Friedrich Merz

Waffen für die Ukraine Merz erklärt Reichweitenbeschränkung für beendet

Stand: 26.05.2025 21:11 Uhr

Über die Reichweitenbegrenzung für Waffen, die der Ukraine geliefert werden, wurde lange diskutiert. Bundeskanzler Merz ist von der Beschränkung nun abgerückt. Direkte Konsequenzen gibt es zunächst wohl nicht. Der Kreml reagiert prompt.

Angesichts erfolgloser Friedensbemühungen und fortwährender russischer Angriffe auf die Ukraine hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Reichweitenbeschränkung für an die Ukraine gelieferte Waffen für beendet erklärt. "Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten, noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht", sagte er beim Europaforum des WDR.

Merz sagte, die Ukraine könne sich jetzt auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreife. Das habe sie bis vor einiger Zeit nicht gekonnt. Details nannte er nicht.

Russland greife rücksichtslos zivile Ziele an und bombardiere Städte, sagte Merz zudem. Das tue die Ukraine nicht, das solle auch so bleiben. "Aber ein Land, das sich nur im eigenen Territorium einem Angreifer entgegenstellen kann, verteidigt sich nicht ausreichend."

Kein Wort über deutsche "Taurus"-Marschflugkörper

Zu Anfang des russischen Angriffskrieges hatte der Westen der Ukraine keine weiter reichenden Waffen geliefert, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern. Inzwischen haben Großbritannien und Frankreich Kiew mit Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow/Scalp beliefert.

In Deutschland hatte sich die Diskussion meist um die "Taurus"-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern gedreht. Beim Europaforum erwähnte Merz den Waffentyp zwar nicht explizit, allerdings hatte die neue Bundesregierung klargemacht, sich aus strategischen Gründen nicht mehr detailliert zu Waffenlieferungen an die Ukraine zu äußern.

Nach bisherigen Informationen wurden keine "Taurus"-Marschflugkörper geliefert. Die größte Reichweite von Waffen, die Deutschland bisher geliefert hat, liegt bei 84 Kilometern beim Raketenwerfer "Mars II". Die Panzerhaubitze 2000 kann Ziele in 56 Kilometern Entfernung treffen. Für beide Waffensysteme hatte die alte Bundesregierung im vergangenen Herbst die Erlaubnis erteilt, dass sie rund um die Stadt Charkiw in der Ostukraine ohne Begrenzung eingesetzt werden dürfen.

Klingbeil: Kein Kurswechsel bei Waffenlieferungen

Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) widersprach allerdings dem Eindruck, dass es einen Kurswechsel gebe. "Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat", sagte er auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Berlin. Der ehemalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich stets für eine Beschränkung der Reichweite von gelieferten Waffen ausgesprochen.

Einzelne Ausnahmen bei den Reichweiten seien sinnvoll, "insgesamt finde ich aber alles, was den Krieg ausweitet, falsch", sagte der SPD-Politiker Ralf Stegner den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Auch seien solche öffentlichen Äußerungen wie von Merz "nicht hilfreich".

Gemischte Reaktionen von übrigen Parteien

Merz' Äußerungen stießen auf unterschiedliche Reaktionen in der deutschen Politik. Grünen-Fraktionsvize Agnieska Brugger begrüßte sie im RND als "folgerichtig und überfällig". Sie forderte, der Ukraine nun auch die von Kiew gewünschten "Taurus"-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen.

Linken-Fraktionschef Sören Pellmann verurteilte Russlands Angriffkrieg, gab jedoch auch zu Bedenken: "Die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen hat den Krieg nicht beendet." Dass es jetzt keinerlei Reichweitenbeschränkungen für Waffenlieferungen mehr gebe, könne "zu einer weiteren Eskalation führen".

Die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack Zimmermann teilte auf X einen Beitrag von Merz zur Reichweitenbeschränkung und schrieb dazu: "Für diese überfällige Entscheidung bin ich dem @bundeskanzler sehr dankbar."

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte, dies könne "in letzter Konsequenz den Krieg nach Deutschland holen".

Kreml reagiert mit Kritik

Russland verurteilte die Äußerungen Merz' scharf. Die Lieferung von Langstreckenwaffen wären ein gefährlicher Schritt, teilte der Kreml mit. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, die Lieferung weitreichender Waffen an die Ukraine liefe "den Bemühungen Moskaus um eine politische Lösung zuwider".

Erst in der vergangenen Nacht war es allerdings zu den offenbar größten Drohnenangriffen Russlands auf die Ukraine seit Kriegsbeginn gekommen. Anzeichen für ein Abrücken von den Maximalforderungen und die Suche nach einem Kompromiss sind auf russischer Seite trotz internationaler Bemühungen nicht zu erkennen.

Außenminister Johann Wadephul wies die russische Kritik zurück. "Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten, und er hat sie ausgeschlagen", sagte der CDU-Politiker bei einem Treffen mit seinem portugiesischen Kollegen Paulo Rangel in Lissabon.

"Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird", fügte Wadephul hinzu. Deutschland werde die Ukraine militärisch weiterhin so unterstützen, "dass sie sich zur Wehr setzen kann und verhindern kann, dass der russische Aggressor seinen Krieg erfolgreich fortsetzt".

Mit Informationen von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in den Nachrichten am 26. Mai 2025 um 23:00 Uhr.