gazastreifen öffentlich noch nie kritisiert.
Bundesregierung unter Erklärungsdruck
Die Äußerungen des Kanzlers kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die bisherige Linie der Bundesregierung im Umgang mit Israels Kriegsstrategie immer mehr unter Erklärungsdruck gerät. Eine Mehrheit in der deutschen Bevölkerung lehnt Umfragen zufolge das israelische Vorgehen im Gazastreifen ab, zu dem auch die Verknappung von Hilfslieferungen gehört. Auch aus der SPD-Bundestagsfraktion - und damit aus dem Regierungslager - kommen mittlerweile Forderungen nach einem Stopp von Rüstungsgüter-Exporten nach Israel.
Aus der Opposition gibt es die schon länger. Die Bundestagsfraktion der Linken verlangt einen kompletten Lieferstopp. Die Grünen wollen ihn für militärische Güter, die im Gaza-Krieg eingesetzt werden können. Auch international wird ein Waffenembargo diskutiert. Die spanische Regierung wirbt dafür. Bundesaußenminister Johann Wadephul erteilte diesem Werben bei einem Besuch in Madrid nun eine Absage. Sein CDU-Parteifreund Armin Laschet, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, will weiter auf "stille Diplomatie" setzen.
Deutschland liefert U-Boote und Korvetten
Deutschlands militärische Unterstützung für Israel hat eine lange Tradition und ihre Wurzeln im deutschen Bekenntnis zur Sicherheit des jüdischen Staates. Bekanntester Beleg dafür sind in Deutschland gebaute U-Boote, die schon seit vielen Jahren in Diensten der israelischen Marine stehen und unbestätigten Medienberichten zufolge mit Atomwaffen bestückt werden können.
Vor wenigen Jahren wurden dann hochmoderne deutsche Korvetten an Israel geliefert, die auch vor der Küste des Kriegsgebiets Gazastreifen im Einsatz sind. Weiteres Beispiel für deutsche Rüstungsexporte sind israelische Kampfpanzer, in denen deutsche Getriebe und Kanonenrohre verbaut wurden.
Millionenschwere Rüstungsexporte nach Israel
Im vergangenen Jahr genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte nach Israel im Umfang von rund 161 Millionen Euro. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es Lieferungen im Wert von rund 28 Millionen Euro. Damit liegt Israel aktuell auf Platz zehn der Zielländer. Über die Lieferungen entscheidet der Bundessicherheitsrat. Er besteht aus dem Kanzler und den zuständigen Ministerinnen und Ministern. Das Gremium tagt geheim.
Wird die Bundesregierung Waffenlieferungen an Israel künftig einschränken? Wird sich Deutschland an Sanktionen zum Beispiel auf europäischer Ebene beteiligen bzw. sie nicht blockieren? Noch will die Regierung in Berlin solche Schritte offenbar vermeiden. Man erhöht den Druck auf die israelische Führung durch schärfere öffentliche Äußerungen und hofft auf ein Einlenken.
Betont wird von Vertretern der Bundesregierung immer wieder, dass mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen müssen. "Zu spät und zu wenig", bilanzierte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes nun die Versorgung der palästinensischen Bevölkerung mit Hilfsgütern. Darüber wird Kanzler Merz wohl auch mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu reden, wenn er, wie angekündigt, noch in dieser Woche mit ihm telefoniert.