Ein Schulgebäude mit Schulhof im Vordergrund.

Thüringen Streit um Schülerzahlen: Grundschule in Lengenfeld unterm Stein kämpft um Existenz

Stand: 26.05.2025 10:59 Uhr

Alle fünf Jahre werden in Landkreisen und Städten die Schulnetzpläne überarbeitet. In Zeiten dramatischer Geburtenrückgänge stehen besonders kleine Schulen auf dem Prüfstand. Im Unstrut-Hainich-Kreis droht drei Grundschulen das Aus. Wie Schule und Eltern sich wehren, zeigt ein Beispiel aus Lengenfeld unterm Stein.

Von Claudia Götze, MDR THÜRINGEN

Im März sind die Leiterinnen von den Grundschulen Körner, Thamsbrück und Lengenfeld unterm Stein über den Entwurf des Schulnetzes ab Sommer 2026 informiert worden. Dabei haben sie erfahren, dass ihre Schulen aufgrund von Investitionsstau und zu geringen Schülerzahlen geschlossen werden sollen.

Schon bei der Kreistagssitzung Ende März gab es erste Proteste. Auf den Zuschauerrängen hatten betroffene Eltern, Lehrer und ein Bürgermeister Platz genommen; so viele Zuschauer kommen sonst nicht zum Kreistag. Zwei weitere betroffene Bürgermeister sitzen mit Mandat im Kreistag.

Wir wollen um unsere Schule kämpfen. Andreas Henning | Bürgermeister
Frauen und Männer halten ein Plakat gegen eine Schulschließung.

Ende März protestieren Eltern und Bürgermeister (unten rechts) vor dem Kreistagsgebäude gegen die Pläne der Verwaltung

An diesem Abend ist der Schulnetzplan von Landrat Thomas Ahke (FWG) in den Kreistag eingebracht worden. Bis zu einer Entscheidung im Dezember sollen sich die Ausschüsse mit den Vorschlägen der Verwaltung beschäftigen. Der Bildungsausschuss werde alle Schulen und Gemeinden besuchen und einen "offenen Dialog" führen, sagte Ahke.

Die deutlichen Geburtenrückgänge haben sich demnach bereits in den Kindergärten bemerkbar gemacht. Wenn in den nächsten Jahren die Klassenstärke von 15 Schülern in der ersten Klasse nicht mehr erreicht wird, dürfen die Schulen laut Thüringer Schulgesetz nicht weiter bestehen.

Protesten in allen betroffenen Orten

Schon zu jener Kreistagssitzung hatten Lehrer und Eltern von der Grundschule Lengenfeld unterm Stein sowie Bürgermeister Andreas Henning (parteilos) von der Landgemeinde Südeichsfeld ein Protestplakat mitgebracht. Ausgerollt hatten sie es vor dem Barbaraheim, wo die Kreistagssitzungen stattfinden.

"Wir wollen um unsere Schule kämpfen", kündigte Henning an. Die betroffene Grundschule Lengenfeld unterm Stein soll nach Angaben der Verwaltungen im Jahr 2029 nur noch 13 Erstklässler haben. Diese Zahl stimme nicht, sagte Henning. Er gehe von 21 Kindern aus, die dann in die Schule kommen.

Das Thema hat mittlerweile auch den Gemeinderat Südeichsfeld beschäftigt. Am 8. Mai gehörte es zu den 15 Punkten auf der Tagesordnung. Schulleiterin Andrea Bartholomäus war vom Gemeinderat gebeten worden, über den "aktuellen Sachstand" zu informieren. Auch hier war der Sitzungssaal bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Thema bewege die Menschen, hieß es von den Zuschauerreihen.

Schulleitung nennt andere Schülerzahlen als Schulnetzplan

Die Schülerzahl sei in den vergangenen vier Jahren um ein Drittel auf 93 gestiegen, erklärte die Schulleiterin. Die Gesamtschülerzahl werde auch bis 2027 so bleiben. Erst 2028 könnte es nach aktueller Information einen leichten Rückgang geben, der ein Jahr später wieder annähernd ausgeglichen werden.

In Zahlen: Die Gesamtschülerzahl sinke im Jahr 2028 auf 75 und erreiche im Jahre 2029 wieder 83. Durchschnittlich 21 Erstklässler gebe es im zu betrachtenden Zeitraum; die Schülergesamtzahl liege im Durchschnitt bei 88. Bei dem Gespräch im März will Bartholomäus auf die falschen Zahlen hingewiesen haben; im danach vorgelegten Entwurf des Schulnetzplanes stünden sie weiterhin.

Kinder aus 30 Gemeinden besuchen Grundschule

An der Schulbushaltestelle vor der Schule kommen täglich Kinder aus 30 Gemeinden an. Im laufenden Schuljahr seien lediglich elf Unterrichtsstunden ausgefallen, berichtet die Schulleiterin. Die Lehrer haben ein Durchschnittalter von 38,5 Jahren. Der Investitionsstau als zweites Hauptkriterium für den Schulnetzplan betrage 4.500 Euro pro Schüler. Auch Julia Herz vom Schulförderverein sieht die Schule in einem guten Zustand. Der Förderverein habe alle Räume mit Geld aus der Vereinskasse gemalert.

Eltern verwundert über Schließungspläne

Die Grundschule ist Herzstück des Ortes und wichtig für die soziale Infrastruktur, sagt Julia Herz vom Förderverein. Die Schule arbeite nicht nur mit dem Gymnasium nebenan, sondern auch mit den Vereinen im Ort zusammen. Zwar gehe auch der demografische Wandel nicht am Ort vorbei. Es seien zuletzt mehr Menschen gestorben als geboren wurden. Aber durch Zuzüge von Rückkehrern und jungen Familien habe das ausgeglichen werden können. Sechs neue Einfamilienhäuser seien von jungen Familien gebaut worden.

Die Nachricht hat alle im Dorf überrascht, weil wir viele Kinder haben. Julia Herz | Schulförderverein

Solche Schließungspläne verschrecken auch Menschen, die hierher wollen, befürchtet die junge Mutter. Das betreffe auch Arbeitskräfte fürs Krankenhaus und das große Pflegezentrum im Ort. Ein so großes Dorf ohne Schule sei unvorstellbar. "Erst recht, wenn es keine Gründe für die Schließung gibt. Die Nachricht hat alle im Dorf überrascht, weil wir viele Kinder haben", sagt Julia Herz.

Steht Schule stellvertretend für Probleme auf dem Land?

Sie spricht von einem "großen Fragezeichen". Die Schülerzahl stimme. Es sei eine "Herzensangelegenheit, den ländlichen Raum zu stärken". Die Schule stehe stellvertretend für das generelle Problem im ländlichen Raum. Da hänge mehr dran als nur Unterricht. Werde die Schule geschlossen, würden die Kinder nicht nur drei sondern acht Kilometer weiter zu Schule fahren.

Ende Juni kommt der Bildungsausschuss nach Lengenfeld unterm Stein. Am 13. September ist ein "Tag der offenen Tür", sagt Julia Herz. Da könnten sich alle Kreistagsmitglieder die Schule anschauen.

MDR (cg/mm)