
Rheinland-Pfalz Schockanrufe: Warum Michael S. auf die Betrugsmasche hereingefallen ist
Michael S. aus dem Kreis Kusel ist auf Betrüger hereingefallen und hat in Idar-Oberstein viel Geld verloren. Der Fall zeigt, warum sich niemand in Sicherheit wiegen sollte.
Michael S. sitzt am Esszimmertisch in seinem Wohnzimmer. Immer wieder bricht seine Stimme. Er ringt um die richtigen Worte. Dem 57-jährigen Regisseur fällt es schwer, über das zu sprechen, was er vor etwas mehr als einer Woche erlebt hat. Dass er einmal auf Enkeltrick-Betrüger reinfallen und Opfer eines Schockanrufs würde, hätte er nie gedacht.
"Bei uns rufen täglich Leute an und wollen uns etwas andrehen. Da lege ich immer nach drei Sekunden auf", erzählt S. Dieses eine Mal bleibt der Mann aus Hoppstädten im Landkreis Kusel am Telefon. Der Anruf wird ihn fast 24.000 Euro kosten.

Michael S. hat nach einem Schockanruf Betrügern fast 24.000 Euro übergeben. Er will mit seiner Geschichte andere Menschen warnen.
Schockanruf - Tochter in Gefahr
An jenem Donnerstagnachmittag sitzt der Akademiker im Arbeitszimmer seines Hauses, als ihn der vermeintliche Staatsanwalt anruft. Der behauptet, dass seine Tochter bei ihm sei. Noch bevor Michael S. genau weiß, um was es angeblich geht, hört er eine weinende Frau am anderen Ende der Leitung.
"Für mich war das meine Tochter. Die Stimme heulte, war in Tränen aufgelöst. Das war ein ganz diffuses Trauerszenario, mit dem ich da konfrontiert war. Und da war ich erstmal in Schockstarre", erinnert sich der Vater.
Ich habe keine Sekunde gezögert, das zu glauben. Michael S., Betrugsopfer aus Hoppstädten
Eine perfide Geschichte mit Details und Paragraphen
Der vermeintliche Staatsanwalt berichtet dem geschockten Vater dann, dass seine Tochter mit dem Fahrrad eine schwangere Frau angefahren hätte. Die sei dadurch so unglücklich gestürzt, dass sie noch vor Ort verstorben sei.
"Das Ganze war mit so viel juristischem Fachlatein gespickt, mit Paragraphen und Formulierungen, dass ich auch wegen des Detailreichtums keine Sekunde gezögert habe, das zu glauben", erinnert sich der 57-Jährige.
Der Anrufer zeigt sich einfühlsam und verständnisvoll, vermittelt Michael S. immer wieder das Gefühl ihm helfen, ihn bei der ganzen Sache unterstützen zu wollen. Schließlich nennt der Betrüger die Kautionssumme. Fast 24.000 Euro soll der Vater am Ende zahlen, um sein Kind aus dem Gefängnis zu holen.
Betrüger geben sich einfühlsam und hilfsbereit
Die Betrüger manipulieren ihn derart geschickt, dass er sich bereit erklärt, zur Bank zu fahren. Um die Kontrolle über sein Opfer zu behalten, verlangt der Anrufer nun, das Gespräch auf dem Handy weiterzuführen.
Der angebliche Staatsanwalt macht im Verlauf des Gesprächs immer wieder deutlich, dass Michael S. keinesfalls auflegen und wegen der Schweigepflicht niemandem von der Sache erzählen darf.
In Panik das Konto geleert
Warum das Michael S. damals nicht komisch vorkommt, weiß er heute nicht mehr. Er berichtet stattdessen, wie er wie unter Strom zur Bank gefahren ist. Dort erzählt er dem Bankpersonal, dass er die hohe Summe für den Kauf eines Transporters benötigt.
Niemand vor Ort wundert sich. "Den Bankmitarbeiterinnen kann man überhaupt keinen Vorwurf machen. Ich habe mich in meiner Panik so aufgeräumt gezeigt, dass man da gar keinen Verdacht schöpfen konnte", erinnert sich S.
Mit 23.800 Euro Bargeld in der Tasche macht sich Michael S. danach auf den Weg nach Idar-Oberstein. Dort soll er einem von der Staatsanwaltschaft beauftragten Notar das Geld übergeben.
Erste Zweifel machen sich breit
Während der Fahrt, so erzählt er heute, wird er erstmals misstrauisch. "Mir dämmerte, dass diese ganze Aktion mit Ungereimtheiten und Widersprüchen gespickt ist. Schließlich geht doch so kein Staatsorgan vor."
Ich habe alle roten Flaggen gesehen. Michael S., Betrugsopfer aus Hoppstädten
Aus Angst in einen Hinterhalt gelockt zu werden, aktiviert er sogar die Zentralverriegelung seines Wagens. Danach beginnt er, den Mann am Telefon mit seinen Zweifeln zu konfrontieren. Er besteht darauf sich in einer Polizeidienststelle oder bei einer Staatsanwaltschaft zu treffen.
Fast ein Stunde, so erinnert sich Michael S., streitet und diskutiert er mit dem Anrufer. "Ich habe alle roten Flaggen gesehen und dennoch ist es den Betrügern gelungen weiterhin zu mir durchzudringen und meine Argumente zu entkräften", resümiert er.
Das Kind als Druckmittel
Um den Erfolg des Betrugs nicht zu gefährden, setzt der Mann am Telefon auf ein perfides Druckmittel. Am Telefon ist erneut die vermeintliche, weinende Tochter zu hören: "Die sagte: 'Papa es stimmt alles, was er sagt. Bitte bezahl das Geld, bitte hol' mich hier raus', Und da war ich gebrochen."
Ich habe immer gesagt, mir passiert so etwas nicht. Michael S. Betrugsopfer aus Hoppstädten
Michael S. knickt schließlich ein. Wenig später, etwa zweieinhalb Stunden, nachdem bei ihm Zuhause das Telefon geklingelt hatte, übergibt er einem Fremden auf der Straße das Geld.
Bereits kurz danach, als der 57-Jährige endlich seine echte Tochter am Telefon hat, wird ihm klar, auf welchen Betrug er hereingefallen ist. "Ich habe Zeitungsartikel gelesen und Podcasts gehört, in denen es um solche Fälle ging. Und ich habe immer gesagt, so etwas passiert mir nicht."
- Sollten auch Sie einen Anruf erhalten, bei denen Ihnen mitgeteilt wird, dass ein Familienmitglied beispielsweise verunglückt sein soll, rät die Polizei den Anruf zu beenden. Außerdem sollten das betroffene Familienmitglied oder andere Angehörige und Bekannte kontaktiert werden, um sich die Information bestätigen zu lassen.
- Die Polizei weist darauf hin, dass für lebensnotwendige medizinische Behandlungen oder zur Freilassung aus polizeilichem Gewahrsam niemals Geld vorgestreckt werden muss.
- Am Telefon sollten niemals Details zu finanziellen Verhältnissen offenbart werden. Polizei oder Staatsanwaltschaft erfrage keine Details am Telefon.
- Keinesfalls sollte Geld an Unbekannte übergeben werden. Sollten bei einem Anruf Zweifel aufkommen, sollte man sofort die Polizei informieren.
Psychologische Tricks der Betrüger zeigten Wirkung
Heute lässt ihn eine Frage nicht los: Wie konnte es den Betrügern gelingen, ihn derart zu manipulieren, dass er so einem – wie er selbst sagt – "Blödsinn" Glauben schenkt? Warum hat er die vermeintliche Tochter nicht nach Details gefragt. Warum ließ er sich selbst von dem merkwürdigen Verhalten des angeblichen Staatsanwaltes nicht beirren?
Eine Antwort darauf hat der Akademiker nicht. Für ihn ist nur eins klar: Die intensive Angst um sein Kind und das geschickte Agieren der Betrüger mit all den psychologischen Tricks, ließen ihn an diesem Tag wie ferngesteuert handeln.
Ratlosigkeit und Verzweiflung bleiben
Darüber, dass weder seine Familie noch die Polizei ihm im Anschluss Vorwürfe machen, sei er sehr dankbar. Trotzdem: Mit der Situation umzugehen, ist für Michael S. immer noch schwer. Im Interview ringt er stellenweise um Worte, kämpft immer wieder mit den Tränen.
Ich fühle mich missbraucht. Michael S., Betrugsopfer aus Hoppstädten
"Dass ich das Geld verloren habe, ist schrecklich, es ist existenzbedrohend. Aber darum weine ich nicht. Ich weine, weil ich mich missbraucht fühle. Ich war drei Stunden lang in einem realen Krimi".
"Es kann jeden treffen!"
Michael S. hat nun psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Er hofft dadurch auch zu begreifen, wieso er so anfällig für das perfide Vorgehen der Betrüger sein konnte. Um andere zu schützen, geht er mit seiner Geschichte nun an die Öffentlichkeit.
S. weiß, dass viele Betroffene, die Ähnliches erlebt haben, aus Scham schweigen. Das, was ihm passiert ist, soll anderen nun helfen. "Ich zeige damit, dass es einfach jedem passieren kann. Wenn nur ein Einziger deshalb nicht solche fatalen Geldübergaben macht, hat das alles schon Sinn gemacht."
Sendung am Mo., 2.6.2025 10:30 Uhr, SWR4 RP Studio Trier