
Schleswig-Holstein Ohne Angst nach Hause: Wie Städte in SH die Sicherheit erhöhen wollen
Warum haben Menschen Angst, wenn sie im öffentlichen Raum unterwegs sind? Damit beschäftigt sich die Stadtplanung. Kieler Studentinnen wollen außerdem auf das Problem aufmerksam machen und Lösungen erarbeiten.
Auf dem nächtlichen Heimweg ein fester Griff um den Schlüsselbund, ein Seitenwechsel zur beleuchteten Straßenseite oder Anspannung beim Passieren einer Gruppe Männer - solche Situationen kennen viele Frauen. Auch die Kieler Studentinnen Büşra, Pauline und Larissa. Sie haben nach eigenen Angaben genug davon, sich im öffentlichen Raum unwohl zu fühlen - und wollen mit ihrem Projekt safe&seen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) aufklären und verändern.
Kielerinnen und Kieler sollen dabei die Möglichkeit bekommen, auf einer interaktiven Karte anonym unsichere und sichere Orte zu markieren und zu beschreiben. Im Juli und September wollen die Studentinnen dann mit Teilnehmenden die Räume begehen, die besonders häufig als unsicher wahrgenommen wurden. Vor Ort soll diskutiert werden, wie sich diese verbessern lassen. Die Ergebnisse will das Projektteam an die Stadt weitergeben – als konstruktiven Beitrag für eine Stadtplanung, die auf alle Rücksicht nimmt.
Angst im öffentlichen Raum: Gefahr ist nicht immer real
Dass Handlungsbedarf besteht, macht auch eine aktuelle BKA-Studie deutlich. Demnach meiden knapp 58 Prozent der Frauen bestimmte Straßen, Plätze oder Parks - bei Männern sind es rund 29 Prozent. Auch versuchen etwa 60 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer Fremden nachts auszuweichen. Brigitte Wotha forscht an der Fachhochschule Kiel zur geschlechtergerechten Stadtplanung. Sie betont: "Sich nachts unsicher zu fühlen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine reale Gefahr besteht." Ängste könne man unter anderem reduzieren, indem bei der Stadtplanung dichte Begrünung, Mauern sowie schwer einsehbare Ecken und Sackgassen vermieden werden.
Das Recht auf Stadt heißt, dass alle Teilhabe an der Stadt haben. Und wenn man dann eben in unbelebte Räume nicht hingeht, weil man sich da unsicher fühlt, verweigert einem das die Teilnahme."
— Brigitte Wotha, Professorin für Raumplanung Fachhochschule Kiel
Unterschiedliche Wege durch die Stadt
Geschlechtergerechte Stadtplanung geht laut Wotha aber auch über die Frage hinaus, wie sich Menschen im öffentlichen Raum sicher fühlen können. Ziel sei es, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Bevölkerungsgruppen in die Planung und Gestaltung einzubeziehen. Wie Menschen Städte nutzen, hänge nämlich stark vom Alltag ab. Erwerbstätige fahren meist direkt zur Arbeit und zurück. Wer aber Care-Arbeit leistet - etwa Kinder zur Kita bringt, einkauft oder Angehörige pflegt - legt komplexere Wegeketten zurück. Das trifft laut Statistischem Bundesamt vor allem Frauen: Sie verbrachten 2022 rund 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, Männer rund 21.
Nah statt fern - die Stadt der kurzen Wege
Ein Ansatz, der diesen unterschiedlichen Wegen gerecht wird, ist das Konzept der "Stadt der kurzen Wege". Ziel ist es, Wohnen, Arbeiten, Bildung und Versorgung räumlich zu bündeln, so dass Menschen alles, was sie zum Leben brauchen, möglichst in ihrer direkten Umgebung finden. So können viele Wege zu Fuß oder mit dem Rad erledigt werden. Städte wie Paris oder Barcelona setzen dieses Prinzip bereits um - für mehr Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Teilhabe.
Was Kiel für mehr Sicherheit plant
Auch die Stadt Kiel will den öffentlichen Raum nach eigenen Angaben sicherer und inklusiver gestalten - besonders in Grünanlagen. Laut Stadtverwaltung stehen Übersichtlichkeit, gezielte Beleuchtung und klare Wegeführung im Fokus. Geschlechtergerechte Planung soll demnach auf allen Ebenen mitgedacht werden - von der Bauleitplanung bis zur Umsetzung. Ämterübergreifende Zusammenarbeit soll dabei die Qualität sichern - und langfristig zu einer Stadt beitragen, die sich an den Bedürfnissen aller Menschen orientiert.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 27.05.2025 | 19:30 Uhr