
Sachsen-Anhalt Landwirtschaft am Kipppunkt
Die Landwirtschaft muss sich am internationalen Markt messen. Hohe Kosten machen es Landwirten schwer, ihre Produkte gewinnbringend zu verkaufen. Immer mehr Betriebe verschwinden – zum Beispiel Spargelbauern.
Wenn man von Burg aus nach Hohenseeden hereinfährt, wiegt sich grünes Getreide im Frühlingswind. Die typischen Spargeldämme, die hier noch vor ein paar Jahren waren, sind verschwunden. Die Agrargenossenschaft Hohenseeden-Parchen, einst größter Spargelanbauer Sachsen-Anhalts, hat ihre Anbaufläche für das Edelgemüse stark zurückgefahren. Von 170 Hektar auf 20.
"Wir hatten in Spitzenzeiten jeden Tag 30 Tonnen Spargel", erinnert sich Betriebsleiter Patrick Wolter, "die mussten jeden Tag geerntet werden, die mussten verkauft werden. 30 Tonnen kann man nicht jeden Tag selbst vermarkten. Wenn man eine Übermenge hat, dann kann der Handel den Preis bestimmen. Er interessiert sich nicht - was kostet die Produktion, sondern – wo ist die Gewinnmarge. Wenn wir einen Euro bekommen und haben Lohnkosten von zwei Euro, dann können wir nicht mehr mithalten."

Auf diesem Feld bei Hohenseeden wächst der Spargel, den die Firma verkauft.
Internationale Konkurrenz
Deutscher Spargel kann preislich nicht konkurrieren mit dem aus Griechenland, Peru oder Italien. Auch in der Saison wird aus Südeuropa Spargel importiert. "Es ist ein globaler Markt. Wir haben hohe Lohnkosten, Bürokratie. Wir mussten eine betriebswirtschaftliche Entscheidung fällen."
Eine Entscheidung, die schwerfiel, denn Hohenseeden und Parchen im Jerichower Land waren schon immer Spargelgegenden. Der sandige Boden ist ideal für den Anbau des Edelgemüses. Schrittweise wurden Spargeldämme, die jeder etwa zehn Jahre Ertrag bringen, nicht mehr ersetzt. Die polnischen Arbeitskräfte, die seit vielen Jahren in der Saison als Erntehelfer arbeiten, konnten nicht mehr alle beschäftigt werden.
Direktvermarktung als Lösung
Die Agrargenossenschaft vermarktet ihren Spargel jetzt direkt: in Hofläden, an Verkaufsständen, über fliegende Händler und vor allem in der Gastronomie. "Wir haben für uns einen Weg gefunden, der funktioniert. und wollen den auch weitergehen", resümiert Patrick Wolter.

Arne Garlipps Spargelhof setzt seit 25 Jahren auf Direktvermarktung. Die Verkaufsstände sind das Rückgrat des Familienbetriebs.
Auch andere Betriebe haben den Spargelanbau zurückgefahren oder ganz eingestellt. Vor allem die reinen Spargelbauern haben es schwer. Die Anbaufläche für Spargel in Sachsen-Anhalt ging von knapp 1200 Hektar im Jahr 2005 zurück auf derzeit zirka 300.
Die ganze Familie engagiert sich für Spargel
In Schelldorf, einem Ortsteil von Tangerhütte, bewirtschaftet der Familienbetrieb Garlipp 70 Hektar Spargelfelder. "Unsere ganze Familie engagiert sich für den Spargel, das ist unser Erfolgsgeheimnis", verrät Arne Garlipp. Garlipp setzt alles auf Spargel. Das soll auch so bleiben. "Wir verkaufen auch Spargel an den Einzelhandel, aber das Wichtigste sind unsere Verkaufsstände, die wir seit 25 Jahren an den Straßen haben", weiß Arne Garlipp, der Inhaber des Spargelhofs.
Auf seinen Feldern arbeiten etwa 70 bis 80 rumänische Saisonarbeiter; die meisten von ihnen kommen seit Jahren in die Altmark. Spargelstechen ist hart, eine Arbeit im Akkord. Bis zu 200 Kilo kann ein Spargelstecher pro Tag ernten. Je wärmer es ist, desto schneller wächst das Gemüse und muss aus dem Boden. Die Spargelspinnen, die der Spargelhof seit etwa zehn Jahren einsetzt, sind eine große Erleichterung. Sie nehmen die Folien auf, tragen die Paletten mit den Spargelstangen. Der Hof hält die Augen offen nach neuen technischen Entwicklungen, denn Spargelanbau ist vor allem Handarbeit, und die Lohnkosten sind es, die das Gemüse so teuer machen.
Die Zukunft im Spargel
"Wir müssen noch effizienter werden, brauchen noch ertragreichere Felder, noch strukturiertere Abläufe, und wir müssen mehr mechanisieren", sagt Arne Garlipp. Dabei weiß er, dass Spargel wohl nie vollautomatisch geerntet werden kann. Versuche gibt es. "Es gibt zwei Wege. Der eine ist, dass der gesamte Damm mit dem Spargel darin abgetragen wird. Das hat sich aber nicht bewährt, weil zu viel Ausschuss anfällt", weiß Arne Garlipp. Der andere Weg, den der Altmärker beobachtet, sind Roboter, die mit Sensoren und Kamera den Spargel finden und erntet. Das Verfahren ist noch lange nicht ausgereift und sehr teuer. Aber hier, so schätzt der Spargelbauer, liegt die Zukunft.

Hier wird der Spargel sortiert, seit Jahren setzt die Agrargenossenschaft Hohenseeden auf polnische Saisonkräfte.
Dass wegen steigender Preise weniger Spargel gegessen wird, hat Arne Garlipp bisher nicht festgestellt. Das Unternehmen hat einen festen Kundenstamm und kommt mit den Kunden an den Ständen ins Gespräch. Ganz sicher gewinnen die Tangerhütter auch Kunden von Betrieben hinzu, die im Preiskampf nicht mehr mithalten konnten.
Landwirtschaft am Kipppunkt
Der Preisdruck, den die Spargelanbauer erleben, findet auch in anderen Bereichen statt. Bei den Erdbeeren, bei den Heidelbeeren, bei Milch und Fleisch. Hinzu kommt, dass es immer schwerer wird, Arbeitskräfte zu finden. Die Länder, die früher Saisonarbeiter stellten, bezahlen ihre Arbeiter inzwischen selbst gut. So kommen auch die Arbeitskräfte immer weiter aus dem Osten.
"Die Landwirtschaft ist an einem Kipppunkt", schätzt Patrick Wolter. "Nicht umsonst haben die Bauern im vergangenen Jahr demonstriert." Er beobachtet, dass insbesondere Tierhalter ihre Betriebe aufgeben und immer mehr spartenfremde Investoren Betriebe und Land aufkaufen. Darunter die großen Handelsketten, die damit wiederum Druck auf die Preise ausüben. "Jeder Betrieb, der aufhört, fängt nicht wieder an. Ein Land, das sich nicht mehr selber ernähren kann, macht sich abhängig vom Ausland, und dann sind wir anfällig", befürchtet der Landwirt.
MDR (ltt)