Die Anlagen der TotalEnergies Raffinerie Mitteldeutschland GmbH in Leuna, über der schwarze Wolken ziehen.

Sachsen-Anhalt IWH-Chef fordert rasche Energiewende

Stand: 18.05.2025 16:19 Uhr

Der US-Chemieriese Dow hat angekündigt, seine Standorte in Böhlen und Schkopau auf den Prüfstand zu stellen. Die Produkte finden keine Abnehmer mehr in Europa. Zugleich will Präsident Donald Trump wieder Produktion in die USA zurückholen und so die Globalisierung zurückdrehen. Wäre das auch ein Weg für bedrohte deutsche Standorte? Uli Wittstock sprach darüber mit Reint Gropp, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.

Von Uli Wittstock, MDR SACHSEN-ANHALT

Wenn man Kunststoff herstellen will, braucht man Rohbenzin und große Anlagen, sogenannte Cracker, in denen die Rohprodukte für die Kunststoffherstellung erzeugt werden, mit hohem Energieeinsatz. Im sächsischen Böhlen betreibt der US-Chemieriese Dow so einen Cracker und ein Teil der Produkte werden dann in Schkopau weiterverarbeitet. Allerdings gibt es für die Produkte in ganz Europa keine Abnehmer mehr. Was in Mitteldeutschland produziert wird, wird nach Ägypten oder Asien transportiert. Rentabel ist das nicht.

Nicht mehr wettbewerbsfähig

Deutschland hat weder die Rohstoffe, noch die billige Energie, um Grundstoffe für die Plasteherstellung zu erzeugen. Für Reint Gropp, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle zeigt sich darin ein Grundproblem: "Wir müssen uns auf Produkte konzentrieren, wo wir einen Wettbewerbsvorteil haben. Also eher Hightech und weniger Massenprodukte, die woanders billiger hergestellt werden können." Leider hat damals die Treuhand als erstes die Forschungsabteilungen der Großbetriebe abgewickelt. Technologische Erneuerung ist unter diesen Voraussetzungen schwierig.

Kein Standortvorteil mehr

Einst kam die Chemieindustrie wegen der Braunkohle nach Mitteldeutschland. Geht also die Industrie jetzt, mit dem erwartbaren Ende der Braunkohle? Ökonomisch machte es seinerzeit Sinn, so Reint Gropp. Doch die Zeiten haben sich geändert: "Braunkohle war schon eine ganz gute Energiequelle, aber sie ist eben dreckig. Wir haben uns zu Recht entschlossen, das nicht mehr zu machen." Allerdings gibt es nun ein Problem, dass Sachsen-Anhalt besonders trifft – die Energiepreise. Was einst der Grund war für die Industrialisierung, ist nun ins Gegenteil umgeschlagen. Kein Bundesland hat einen so hohen Anteil an energieintensiven Unternehmen wie Sachsen-Anhalt. Und die treffen die Preise besonders hart.

Braunkohle war schon eine ganz gute Energiequelle, aber sie ist eben dreckig. Wir haben uns zu Recht entschlossen, das nicht mehr zu machen. Reint Gropp, IWH Halle |

Energiewende als Voraussetzung

"Es gibt kein Naturgesetz, das sagt, Deutschland muss den höchsten Strompreis von allen Industrieländern haben", sagt Reint Gropp. Allerdings müsse die neue Bundesregierung alles daransetzen, die Energiewende schneller umzusetzen, mit dem Bau neuer Gaskraftwerke etwa, mit Strom- und Wasserstoffimport aus Afrika und einer besseren europäischen Koordination. "Je schneller wir das alles hinkriegen, desto schneller haben wir wieder einen wettbewerbsfähigen Energiepreis." Nur dann hätten die energieintensiven Unternehmen eine Chance. Denn trotz aller Problem gebe es keine Alternative zur angestrebten CO2-Einsparung.

Ausweg Selbstversorgung?

Donald Trump scheint derzeit von der Idee überzeugt zu sein, die Globalisierung zurückzudrehen und wieder mehr Produktion in die USA zurückzuholen. Reint Gropp sieht das als Irrweg: "Die meisten Ökonomen würden sagen, das ist keine gute Idee, was sie da machen mit ihren Zöllen. Aber sie machen es." Allerdings ist ja spätestens seit Corona klar, was passiert, wenn internationale Handelswege plötzlich blockiert sind. Wäre da die Idee einer Selbstversorgung nicht sinnvoll? Laut Gropp ist das irrsinnig teuer: "Es würde tatsächlich die Preise für fast alle Güter dramatisch erhöhen. Das heißt, das sollte wirklich die allerletzte Lösung sein."

Abhängigkeit verringern

Der Ukrainekrieg hat gezeigt, welche Folgen die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl hatte. Lieferketten müssten stärker krisenfest gemacht werden, fordert Reint Gropp: "Wir müssen schauen, wo wir bestimmte Produkte herbekommen können, die wir nicht selbst wettbewerbsfähig herstellen können." Dennoch habe Deutschland von der Globalisierung stark profitiert. Dreißig Jahre nach dem Umbau der ostdeutschen Wirtschaft steht nun die Region erneut vor großen Veränderungen. Allerdings seien die Bedingungen nicht unbedingt vergleichbar, so Reint Gropp: "Ich denke, dass da der Übergang jetzt schneller und etwas weniger schmerzhaft vonstatten gehen wird." In einem Land mit hohen Löhnen, wenig Energiequellen und wenig Rohstoffen muss man nach neuen Wegen suchen, wenn es darum geht, die Wertschöpfung zukunftssicher zu machen.

MDR (Uli Wittstock, Sebastian Gall)