Links ein Ausschnitt des Thüringer Waldes, rechts ein Gartenschläfer

Thüringen Der letzte Regen? Wenn Trockenheit die Tiere in Thüringens Wäldern bedroht

Stand: 31.05.2025 06:00 Uhr

So süß und gleichzeitig so bedroht: der Gartenschläfer. Einst war er in vielen Gegenden beheimatet - heute macht dem Säugetier vor allem die Trockenheit zu schaffen. Zu Besuch in seinem letzten Thüringer Habitat, dem Schiefergebirge, wo Naturschützer alles tun, damit Waldtiere wie er eine Zukunft haben.

Von David Straub, MDR THÜRINGEN

"Vorsicht hier", sagt Thomas Mölich und bahnt sich seinen Weg zwischen Totholzhaufen und Jungbäumen hindurch. Umknick-Gefahr. Einige tote Fichten stehen herum, an anderer Stelle kommen neue Laubbäume nach. Es ist ziemlich grün überall, die vergangenen zwei Wochen hat es häufiger geregnet.

"Es sieht hier wild und unaufgeräumt aus", sagt Mölich. "Aber der Gartenschläfer mag das eben ganz gerne."

Ein Mann läuft im Wald

Nur wenige Menschen in Thüringen dürften sich so gut mit dem Gartenschläfer auskennen wie Thomas Mölich vom BUND.

Mölich ist Zoologe, er arbeitet für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Thüringen. Seine Spezialität sind Wildkatzen. Und seit einigen Jahren Gartenschläfer. Der Nager mit der Zorro-Maske ist in den vergangenen Jahren still und heimlich immer weiter verschwunden, erzählt Mölich. Er steht auf der Roten Liste bedrohter Arten. Die Trockenheit, verursacht durch den Klimawandel, hat daran maßgeblichen Einfluss.

Der Wald des Schiefergebirges in Thüringen ist sein letzter richtiger Lebensraum. Hier findet sich noch in ausreichendem Maße, was die Nager brauchen: Rückzugsräume zum Beispiel für den Winterschlaf in den Schieferhalden. Und Wasser.

"Der Gartenschläfer braucht offen zugängliches Wasser zum Trinken. Also entweder Weiher oder kleine Bäche im Wald. Egal, auf jeden Fall Wasser, an das er leicht herankommt."

Gartenschläfer in Zahlen
Zur Gesamtpopulation des Gartenschläfers in Deutschland gibt es nur Schätzungen. Die "Spurensuche Gartenschläfer" des BUND hat mehr als 10.000 Hinweise auf Gartenschläfer gesammelt. In Europa ist sein Verbreitungsgebiet in den vergangenen Jahrzehnten um etwa 50 Prozent geschrumpft. Thomas Mölich vom BUND spricht von 35 Prozent oder mehr in Thüringen. Neben der Trockenheit, Insektenschwund, der Zersiedelung der Landschaftsflächen, spielte dafür in Thüringen auch der Einsatz des Insektizids DDT bis in die Achtziger Jahre eine Rolle.

Thüringenforst: "Jetzt müssen wir abwarten"

Die ersten drei Monate des Jahres 2025 waren Daten des Deutschen Wetterdienstes zufolge trockener und sonniger als im Normalfall. Genau dann kommt es zu einem Dominoeffekt für die Waldbewohner. So erklärt es Horst Sproßmann vom Thüringenforst, der Landesforstanstalt: "Da das Frühjahr für viele Arten Brut- und Setzzeit ist, besteht ein hoher Bedarf an Nestbaumaterial und Nahrung für die Nachzucht."

Fehlt das, bleiben weniger Individuen und die Gesamtpopulation über das Jahr klein. Thüringenforst ist froh über den neuesten Regen: "Grundsätzlich ist die Vegetation erst einmal grün und hat ausgetrieben. Jetzt müssen wir abwarten, wie es Trockenphasen und kleine Niederschläge über das Land verteilt gibt."

Der Dürre-Monitor von MDR WISSEN zeigt, dass durch die vergangenen Niederschläge in Thüringen der Oberboden ein wenig feuchter wurde - jedoch kaum in Südthüringen. Auch auf den Gesamtboden sind die Auswirkungen relativ gering.

Auch andere Arten betroffen

Dabei stresst die Trockenheit im Wald nicht nur die Gartenschläfer, sondern auch Amphibien wie den Feuersalamander. Martin Schmidt beobachtet das für die "Naturstiftung David" des BUND. "Die Tiere leiden, wenn die Moore austrocknen und Wasser in kleinen Quellbächen fehlt."

In diesem Herbst startet die Stiftung deshalb in die Umsetzung des Großprojekts "Bäche, Moore und Bergwiesen im Thüringer Wald". Sie wollen Gewässerabschnitte renaturieren und geschädigte Moore revitalisieren.

Feuersalamander leben in den dunklen, kellerartigen Schluchten der Sächsischen Schweiz. Dort jagen sie nach Regenwürmer und anderen wirbellosen Tieren.

Er fällt auf und braucht es feucht: der Feuersalamander

Und auch für Vögel bringt die Trockenheit viele Probleme mit sich. Die Tiere hätten zwar ihre Strategie, damit klarzukommen, sagt Tilo Sauer vom Naturschutzbund Nabu in Thüringen. Indem sie beispielsweise Flüssigkeit über Morgentau aufnehmen. Problematisch sei, dass die Tiere oft nicht genug Nahrung hätten - auch um ihren Nachwuchs aufzuziehen. Aktuell gibt es deshalb laut Nabu auch immer weniger Gartenvögel.

"Sie brauchen ausreichend Insektenmasse, um gut ins Jahr zu starten. Das klappte in den Trockenjahren in der Regel nicht so gut. Man hat es bei den Insektenjägern gemerkt, denn die können ja schlecht auf anderes Futter ausweichen." Um den Tieren zu helfen, rät Tilo Sauer vom Nabu, in Gärten wilde Ecken stehen zu lassen. Dort könnten sich Insekten und damit die Futterquelle der Vögel vermehren.

Hilfe für den Gartenschläfer

Der BUND steckt seit Jahren viel Energie in die Hilfe für den Gartenschläfer. Neben den Wildkatzen ist das Tier ein Symbol für den Naturschutz geworden. Er bringt Sympathiepunkte und Fördergelder.

Um die Folgen des Klimawandels und auch intensiver Fichten-Bewirtschaftung abzumildern, sind die Naturschützer zusammen mit dem Landesforst aktiv geworden. An den Schieferhängen und -senken rund um Steinach (Kreis Sonneberg) haben sie Totholzhaufen aufgeschüttet. Dort findet der Nager Insekten zum Fressen und kühle Rückzugsräume über den Tag.

Totholzhaufen im Wald

In den Haufen findet das Tier, was es braucht.

Himmelsteich für längere Durststrecke

Aber es gibt auch aufwendigere Maßnahmen: Thomas Mölich stapft einen Schieferhang hinab. Dort unten ist ein Teich. Man sieht, dass er vor wenigen Jahren menschengemacht wurde. "Hat eine ordentliche Wassermenge jetzt", sagt Mölich. "Die Wildschweine baden bestimmt drin."

Vor ihm liegt ein sogenannter Himmelsteich. Der lehmhaltige Boden fängt Wasser auf, das ober- und unterirdisch den Hang hinabkommt. Als Speicher für längere Trockenphasen. "Der Teich wäre nicht vorhanden, wenn wir hier nicht diesen kleinen Damm mit einem Bagger angelegt hätten." Genau das, was der Gartenschläfer (und andere Waldbewohner) brauchen.

Ein Weiher im Wald

Wenn Regen fehlt, finden die Gartenschläfer hier noch Flüssigkeit.

Ansiedelung in den Thüringer Wald

Und dann gibt es da noch die "Ultima Ratio", wie der Naturschützer sagt. Die Rückübersiedelung. Der BUND will den Gartenschläfer ab Herbst wieder im Thüringer Wald, nordwestlich vom Schiefergebirge, ansiedeln. "Wir wollen hier im Schiefergebirge trächtige Weibchen für eine gewisse Zeit in Gefangenschaft halten, bis die Junge bekommen. Dann werden die Weibchen wieder zurückgebracht, hier an ihren angestammten Platz. Aber die Jungen können dann in den Thüringer Wald."

Bergwaldprojekt ist geeigneter Partner

Doch die Tiere einfach irgendwo auszusiedeln, hätte keinen Mehrwert. Weite Teile des Thüringer Waldes sind mittlerweile kahl, regenerieren erst noch und bieten nicht das, was der Gartenschläfer braucht. Der BUND arbeitet dafür mit dem Bergwaldprojekt zusammen. Der Verein hat oberhalb von Steinbach-Hallenberg eine Waldfläche von etwa 300 Hektar Fläche gekauft. Das Geld für das Projekt kommt vom Umweltministerium.

"Das Bergwaldprojekt kann dort auf lange Sicht eine naturgemäße Waldbewirtschaftung durchführen. Sie können also dieses Lebensraummanagement ideal auf die Bedürfnisse von Gartenschläfer und Wildkatze abstimmen. Und der Gartenschläfer braucht ja dann eh keine riesigen Streifgebiete."

"Kleine Sensation" gibt Hoffnung

Viel Aufwand für die etwa 14 Zentimeter großen Tiere. Aufwand, den der Zoologe Mölich so begründet: "Jede Art ist ein Knoten in einem Netz. Wir sollten uns hüten, dabei zuzusehen, wie die Artenvielfalt schwindet. Dann wird es uns nämlich irgendwann selbst an den Kragen gehen."

Vor wenigen Tagen kam für die BUND-Mitarbeiter dann eine Bestätigung für ihre Mühe. Auf der "Meldestelle Gartenschläfer" lud eine Frau ein Foto von einem Gartenschläfer hoch. Aus der Nähe von Tambach-Dietharz. Ein Beleg für die Naturschützer, dass der Thüringer Wald zukünftig tatsächlich wieder zum Habitat der vom Aussterben bedrohten Tiere werden kann. Oder, wie Thomas Mölich sagt: "eine kleine Sensation."

MDR (dst)