"Tagesschau"-Sprecher Wilhelm Wieben in der Studio-Kulisse (um 1975)

Schleswig-Holstein Vor 90 Jahren geboren: "Nachrichten-Gentleman" Wilhelm Wieben

Stand: 02.06.2025 10:30 Uhr

Korrekt und stilsicher, bekannt und beliebt: 25 Jahre war Wilhelm Wieben Sprecher der Tagesschau. Eine große Liebe hatte er zum Plattdeutschen. Geboren wurde er am 2. Juni 1935 in Hennstedt in Dithmarschen. Er starb 2019.

"Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau" - mit diesem Leitsatz hat Wilhelm Wieben der Tagesschau 25 Jahre lang ein Gesicht, eine Stimme und einen ganz bestimmten Stil gegeben. Und obwohl er vor seiner Radiokarriere die Max-Reinhardt-Schauspielschule in Berlin absolvierte, spielte Wilhelm Wieben nie den Gentleman, der die Nachrichten präsentiert - er war es. Und genau das schätzten nicht nur die Zuschauer, sondern auch Kollegen wie Jo Brauner an ihm.

Er hat den Nachrichten eine besondere Würze gegeben. Man sagt immer, Nachrichtenmenschen sind immer nüchterne, pragmatische Leute. Er hat das verbunden mit diesem Anderen, mit dem Schauspielerischen, mit dem Leichten. Das war wahrscheinlich das Besondere - oder wie Dagmar Berghoff gesagt hat: Der 'Elder Statesman', die Ikone des Deutschen Fernsehens."
— Jo Brauner, Tagesschau-Kollege Wiebens

Theater, Beat-Club und Tagesschau

Geboren wurde Wilhelm Wieben am 2. Juni 1935 in Hennstedt in Dithmarschen. Nach der Schule war eine erste berufliche Tätigkeit in einer Kommunalverwaltung. Danach ließ er sich an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin zum Schauspieler ausbilden. Es folgten kleinere Rollen am Theater. Danach führte ihn der Weg zum Sender Freies Berlin, wo er als Rundfunksprecher arbeitete. Später ging er zu Radio Bremen. Erstmals im Fernsehen war er 1963 als Ansager zu sehen. So kündigte er zum Beispiel die legendäre Sendung Beat-Club an. Von 1966 an arbeitete Wieben in Hamburg in der Tagesschau-Redaktion - erst noch als Off-Sprecher. 1973 wurde er als Sprecher dann für ein Millionenpublikum sichtbar, ab 1974 für die 20-Uhr-Ausgabe.

Versteckte Talente - nicht nur hinter den Kulissen

Wieben war nicht nur der "Gentleman der Nachrichten", er hatte viele versteckte Talente - auch hinter den Kulissen der Tagesschau-Redaktion, wie Dagmar Berghoff in ihrer Laudatio nach Wiebens letzter Sendung verriet.

Außerdem konnte keiner wie du Kaffee in der Maske zubereiten. Wir alle haben das so viele Jahre genossen, und es ist gar nicht vorstellbar, dass es in Zukunft nicht mehr so sein soll."
— Dagmar Berghoff in ihrer Laudation zu Wilhelm Wiebens letzter Tagesschau-Sendung

Nicht die einzige Lücke, die er dort nach 25 Jahren hinterließ - trotzdem hat Wilhelm Wieben es nie bereut, bereits mit 63 Jahren als Tagesschau-Sprecher aufzuhören. "Nein, nein, ich habe ja den Abgang bestimmt. Ich finde es schön, wenn man zu einem Zeitpunkt gehen kann, wenn das Bedauern, dass man geht, noch da ist. Und nicht unterschwellig: 'Naja, nun wurde es ja auch Zeit.'"

Der ehemalige Tagesschau-Sprecher Wilhelm Wieben

Wilhelm Wieben hörte im Alter von 63 Jahren bei der Tagesschau auf.

Und nach seiner Tagesschau-Zeit hatte er noch viel vor: Das Kaffeekochen war bei Weitem nicht sein einziges verstecktes Talent. Fortan bewegte er sich mit der ihm eigenen, souveränen Eleganz auf anderen Bühnen. Er überraschte mit Tanz und Gesangseinlagen, und er verblüffte seine Zuhörer auf der Bühne mit Witz, Lockerheit und seinem unvergleichlichen Charme.

Wieben sagte und machte, was er für richtig hielt

Aber er tauchte auch dort auf, wo man ihn bei Weitem nicht vermutet hätte: So übernahm er bei Falcos vermeintlichem Skandalsong "Jeanny" den Part des Nachrichtensprechers.

Ich habe diesen Text nie als so besonders empfunden, und schon gar nicht als skandalträchtig. Ich bin auch der Meinung, dass daraus ein Skandal gemacht worden ist."
— Wilhelm Wieben zu Falcos Lied "Jeanny

Eher zufällig von Inge Meysel geoutet

Er sagte und machte, was er für richtig hielt - auch in seinem Privatleben. Als Inge Meysel nur zufällig erwähnte, sie habe nur schwule Freunde und verreise beispielsweise mit Wilhelm Wieben sehr gern, blieb er der distinguierte, vornehme Herr und nahm es ihr überhaupt nicht krumm. Das wiederum respektierte sein Publikum bis zuletzt. "Ich bin nie unangenehm angesprochen worden. Ich habe nie polarisiert, insoweit war die Ansprache bis zum heutigen Tag nie unangenehm."

Wilhelm Wieben, deutscher Nachrichtensprecher, mit Schauspielerin und Freundin Inge Meysel in Hamburg, um 1996.

Dass er von Inge Meysel zufällig geoutet wurde, nahm Wilhelm Wieben ihr nicht übel.

Das lag sicher auch daran, dass der Dithmarscher Jung Plattdüütsch als seine Muttersprache ansah. Hochdeutsch habe er erst in der Schule gelernt, und wenn er Plattdeutsch sprach, dann war es kein Platt von der Stange, sondern eines im Maßanzug, das die ganze Würde dieser Sprache transportierte.

NDR Intendant Marmor: "Wir werden ihn vermissen"

Wieben, der in Hamburg-Winterhude lebte, starb am 13. Juni 2019 in der Hansestadt. Er wurde 84 Jahre alt. Eine Urne mit seiner Asche wurde in der Ostsee bestattet.

Der damalige NDR Intendant Lutz Marmor ehrte den Dithmarscher mit diesen Worten: "Wilhelm Wieben hat über Jahrzehnte die Tagesschau geprägt. Stets seriös, kompetent und hoch professionell. Als Sprecher hat er Generationen begleitet. Wilhelm Wieben gehörte zu den prägenden deutschen Fernsehpersönlichkeiten, immer freundlich, zugewandt und nah bei den Zuschauerinnen und Zuschauern. Darüber hinaus beeindruckte Wilhelm Wieben unter anderem durch Lesungen, als Moderator und Schauspieler - und durch seinen persönlichen Einsatz für hilfsbedürftige Menschen. Wir werden ihn vermissen."

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 13.06.2019 | 14:00 Uhr