Eine Frau hält ein Plakat mit Aufschriften wie "Corona-Hilfen waren Rettung - Keine Schuldenfalle".

Sachsen Umstrittene Rückforderung von Corona-Soforthilfen

Stand: 21.05.2025 09:22 Uhr

Schnell und unbürokratisch sollten die Corona-Soforthilfen ausgezahlt werden. Dass viele Unternehmen sie nun zurückzahlen sollen, ist für die meisten eine böse Überraschung. In Döbeln haben Händler dagegen protestiert. Sie fühlen sich von der damaligen Bundesregierung betrogen, weil damals von einem Zuschuss und nicht von einem Kredit die Rede war. Wie Klagen in verschiedenen Bundesländern gezeigt haben, haben die Länder bei der Bewilligung der Hilfen einen Ermessensspielraum.

Von Christiane Cichy, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber

Händler gehen in Döbeln auf die Straße

Die Gewerbetreibenden in Döbeln, die nun ihre Corona-Soforthilfen zurückzahlen sollen, fühlen sich betrogen, denn die Hilfen wurden ihrer Ansicht nach damals nicht als zurückzuzahlendes Darlehen in Aussicht gestellt. Letzte Woche Montag machten sie ihrem Unmut Luft und versammelten sich zum Protest in der sächsischen Kleinstadt, weil sie um ihre Existenz fürchten. Während der Corona Pandemie waren sie gezwungen, über Wochen ihre Läden zu schließen. Ihre Einnahmen waren von heute auf morgen weggebrochen.

Jetzt fünf Jahre nach dem ersten Lockdown sollen sie, wie viele andere bundesweit auch, die sogenannten Corona-Soforthilfen aber doch wieder zurückzahlen. Sie werfen der Politik Wortbruch vor. "Der O-Ton vom damaligen Finanzminister war: Das sind Zuschüsse, sie müssen nicht zurückgezahlt werden. Das ist für uns der O-Ton, denn es sollten Hilfen sein. Es sind am Ende Schulden und die würden die kleinen mittelständischen Unternehmen in den Konkurs führen", erklärt Friseurmeisterin Grit Neumann am Rande der Demo dem MDR-Magazin Umschau. "Die Rückforderung ist der Todesstoß für viele kleine Geschäfte. Das ist wirklich so“, fügt Jens Jung hinzu. Er ist Inhaber eines Schuhgeschäftes.

Noch heute ist auf den Seiten der Bundesregierung nachzulesen, dass es sich bei den Hilfen mit einer Höhe von insgesamt 50 Milliarden Euro um einen Zuschuss und nicht um einen Kredit handeln sollte. "Es muss also nichts zurückgezahlt werden", wird der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz dort zitiert. Doch die Realität sieht nun anders aus: Der Bund hat die Bundesländer aufgefordert, zu prüfen, ob die gezahlten Hilfen überhaupt berechtigt waren.

Eine Frau hält ein Plakat mit Aufschriften wie "Corona-Hilfen waren Rettung - Keine Schuldenfalle".

Händler in Döbeln protestierten gegen die Rückforderungen der Corona-Soforthilfen.

Friseurmeister aus Dresden wirft Politik Verschleppung vor

Auch Friseurmeister Christian Schneider, der damals 9.000 Euro Coronahilfe beantragt hatte, um seinen Laden in Dresden über die Runden zu bekommen, hat einen Rückzahlungsbescheid bekommen. Sechs Wochen hatte er sein Geschäft im Frühjahr 2020 schließen müssen. Neben der staatlichen Unterstützung bekam er noch einen Kredit von seinem Bruder über 17.000 Euro, um überleben zu können. "Es war eine sehr existenzbedrohende Zeit. Es kamen sehr beängstigende Gefühle hoch. Die Frage: Wie soll ich das machen, ich habe vier Angestellte?", erinnert sich Schneider zurück, der sich heute in Radebeul als Einzelunternehmer durchschlägt.

Laut Schlussbescheid der Sächsischen Aufbaubank, die in Sachsen das Rückzahlungsverfahren durchführt, soll er nun die gesamten 9.000 Euro zurückzahlen. Innerhalb eines halben Jahres, anderenfalls drohen Zinsen. Die Begründung: Ein Liquiditätsengpass habe nicht bestanden. Das heißt: Trotz Schließung sei er nicht in einer finanziellen Notlage gewesen. "Man fühlt sich einfach verarscht. Jetzt kommen sie nach fünf Jahren und bringen mich in eine Existenzbedrohung, die sie damals abwenden wollten. Dann ist es für mich nur eine Verschleppung, mehr ist es nicht", sagt Schneider.

Portrait eines Manness

Friseurmeister Christian Schneider ist gegen die Zahlungsaufforderung in Widerspruch gegangen.

Man fühlt sich einfach verarscht. Jetzt kommen sie nach fünf Jahren und bringen mich in eine Existenzbedrohung, die sie damals abwenden wollten. Dann ist es für mich nur eine Verschleppung, mehr ist es nicht. Friseurmeister Christian Schneider |

Buchhändlerin aus Großröhrsdorf kämpft um weitere absetzungsfähige Kosten

Buchhändlerin Sandra Kretzschmar soll die Coronahilfe in Höhe von 9.000 Euro zurückzahlen. Ihren Laden in Großröhrsdorf, für den sie die finanzielle Unterstützung bekommen hatte, wird sie im Juni schließen. Er rechnet sich seit Corona nicht mehr.

Bitter für sie ist, dass sie die meisten Ausgaben, die sie in den Wochen des Lockdowns 2020 hatte, beim Rückzahlungsverfahren gar nicht geltend machen darf. Dazu zählen ihr eigener Lohn sowie ihre Ausgaben für Kranken- und Rentenversicherung. Ebenso hatte sie Kosten für ihre geringfügig Beschäftigten. "Geringfügige Mitarbeiter konnte man nicht in Kurzarbeit schicken. Ich hatte aber zu dieser Zeit einen Hermes-Shop bei mir im Geschäft, der weiter betreut werden musste. Das heißt, ich lief unter postähnliche Dienstleistungen. Ich durfte zwar keine Bücher verkaufen, aber ich durfte Pakete entgegennehmen und rausgeben. Und dazu brauchte ich trotzdem Personal, was bezahlt werden musste. Und diese Personalkosten zum Beispiel wurden nicht akzeptiert", erklärt sie dem MDR-Magazin Umschau.

Portrait einer Frau

Auch Buchhändlerin Sandra Kretzschmar hat sich gegen die Rückforderung der Corona-Soforthilfe zur Wehr gesetzt.

Die Sächsische Aufbaubank (SAB) schreibt auf MDR-Anfrage zum sogenannten Unternehmerlohn: "Nach den bundeseinheitlichen Vorgaben war dieser von Beginn an nicht unterstützungsfähig.“ Um ihre Existenz zu sichern, hätten Selbstständige wie die Buchhändlerin damals Hartz IV beantragen sollen. "Hartz IV sind auch staatliche Gelder, so wie das jetzt staatliche Gelder sind. Vielleicht habe ich da einen Denkfehler, aber wir reden da von zwei verschiedenen Töpfen, die vom Staat finanziert werden. Der eine ist okay, aber der andere nicht. Da fehlt mir irgendwie die Logik dafür", sagt sie. Laut SAB seien die Rückforderungen aber korrekt, denn "die Corona-Soforthilfe wurde als Zuschuss gewährt … war jedoch an Bedingungen geknüpft, insbesondere an das Vorliegen eines tatsächlichen Liquiditätsengpasses". Sandra Kretzschmar ist in Widerspruch gegangen. Damit ist sie in Sachsen nicht alleine: Gegen die Rückzahlungsaufforderungen liegen etwa 900 Widersprüche im Freistaat vor. Die Zahl könnte steigen, da noch 43.000 Fälle offen sind.

Länder haben Ermessensspielraum bei Bewilligung von Coronahilfen

In Baden-Württemberg wurden Rückforderungen bereits seit 2021 verschickt. Inzwischen gibt es bereits 21.700 Widersprüche dagegen und auch 1.600 Klagen. Einer der Kläger ist Friseurmeister Holger Schier aus Heidenheim. Für seinen Salon mit 16 Mitarbeitern hatte er damals 15.000 Euro Corona-Soforthilfe bekommen. Zurückzahlen sollte er rund 10.400 Euro, weil er angeblich das Geld nicht richtig verwendet hatte. Doch das Verwaltungsgericht Stuttgart sah das anders und gab ihm Recht. Laut Urteil muss er nun nichts zurückzahlen. "Wir haben das Geld richtig verwendet. Die Umsatzeinbrüche können wir nachweisen", sagt er dem MDR-Magazin Umschau. Dem sei das Gericht gefolgt. Auch in anderen Fällen haben die Verwaltungsgerichte entschieden, dass Unternehmer in Baden-Württemberg das Geld nicht zurückzahlen müssen. Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig, weil das Land in Berufung gegangen ist.

Dass die Chancen der Unternehmer gut stehen, zeigt auch ein Blick nach Nordrhein-Westfalen. Auch hier wurden Corona-Soforthilfen schon 2021 zurückgefordert. 3.590 Unternehmer hatten dagegen geklagt. Das zuständige Oberverwaltungsgericht entschied 2024, dass die Rückforderung rechtswidrig war. Das Land wurde verpflichtet, ein neues Rückmeldeverfahren durchzuführen. Die Korrektur brachte für die Gewerbetreibenden wesentliche Verbesserungen. "Einzelunternehmer, Soloselbstständige, konnten nach unserem gerichtlichen Erfolg nun auch ihre Lebenshaltungskosten, wie auch Krankenkasse, Rentenversicherung, private Miete und ähnliches mit einsetzen", erklärt Reiner Hermann von der Interessengemeinschaft NRW-Soforthilfe gegenüber dem MDR-Magazin Umschau.

Einzelunternehmer, Soloselbstständige, konnten nach unserem gerichtlichen Erfolg nun auch ihre Lebenshaltungskosten, wie auch Krankenkasse, Rentenversicherung, private Miete und ähnliches mit einsetzen. Reiner Hermann, Interessengemeinschaft NRW-Soforthilfe |

Die, die aber bereits gezahlt haben, wie Ann Christine Leibner aus Hamm, bekommen allerdings nichts zurück, obwohl das Gericht entschieden hat, dass die Rückforderung rechtswidrig war. "Ich fühle mich auf jeden Fall sehr benachteiligt, wenn man weiß, dass die Kläger die Möglichkeit haben, ein neues Rückmeldeverfahren ausfüllen zu können", sagt sie. Sie hat nun die Hoffnung, dass mit einem erneuten Musterverfahren diese Ungleichbehandlung beseitigt wird. Doch das kann wieder Jahre dauern.

In Sachsen ist der sogenannte Unternehmerlohn bei den Coronahilfen bislang nicht abzugsfähig. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärt dazu auf MDR-Anfrage, hier gibt es bei den Ländern Ermessensspielraum. Ob der Klageweg hier fruchtet, wie in Nordrhein-Westfahlen und Baden-Württemberg, wird die Zukunft zeigen müssen.

MDR (cbr)