
Tanktourismus in Europa Lange Wege zur billigsten Tankstelle
In mehreren Nachbarländern ist der Sprit deutlich günstiger als in Deutschland. Angesichts der hohen Preise tanken Autofahrer derzeit offenbar vermehrt im Ausland - auch wenn die Ersparnis fraglich ist.
Im deutsch-tschechischen Grenzgebiet haben es die deutschen Tankstellenpächter seit jeher schwer. Schon immer gab es ein Preisgefälle. Aber nun machen sich Autofahrer vermehrt auf den Weg über die Grenze, um Benzin oder Diesel auf der tschechischen Seite günstiger zu tanken.
"Es rechnet sich schon, weil es 28 Cent billiger ist oder 25 Cent", sagt ein Autofahrer an der Tankstelle im Grenzort Vejprty, der nur durch einen Bach vom sächsischen Bärenstein getrennt ist. "Ich habe bisher immer in Deutschland getankt", sagt auch eine Frau, die zum Tanken kurz über die Grenze gekommen ist. "Aber nun ist es ein bisschen übertrieben mit 1,70 Euro."
Tankstellen-Verband spricht von "Benzinpreis-Paradoxon"
So machen es derzeit viele Autobesitzer aus grenznahen Regionen in Deutschland. Es locken angesichts von Rekordpreisen für Diesel (zuletzt 1,55 Euro pro Liter) und Benzin (1,66 Euro für die Sorte E10) die günstigeren Spritpreise in Polen, Tschechien, Österreich und Luxemburg. Der Tanktourismus nehme in jüngster Zeit deutlich zu, heißt es vom Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG). Auch längere Fahren nähmen die Kunden zunehmend in Kauf.
Das "Benzinpreis-Paradoxon" nennt der Verband das. Denn häufig lohne sich der lange Weg zum günstigeren Benzin gar nicht. Der zusätzliche Verbrauch und die anfallenden Kosten durch den Verschleiß des Autos könnten die Ersparnisse schnell wieder auffressen. "Wenn sich viele Leute darüber beschweren, dass sie mit den 30 Cent Kilometerpauschale ihres Arbeitgebers nicht auskommen, dann dürfen sie nicht gleichzeitig zum Tanken ins Ausland fahren", heißt es vom ZTG. "Denn dann rechnet sich das nie."
Schlangen an den Zapfsäulen jenseits der Grenze
Dass viele Autofahrer offenbar dennoch längere Wege zur Tankstelle in Kauf nehmen, liegt nach Einschätzung des ZTG an der höheren Preisempfindlichkeit der Verbraucher. Dies sei auch im Inland zu beobachten, wo Autofahrer stärker auf die teilweise großen Preisunterschiede zwischen einzelnen Tankstellen und Schwankungen im Tagesverlauf achteten. Verbraucherschützer raten dazu, stärker die Preise zu vergleichen - etwa mit Hilfe spezieller Apps.
Auch Florian Hördegen vom ADAC Südbayern hat in letzter Zeit vermehrten Tanktourismus nach Österreich beobachtet. Dort kostet ein Liter Diesel derzeit im Schnitt 1,35 Euro, für Superbenzin verlangen die Tankstellen rund 1,38 Euro. Jenseits der Grenze seien teilweise lange Schlangen an den Tankstellen zu sehen, sagte Hördegen.
Spritpreise in Österreich, Polen, Tschechien und Ungarn besonders niedrig
Tanktourismus an sich ist kein neues Phänomen. Schätzungen zufolge wird rund ein Viertel des in Österreich getankten Kraftstoffs im Ausland verbraucht - in Deutschland und in anderen Nachbarländern. Ähnlich groß sind die Preisunterschiede beim Tanken in Tschechien und Ungarn. In Polen kostet der Sprit laut ADAC derzeit sogar nur 1,27 Euro (Diesel) beziehungsweise 1,30 Euro (Super). Noch teurer als in Deutschland ist der Kraftstoff aktuell in Dänemark und den Niederlanden.
In Deutschland müssen die Betreiber von Tankstellen etwa in den grenznahen Teilen Brandenburgs im Moment besondere Einbußen hinnehmen. "Je größer die Preisunterschiede für Sprit, desto mehr leiden die Kollegen", sagt Hans-Joachim Rühlemann, Vorsitzender des Verbandes des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost. An seiner Tankstelle sei der Umsatz seit Anfang Oktober um 17 Prozent gesunken.
"Es ist Wahnsinn"
Klagen über die hohen Spritpreise gibt es indes auch in den Nachbarländern, die aus deutscher Sicht billig erscheinen. Auch in Tschechien sind die Preise für Benzin und Diesel im Jahresvergleich um 20 Prozent gestiegen. Gleichzeitig liegt das Durchschnittseinkommen der Tschechen bei 1300 Euro - ein Drittel des deutschen Durchschnitts. Auch ein Durchschnittspreis von 1,38 Euro für den Liter Superbenzin kann da Löcher ins Budget reißen.
Und deshalb dürften tschechische Normalbürger zur gleichen Einschätzung kommen wie ein Autofahrer aus Bärenstein, der sich glücklich schätzen kann, dass die tschechische Tankstelle ganz in der Nähe ist. "Unverschämt" seien die Spritpreise, sagt er. "Es ist Wahnsinn, was hier passiert."
Mit Informationen von Peter Lange, ARD-Studio Prag