Menschen sitzen in Gruppen an Tischen in einem modernen Raum mit grauen Wänden

Digitalmesse re:publica Wie sozial ist Künstliche Intelligenz?

Stand: 27.05.2025 17:34 Uhr

Längst ist Künstliche Intelligenz keine Zukunftsvision mehr, sondern für viele Menschen Realität in vielen Lebensbereichen. Doch wie wirkt sich KI auf soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe aus?

Es ist kurz vor 10.00 Uhr an diesem Montagmorgen. Die Sonne fällt durch die schrägen Dachfenster in das riesige Hauptgebäude der "Station Berlin". Hier, in einem ehemaligen Postbahnhof mitten in der Stadt, findet die Digitalmesse re:publica statt. Zwischen größeren und kleineren Veranstaltungsbühnen haben Unternehmen, Stiftungen, Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und Behörden ihre Stände aufgebaut. Letzte Vorbereitungen laufen, bevor das Publikum in die Halle strömt.

Das Thema "Künstliche Intelligenz" (KI) ist allgegenwärtig. Auch am Stand von Maximilian Kühn. Der 32-Jährige ist Digitalexperte beim Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Gemeinsam mit anderen Wohlfahrtverbänden wie Caritas oder Diakonie ist er zum zweiten Mal auf der bundesweit größten und wichtigsten Konferenz für Digitalisierung und Medien vertreten. Die rasend schnelle Entwicklung Künstlicher Intelligenz sei ein wichtiges Thema für die Branche, sagt Kühn, während er seinen Laptop aufklappt: "Wie gestalten wir künftig die Pflege? Wie sichern wir digitale Teilhabe für benachteiligte Gruppen? Wie können wir KI nutzen um unsere Dienstleistungen zu verbessern?"

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KI als Potenzial für den sozialen Bereich

Über diese Fragen will Kühn auf der re:publica ins Gespräch kommen, mit Menschen aus allen Generationen. Zu den ersten Besuchern gehören Felix und Simon, zwei Berliner Gymnasiasten, die mit ihrer Schulklasse auf der Konferenz sind. "Habt ihr schon von der RealTalk gehört?", fragt AWO-Referent Kühn die beiden Teenager. Das Gespräch ist eröffnet. Bei RealTalk, einem kostenlosen Angebot des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), können Jugendliche sich anonym per Chat mit ihren Problemen an andere Jugendliche wenden, die dafür geschult sind. Niedrigschwellige Beratung zu Themen wie Mobbing, Drogen oder Gewalt. KI ist hier noch nicht im Einsatz. Doch schon bald könnten künstlich intelligente Chatbots oder Sprachautomaten soziale Beratungsangeboten unterstützen.

Ähnliche Szenarien gibt es für die Pflege. Auch hier sehen Wohlfahrtsverbände großes Potenzial für KI-gestützte Technologie. "Dazu gehört die automatisierte Arbeitsdokumentation der Pflegekräfte. Zudem könnten Spracherkennung und Sensoren im Hausnotruf pflegebedürftigen Menschen künftig ermöglichen, länger im eigenen Zuhause zu wohnen", sagt Marion Doßner, Leiterin des Kompetenzzentrums Digitalisierung beim DRK-Bundesverband. Es gebe bereits entsprechende Pilotprojekte.

Die Gefahr, abgehängt zu werden

Doch neben den Chancen durch KI für soziale Dienstleistungen und Produkte sehen Experten auch Risiken: Ausgrenzung, Diskriminierung und mangelnde Teilhabe könnten sich durch den Einzug von KI in den Alltag noch verstärken - so die Befürchtung der Wohlfahrtsverbände auf der re:publica. Künstliche Intelligenz speise sich aus Informationen der Vergangenheit. Bestehende Benachteiligung werde reproduziert, schätzt AWO-Referent Kühn, etwa bei Sprachen: "Fast alle KI-Modelle basieren auf Englisch und ein paar anderen Sprachen. Alle anderen sind ausgeschlossen - und damit auch deren kulturelle Perspektive."

Eine weitere Gefahr sei, dass benachteiligte Menschen abgehängt werden könnten, weil sie keinen Internetzugang oder Endgeräte wie Laptops oder Smartphones hätten. AWO und weitere Wohlfahrtsverbände fordern daher, ein digitales Existenzminimum durch das Bürgergeld besser abzusichern. Außerdem müssten vor allem ältere Menschen besser geschult werden, neue Technologien wie die Chatbot-Software ChatGPT zu nutzen.

Doch dazu mangele es bisher an entsprechenden Gesetzen - so zumindest der Tenor eines Workshops auf der re:publica. Unter dem Motto "sozial-ethische KI: Visionen für eine gerechte Zukunft" diskutieren am ersten Abend der Konferenz rund 30 Teilnehmer. Die Gruppe ist sich schnell einig: Künstliche Intelligenz kann Generationen zusammenführen, die Demokratie stärken und die Arbeitswelt verbessern - aber nur wenn alle Teile der Gesellschaft daran teilhaben.