
Rheinland-Pfalz Müssen wir in Rheinland-Pfalz jetzt mehr arbeiten?
Wir müssen mehr leisten, sagt Bundeskanzler Merz. Denn beim Thema Arbeitszeit stehe Deutschland im internationalen Vergleich gar nicht gut da. Warum Merz Ansatz zu kurz greift und wie es in RLP aussieht.
Gleich in seiner ersten Regierungserklärung hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) eine Debatte über die Arbeitszeit in Deutschland angestoßen. Er verlangt eine "gewaltige Kraftanstrengung" von den Menschen, um das Land wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu sei es nötig, "wieder mehr und vor allem effizienter" zu arbeiten.
Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können. Friedrich Merz, CDU, Bundeskanzler
Unterstützung für diese Behauptung erhielt er prompt von dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), das wenige Tage später eine Auswertung auf Basis von OECD-Daten veröffentlichte. Demnach arbeiten die Deutschen deutlich weniger als die Bewohner der meisten anderen Wirtschaftsnationen. Am Ende übernimmt Deutschland zwar bei den jährlich geleisteten Arbeitsstunden nicht die rote Laterne. Im Vergleich aller OECD-Länder - also aller wichtigen Wirtschaftsländer - landete es aber auf dem drittletzten Platz.
Arbeitszeit in Rheinland-Pfalz
Und Rheinland-Pfalz? Da kann das Statistische Landesamt in Bad Ems mit Zahlen aushelfen: Im vergangenen Jahr, also 2024, leisteten die gut zwei Millionen Erwerbstätigen in Rheinland-Pfalz 2,7 Milliarden Arbeitsstunden. Klingt erst einmal viel. Ist aber ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr - wenn auch nur ein recht kleiner um 0,5 Prozent.
Was die Statistiker aber auch klar machen: Nicht jeder Erwerbstätige in Rheinland-Pfalz hat einfach nur etwas weniger gearbeitet. Das zwar auch, wie aus der Grafik hervorgeht:
Der Rückgang des Arbeitsvolumens aller Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz hängt auch mit dem Rückgang der Erwerbstätigen zusammen. Weniger Menschen mit Arbeit, weniger Arbeitsvolumen.
Vergleichsweise viele Menschen in RLP arbeiten in Teilzeit
Außerdem sank die Zahl der Beschäftigten in Vollzeit, während die Teilzeitbeschäftigung stieg. Beides habe dazu beigetragen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit je Erwerbstätiger und je Erwerbstätigem zurückging. Zudem war der Krankenstand im Jahr 2024 hoch - damit verbunden auch der Arbeitsausfall.
In nüchternen Zahlen ausgedrückt: Was die Zahl der Arbeitsstunden pro Erwerbstätigem anbelangt liegt Rheinland-Pfalz unter dem Bundesdurchschnitt. Im Vergleich der Länder belegt Rheinland-Pfalz den vorletzten Platz. Zur Ehrenrettung sei aber gesagt: Die Statistiker handhaben Teilzeit und geringfügige Beschäftigung wie Vollzeitbeschäftigung. RLP hat vergleichsweise viele marginal Beschäftigte. Das verzerre die Zahlen, so die Statistiker.
Arbeitszeit geht zurück - Was sind die Gründe?
Der Trend scheint klar: In Deutschland wie auch in RLP wird in den letzten Jahren immer weniger gearbeitet. Tatsächlich sei die durchschnittliche Arbeitszeit pro Person in den letzten Jahren gesunken, sagt auch Wirtschaftsexpertin Elisabeth Wagner. Sie ist Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin, Managerin und Universitätsdozentin, zuletzt in Wien.
Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass noch nie so viele Menschen erwerbstätig gewesen seien, wie heute. Und dass viele davon heutzutage in Teilzeit arbeiteten. Etwa, weil bei Familien ein Einkommen alleine einfach nicht mehr ausreiche. "Dadurch, dass wir mehr Menschen am Arbeitmarkt haben, von denen viele oder einige in Teilzeit arbeiten, sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit pro Person. Und das sei die Zahl auf die sich politisch immer berufen wird."
Betrachte man allerdings das sogenannte Arbeitsvolumen - also die Summe der Stunden, die insgesamt in Deutschland gearbeitet werden - da sei Deutschland auf einem Rekordniveau - eben nur auf mehr Köpfe verteilt.
Neue Modelle für Arbeitszeit gefragt
Besser also, als pauschal für mehr Arbeit zu appellieren, wäre es, strukturelle Veränderungen anzustoßen, sagt Elisabeth Wagner im Gespräch mit dem SWR. Wie etwa eine gute Kinderbetreuung sicherzustellen. Oder auch familienfreundlichere Arbeitszeit-Modelle zu etablieren. In Schweden etwa gebe es die Kernarbeitszeit von 9 bis 16 Uhr. Meetings fänden innerhalb dieser Zeit statt. Dies mache es beiden Elternteilen einfacher, sich um die Kinder zu kümmern. Denn, 21. Jahrhundert hin oder her: Es sind auch heutzutage noch überwiegend viele Frauen, die in Teilzeit arbeiten.
Warum Kinderbetreuung oft ein Grund für Teilzeitarbeit ist:

Warum Eltern, die ihre Kinder betreuen, in Teilzeit arbeiten.
Mehr Kitas, weniger Steuer-Nachteile
Was in Deutschland fehle, seien Kitas, sagt Wagner. In anderen Ländern, etwa Frankreich oder Schweden, wo es genug Kinderbetreuungsplätze gebe, wirke sich das positiv auf die Teilzeitquote aus.
Zu der fehlenden Betreuung kämen dann auch noch steuerliche Fehlanreize, wie etwa das Ehegatten-Splitting. Das mache es für viele Frauen in Deutschland unattraktiv zu arbeiten. Zudem hätten viele Arbeitgeber generelle Bedenken gegen Teilzeitarbeit. Für Frauen sei das "real und ein großes Problem", sagt Wagner.
Feiertag abschaffen zugunsten der Wirtschaft?
Was die Diskussion um die Arbeitszeit noch zusätzlich befeuert: Forderungen aus der Wirtschaft, einen Feiertag zu streichen. Dänemark hat es schließlich vorgemacht. Wagner hält davon wenig: Dies sei eine "Symbol-Diskussion", ein "Tropfen auf den heißen Stein". Zudem sei die Maßnahme sehr unbeliebt, würde auf einen großen Widerstand bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stoßen.
Als prominentes Gegenbeispiel nennt sie Bayern: Das Bundesland habe die meisten Feiertage "Und trotzdem - oder gerade deshalb - eine starke Wirtschaft", sagt Wagner.