
Trotz Gerichtsentscheidung Dobrindt hält an Zurückweisungen fest
Bundesinnenminister Dobrindt hält trotz einer Gerichtsentscheidung an Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen fest. Das Gericht habe eine Einzelfallentscheidung getroffen und verlange nur nach einer ausführlichen Begründung.
Obwohl das Berliner Verwaltungsgericht die Zurückweisung dreier Asylbewerber an der deutschen Grenze für rechtswidrig erklärt hat, hält Bundesinnenminister Alexander Dobrindt an dem Vorgehen fest. "Wir sehen, dass die Rechtsgrundlage gegeben ist und werden deswegen weiter so verfahren - ganz unabhängig von dieser Einzelfallentscheidung", sagte der CSU-Politiker. Er betonte mehrfach, dass das Gericht nur eine Einzelfallentscheidung getroffen und nicht über Zurückweisungen insgesamt geurteilt habe. Zudem führte er aus, dass die drei betroffenen Kläger bereits dreimal versucht hätten, nach Deutschland einzureisen.
Das Gericht habe ausgeführt, dass die Begründung für die Zurückweisung nicht ausreichend war, sagte Dobrindt. Man werde deshalb die ausführlichen Begründungen nachliefern. "Wir streben das Hauptsacheverfahren an", so der Minister. "Es handelt sich ja um einen Eilbeschluss." Man sehe die eigene Rechtsauffassung nicht erschüttert, da das Gericht lediglich die Begründung bemängelt habe.
Verwirrung über "Hauptsacheverfahren"
Allerdings ist eine Fortführung der gerichtlichen Auseinandersetzung in dem konkreten Fall unwahrscheinlich. Laut Gericht sind die Beschlüsse unanfechtbar. Ein Hauptsacheverfahren wäre nur möglich, wenn die Betroffenen es anstrengen. Die Somalier dürften an einer Fortführung jedoch kein Interesse haben, weil sie ihre Ziele bereits im Eilverfahren erreicht haben. Die Bundesregierung könnte eine ausführliche Begründung also nur in einem gänzlich neuen Verfahren rechtlich zur Geltung bringen.
Bei Beobachtern löste Dobrindts Äußerung zum Hauptsacheverfahren deshalb Irritationen aus. Laut ARD-Hauptstadtkorrespondent Christoph Mestmacher gibt es eine Unsicherheit, ob Dobrindt auf dem richtigen Sachstand sei. "Eigentlich sollte der Innenminister eine gewisse Rechtskundigkeit aufweisen", so Mestmacher.
Deutliche Kritik von den Grünen
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sich durch die Gerichtsentscheidung in ihrer Skepsis bestätigt. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass die jetzt eingeführte Verfahrensweise, Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden, juristisch stark umstritten ist", sagte der Vorsitzende des GdP-Bereichs Bundespolizei, Andreas Roßkopf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Noch deutlichere Kritik kam von den Grünen. Sie forderten vom Bundesinnenminister, seine Anordnung unverzüglich zurückzuziehen. "Das ist eine harte Niederlage für die Bundesregierung und sollte eine Mahnung sein, sich künftig an Recht und Gesetz zu halten und die eigenen Kompetenzen nicht wissentlich für populistische Zwecke zu überschreiten", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, der Rheinischen Post. "Merz und Dobrindt wollten mit dem Kopf durch die Wand und sind damit krachend gescheitert."
Grünen-Fraktionschefin Britta Hasselmann sagte: "Und schon sind Merz und Dobrindt und mit ihnen die Bundesregierung mit diesem rechtlich höchst zweifelhaften nationalen Alleingang am Ende." Sie seien mit ihrem Versuch des nationalen Alleingangs gescheitert. Das Vorgehen schade der Europäischen Union als Gemeinschaft des Rechts. Die Zurückweisungen an den Grenzen seien "allen Bedenken und Einwänden zum Trotz" angeordnet worden. "Jede Kritik wurde von CDU/CSU und SPD einfach weggewischt", sagte Hasselmann.
Skepsis bei der SPD - Unterstützung von der CDU
Auch in den Reihen des Koalitionspartners SPD gibt es Zweifel an Dobrindts Vorgehen. "Das Bundesinnenministerium ist offensichtlich weder ausreichend in die Abstimmung mit unseren Partnerländern gegangen, noch hat es einen klar rechtssicheren Weg für Zurückweisungen eingeschlagen", sagte Innenpolitiker Lars Castellucci den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.
Ganz anders die Reaktionen aus der Union. Deren innenpolitischer Sprecher, Alexander Throm, sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung. "Wir werden die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin natürlich genau prüfen, klar ist aber auch, dass es Einzelfallentscheidungen ohne allgemeine Wirkung sind", sagte er. Er betonte: "Die Zurückweisungen müssen fortgesetzt werden."
Der geschäftsführende Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Thomas Silberhorn (CSU), sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: "Dass die Zurückweisung an der Grenze vor Gericht landet, ist keine Überraschung." Schließlich sei die Frage, wie die Dublin-Verordnung anzuwenden sei, bereits seit zehn Jahren strittig. Durch das neue Vorgehen an den deutschen Binnengrenzen könne dies nun höchstrichterlich geklärt werden. Bis dahin bestehe aus seiner Sicht keine Veranlassung, direkte Zurückweisungen generell einzustellen.