
Sachsen Kämpferisch und politisch: Das war das 22. Neiße Filmfestival
Die Romanverfilmung "Ungeduld des Herzens" von Lauro Cress wurde beim Neiße Filmfestival im Dreiländereck Polen, Deutschland und Tschechien als bester Spielfilm ausgezeichnet. Das einzige dreisprachige Festival Deutschlands stand in diesem Jahr im Zeichen kulturpolitischer Debatten, die im Programm aufgegriffen wurden. Trotz drohender Kürzungen im sächsischen Kulturetat blieb die Stimmung optimistisch. Insgesamt beteiligten sich 19 Kinos und Kulturstätten, in denen über 100 Filme gezeigt wurden.
- Trotz drohender Kürzungen überzeugte das Festival mit starken Filmen und großem Zuspruch.
- Ein Höhepunkt im Programm war die mit dem Spezialpreis ausgezeichnete Doku "Die Züge".
- Das Neiße Filmfestival leistet auch über die Festivalwoche hinaus nachhaltige Kulturarbeit.
Beim 22. Neiße Filmfestival sind am Samstagabend im polnischen Zgorzelec die diesjährigen Preise verliehen worden. Als bester Spielfilm wurde der deutsche Beitrag "Ungeduld des Herzens" von Lauro Cress ausgezeichnet – eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Stefan Zweig. Die Auszeichnung für die beste darstellerische Leistung wurde an Giulio Rizzi verliehen, der die Jury in der Hauptrolle überzeugte.
Insgesamt wurden elf "Neiße-Fische" mit einem Gesamtwert von 27.000 Euro vergeben – darunter Auszeichnungen für das beste Szenenbild und das beste Drehbuch sowie Publikumspreise. Bei der diesjährigen Festivalausgabe standen rund hundert Filme auf dem Programm.
Festival und Filmbranche Sachsen zeigen Kampfgeist
Eine kulturpolitische Gewitterwolke hing in diesem Jahr über dem Neiße Filmfestival. Der sächsische Doppelhaushalt sieht deutliche Kürzungen im Kulturbereich vor. Die Förderung für den ländlichen Raum wäre davon besonders betroffen. So könnte die Initiative "Film.Land.Sachsen" komplett gestrichen, das Neiße Filmfestival – ein Flächenfestival, das an 19 Orten in der Oberlausitz und grenzübergreifend in Polen und Tschechien stattfindet – um 11 Prozent gekürzt werden.
Doch davon wollte sich auf dem laufenden Festival niemand die Stimmung verderben lassen. In den Gesprächen, die zwischen den Filmen, am Abend beim Bier oder während gemeinsamer Autofahrten zu entlegenen Festivalorten geführt wurden, zeigten sich Festivalbetreiber und Branchenbesucher zuversichtlich. Der Haushalt ist vom Landtag noch nicht beschlossen worden.
Man sei im Gespräch, sagte Festivalleiterin Ola Staszel. Es werde bis zuletzt Überzeugungsarbeit geleistet, versicherte auch die Leipziger Filmemacherin Alina Cyranek, die im Dokumentarfilmwettbewerb ihren ersten langen Film "Fassaden" präsentierte. Sie ist zugleich zweite Vorsitzende des Filmverbandes Sachsen.
Dieser Kampfgeist fand seinen bildlichen Ausdruck in den Feuertonnen, um die sich die Gäste im Hof des Kunstbauerkinos in Großhennersdorf, dem Festivalzentrum, zu später Stunde versammelten, um sich zu wärmen. Es war ungewöhnlich kalt zu dieser Jahreszeit. Das hielt einige Gäste nicht davon ab, in Decken gehüllt, auch das Sommerkino im Garten wahrzunehmen oder dort einem Konzert zu lauschen.

Das Sommerkino in Großhennersdorf wurde trotz Kälte gut besucht.
Filmfest freut sich über Zuspruch vom Publikum
Auch das Publikum hatte einen wärmenden Effekt. Andreas Friedrich, Mitbegründer des Festivals, war zufrieden mit der Resonanz. Gleich die Eröffnungsveranstaltung im Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau war besser besucht als in anderen Jahren, und die Diskussionen über den Eröffnungsfilm "Schlesien", ein Film von 1994, der frisch digitalisiert worden war, gingen bis tief in die Nacht. Gerade die historischen Rückblicke zogen die Menschen in die Kinos.

Zur Eröffnung des Neiße Filmfestivals wurde der 1994 gedrehte Film "Schlesien" gezeigt – erstmals in digitalisierter Fassung.
Dokumentarist Andreas Voigt, der im Fokus "Crossing Borders" seinen Film "Grenzland" von 1992 zeigte, erzählte im vollen Saal des Kunstbauerkinos viele Geschichten von damals. Geschichten vom strukturellen Wandel in der Grenzregion und vom Wandel der Beziehungen zwischen den Nachbarn Polen und Deutschland, die immer noch aktuell sind. Immer wieder ging es im Programm darum, sich historisch zu verorten.
Archivfilm über historische Weichenstellungen
Ein Höhepunkt im Programm war denn auch der neue Film des polnischen Dokumentarfilmemachers Maciej Drygas: "Pociągi" ("Die Züge"), der in diesem Jahr den vom Filmverband Sachsen gestifteten Spezialpreis des Neiße Filmfestivals erhalten hat. Es ist ein aktueller Film, der aber ausschließlich mit Archivmaterial arbeitet. Ohne Kommentar erzählt er die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der Eisenbahn und zeigt historische Szenen entlang der Schiene.

Der Dokumentarfilm "Die Züge" erzählt die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der Eisenbahn.
Im Zentrum stehen die beiden Weltkriege. Aber auch in den Vor- und Zwischenkriegszeiten lassen sich an den Menschen und Gegenständen, die da transportiert werden, sehr rasante Entwicklungen ablesen. Am Ende steht ein metaphorisches Bild, das den Zuschauer direkt in die Gegenwart holt: der Blick nach vorne aus dem fahrenden Zug auf ein riesiges Stellwerk voller Schienenstränge. Welche Weichen werden denn jetzt gerade gestellt – und sollten wir sie nicht besser gemeinsam stellen?
Abenteuer einer Lausitzerin in Wien
Die Auswahl des Dokumentarfilmwettbewerbs war in diesem Jahr besonders stark. Doch auch die Spielfilme behandelten relevante Fragen. Manchmal auch im (leicht) historischen Gewand, wie der neue Film von Maren-Kea Freese "Wilma will mehr", der beim Neiße Filmfestival mit dem Publikumspreis für Langfilme ausgezeichnet worden ist. Er beginnt Ende der 1990er-Jahre in der Gegend um Weißwasser, vor dem Hintergrund der brachliegenden Industrie und einer Landschaft im Wandel.

Regisseurin Maren-Kea Freese hat beim Neiße Filmfestival ihre Arbeit "Wilma will mehr" präsentiert.
Doch "Die Abenteuer der Lausitzerin Wilma", wie der Film mal im Arbeitstitel hieß, führen die Protagonistin nach Wien, wo sie mit 50 Jahren noch einmal neu anfängt, nach dem Motto: "Nicht Jammern. Selbst ist die Frau." Die Verlusterfahrung habe sie interessiert, erzählte die Filmemacherin, und wie unterschiedlich Menschen damit umgingen. Verloren hat Wilma alles, wofür sie in ihrem alten Betrieb mal angetreten ist, das Zukunftsversprechen, die eigene Identität, letztlich auch ihre Freundinnen und ihre Beziehung.
Doch die Elektrikerin Wilma findet überall etwas zu reparieren, auch in Wien gibt es schlecht angebrachte Steckdosen. Fritzi Haberlandt spielt Wilma so, dass sie immer wieder überraschende Seiten zeigt – und auch selbst an sich entdeckt. "Wilma will mehr" ist damit auch ein einfühlsames Frauenportrait, mit leisem Humor erzählt. Im Filmtheater Ebersbach, das sein Bestehen ehrenamtlichen Engagement verdankt, wurde der Film jedenfalls gut aufgenonmmen.

Der Film "Wilma will mehr" begleitet die Protagonistin von der Lausitz bis nach Wien.
Festival leistet nachhaltige Kulturarbeit
Und wie geht nun weiter mit dem Neiße Filmfestivall? Vieles ist noch ungewiss. Vielleicht muss ein Festival, das in drei Ländern stattfindet, in Zukunft auch einplanen, dass die Grenzkontrollen länger dauern. Es gab jetzt schon den Fall, dass Festivalbesucher beim Überqueren der Grenze länger auf ihre Identität geprüft wurden.
Klar ist: Es bräuchte eigentlich mehr und nicht weniger Unterstützung durch die Politik, auch wenn sich das Neiße Filmfestival natürlich nicht mit den Publikumserfolgen einer Berlinale vergleichen lassen kann. Das ist in diesem Fall auch der falsche kulturpolitische Parameter.
Das Festival, so zeigte sich auch in diesem Jahr, ist mehr als eine Woche Filme schauen. Es ist ein Netzwerk, das die kleinen Kulturinseln in der Region verknüpft und zusammenhält. Die Arbeit und Wirkung geht weit über die Festivalwoche hinaus. Und damit ist das Neiße Filmfestival vor allem eins: politisch nachhaltig.

Das Film-Theater Ebersbach zählte zu den 19 Spielorten in Deutschland, Polen und Tschechien, die sich am Neiße Filmfestival 2025 beteiligt haben.
Quellen: MDR KULTUR (Lars Meyer), Neiße Filmfestival, redaktionelle Bearbeitung: vp, gw