Meghann Fahy, Julianne Moore and Milly Alcock bei der Weltpremiere der Netflix-Serie "Sirens"

Luxus und Laster in TV-Serien Die Reichen waren schon mal schöner

Stand: 30.05.2025 06:00 Uhr

Seit der Erfolgsserie "Succession" haben die Streaming-Dienste den "reichen Pöbel" als Erzählprinzip entdeckt. Auch die neue Netflix-Serie "Sirens" zeigt die Abgründe in der Welt der Superreichen. Was steckt dahinter?

Von Julian Ignatowitsch, BR

Die Sirenen singen immerfort in der Serie "Sirens" auf Netflix. Sie locken das gemeine Volk auf die Insel der Superreichen-Familie Kell und in ihr riesiges Anwesen Cliff House - und was da lockt, ist der Reichtum.

Denn bei der Milliardärsfamilie gibt es viel zu bestaunen. So wie die Schwestern Devon, gespielt von Meghann Fahy, und Simone (Milly Alcock) aus der Serie sieht auch das Publikum den zur Schau gestellten Luxus: teure Kunst an den Wänden, Designermöbel in den riesigen Hallen, ausgefallene Kleider, eine Horde an Personal, das die Villa am Laufen hält.

Größe Abgründe hinter der schönen Oberfläche

"Wealth Porn", sagt man dazu in den USA. Die "Normalsterblichen" fühlen sich davon entweder angezogen - so wie Simone, die Assistentin der Milliardärs-Gattin Michaela (Julianne Moore). Oder sie finden all das abstoßend und überflüssig, so wie ihre Schwester Devon, die mit einer Anti-Establishment-Haltung durchs Leben geht.

Natürlich lauern hinter der schönen Oberfläche auch in der Serie "Sirens" große Abgründe: Intrigen, Drogen und vielleicht sogar Mord. Was führt Milliardärin Michaela im Schilde? Wieso wird sie von anderen Frauen angehimmelt wie eine Sektenanführerin? Und was treibt ihr Mann Peter (Kevin Bacon) bei seinen Angel-Ausflügen?

Das Bild von Luxus und Laster zieht sich durch viele neue Erfolgsserien: Ob "The White Lotus" (HBO), "The Perfect Couple" (Netflix), "Nine Perfect Strangers" (Amazon), "Your Friends And Neighbors" (AppleTV+) oder "Paradise" (Disney+) - die Streaming-Anbieter zeigen Reichtum und seine Schattenseiten.

Reichen-Bild in der Popkultur hat gelitten

So richtig angefangen hat das aktuelle Reichen-Bashing mit der vielprämierten Serie "Succession", die das Leben eines reichen Medienmoguls und seiner Familie zeigt, in Anlehnung an den US-Unternehmer Rupert Murdoch. Die Serie ist ein modernes Königsdrama wie Shakespeares "König Lear". Für die Protagonisten gilt: "Die sind eben nicht mehr reich und schön und toll, sondern dämonisch, hässlich und abstoßend", erklärt Philosoph Björn Vedder, Autor des Buches "Reicher Pöbel - Über die Monster des Kapitalismus".

Ähnlich wie sich der Blick auf den Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten verschlechtert habe, habe auch das Bild der Reichen in der Pop-Kultur gelitten, meint Vedder. "Diese Vorstellung, wenn es den Reichen gut geht, geht es allen gut, das glaubt man nicht mehr." Die große Erzählung vom Wohlstand für alle habe sich erledigt. "Und da kann man sehen, wie die Pop-Kultur auf einen Bewertungswechsel reagiert."

Erzählungen werden nicht mehr geglaubt

Vor 50 Jahren war das Bild der Reichen im Fernsehen noch ein ganz anderes: In den Boomer-Soap-Operas "Dallas" oder "Dynasty" (hierzulande als "Denver-Clan" bekannt) ging es zwar ebenfalls um Geld, Macht und Intrigen, aber: Diese Superreichen wirkten nicht krank und kaputt, sondern eher anziehend, sogar verführerisch.

"Man kann ja sehen, dass mit dem neoliberalen Politikwechsel in den 1980ern noch einmal so eine Welle von 'Wealth Porn' entsteht - also 'Falcon Crest', 'Dallas', 'Denver' usw., wo versucht wird, das alte Ideal von Berufsethos, Askese, Leistung und Wohlstand zusammenzufügen", erklärt Vedder. "Aber ich glaube, dass spätestens nach der großen Wirtschaftskrise in den 2000ern die Leute damit aufhören, weil sie die Erzählungen nicht mehr glauben."

Ablenkungsmanöver statt Systemkritik

Stattdessen reißt vor den Luxus-Kulissen zunehmend ein menschlicher Abgrund auf, der in der Serie "Sirens" auch durch die Steilküste am Meer direkt neben dem Milliardärs-Anwesen symbolisiert wird. Einzelne als Sündenböcke: Philosoph Vedder findet das teilweise nachvollziehbar - aber er meint auch, das sei ein Ablenkungsmanöver: "Damit man nicht darüber nachdenkt, dass es eigentlich ein systemischer Effekt ist."

Mehr Systemkritik wäre also gefragt. Nur lässt sich diese in fiktionalen Geschichten, die zuspitzen und personalisieren, oft schwer unterhaltsam aufbereiten. Stummfilmklassiker wie "Metropolis" von Fritz Lang oder "Modern Times" von Charlie Chaplin haben das geschafft, wieso sollten also nicht auch bald wieder aktuelle Stoffe einen systemkritischeren Ansatz hinkriegen?

Fest steht: Das Bild der Reichen im Fernsehen und in Serien ist stark angekratzt. Sie waren definitiv schon mal schöner.