
Sachsen Sexismus-Debatte um nackte Skulptur im Grassi Museum Leipzig
Eine unbekleidete Venus-Skulptur im Grassi Museum Leipzig sorgt für Diskussionen. Sie war zuvor aus einer Bundesbehörde entfernt worden – auf Wunsch der Gleichstellungsbeauftragten, die sie als sexistisch empfand. Der Leipziger Museumsdirektor Olaf Thormann verteidigt nun die Skulptur und verweist auf ihre kunsthistorische Bedeutung.
- Museumsdirektor Olaf Thormann warnt davor, heutige moralische Maßstäbe auf historische Kunstwerke zu übertragen.
- Das Leipziger Grassi Museum präsentiert die unbekleidete Venus-Skulptur bewusst würdevoll.
- Bei der Figur handelt es sich um eine Kopie der berühmten Venus Medici aus Florenz, die einst Teil der Kunstsammlung Hermann Görings war.
Eine unbekleidete Bronzeskulptur im Leipziger Grassi Museum für Angewandte Kunst sorgt derzeit für Diskussionen. Die sogenannte Venus Medici ist seit Anfang des Jahres als Leihgabe Teil der Dauerausstellung. Wie vergangene Woche bekannt wurde, war sie zuvor aus einer Berliner Bundesbehörde entfernt worden – mit dem Hinweis, ihre Darstellung könne als sexistisch wahrgenommen werden.
Museumsdirektor Olaf Thormann zeigte dafür im Gespräch mit dem MDR kein Verständnis: "Das ist keine Figur, die anbiedernde Nacktheit zeigt, sondern ein Körperideal von verhaltener Formung", erklärte er. Die Darstellung folge dem antiken Typus der "pudica", bei dem die Göttin Scham und Brust bedeckt – ein Symbol für Zurückhaltung. "Es gehört zum guten Ton, diesen Typus der schamhaften Venus zu kennen", sagte Thormann.
Kunsthistorisch gilt nackte Venus nicht als sexistisch
Der Museumsdirektor warnte davor, heutige moralische Maßstäbe auf historische Kunstwerke zu übertragen. "Wenn Sie in die Kunstgeschichte schauen, so ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper – gleich welchen Geschlechts – etwas, was sich über alle Zeiten vollzieht. Daran eine Diskriminierung festzumachen, halte ich für verfehlt."
Die Skulptur im Grassi Museum stehe exemplarisch für die Auseinandersetzung mit der Antike im Klassizismus und füge sich, so Thormann weiter, hervorragend in das Ausstellungskonzept des Hauses ein.

Die Florentiner Venus gehört zu den meist kopierten Statuen aller Zeiten. Berühmt ist ihre Darstellung in dem Gemälde von Sandro Botticelli.
Skulptur wird im Grassi Museum würdevoll präsentiert
Von dem Vorwurf des Sexismus habe das Museum im Vorfeld nichts gewusst, betonte der Direktor. Man sei lediglich darüber informiert worden, dass die Skulptur zuvor im Eingangsbereich einer Behörde stand.
Als Museum habe man sich bewusst für eine neue Präsentation entschieden: "Als wir die Plastik übernommen haben, stand sie auf einem sehr flachen und unansehnlichen Sandsteinsockel, nur zehn Zentimeter hoch. Damit war ihre Würde und Ausstrahlung nicht wirklich gegeben", erklärte Thormann.
Wenn man ein Kunstwerk nicht gut präsentiert, kann die Wahrnehmung fehlgeleitet werden, vielleicht in einer Art und Weise, die solche Anwürfe begünstigt Olaf Thormann, Direktor des Grassi Museums für Angewandte Kunst |

Museumsdirektor Olaf Thormann hält die richtige Präsentation von Kunstwerken wie der Venus Medici für entscheidend.
Die Skulptur stehe nun auf einem deutlich höheren Sockel und werde gezielt ausgeleuchtet. Ziel sei es, die Figur "würdig und schön" erlebbar zu machen. "Wenn man ein Kunstwerk nicht gut präsentiert, kann die Wahrnehmung fehlgeleitet werden – vielleicht in einer Weise, die solche Anwürfe begünstigt", so der Museumsdirektor.
Gehörte einst zur Sammlung von Hermann Göring
Die Bronze-Skulptur ist eine Kopie der berühmten Venus Medici aus Florenz und wurde im frühen 18. Jahrhundert gefertigt. Laut Grassi Museum gehörte sie einst zur Kunstsammlung des nationalsozialistischen Politikers Hermann Göring. Nach Kriegsende sei sie in einem See versenkt und erst 1990 geborgen worden. Heute befinde sie sich im Besitz der Kunstverwaltung des Bundes.
Zuletzt stand die Skulptur im Berliner Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, wo sie auf Wunsch der Gleichstellungsbeauftragten entfernt wurde.

Das Original der berühmten, aus Marmor gefertigten "Venus Medici" steht heute in den Uffizien in Florenz.
Quellen: MDR AKTUELL, Grassi Museum für Angewandte Kunst, Kunstverwaltung des Bundes, redaktionelle Bearbeitung: vp, gw