Drei Jahre waren Forschende in der Vulkaneifel unterwegs, um sie zu kartieren. Dabei haben sie bisher unbekannte Maare entdeckt.

Rheinland-Pfalz Forscher entdecken neue Maare in der Vulkaneifel

Stand: 21.05.2025 20:21 Uhr

Hunderttausende Jahre wurden sie übersehen, jetzt haben Geologen sie mehr oder weniger durch Zufall entdeckt: Maarvulkane, die nun zu den bekannten hinzugezählt werden müssen.

Von Anna-Carina Blessmann

Wenn Sabine Kummer über eine Wiese bei Steffeln läuft, erinnert sich die Geologin vom Natur- und Geopark Vulkaneifel daran, wie sie genau hier – unter der Wiese verborgen – mithilfe eines Spezialgeräts ihr erstes Maar entdeckt hat: "Da kommt wirklich Freude auf, wenn man entlang läuft und man findet etwas, wo man vorher nichts vermutet hat und wo auch nichts sichtbar ist."

Viele Vulkane, wie der Steffelnkopf hier, waren der Wissenschaft schon bekannt. Als sie neu vermessen wurden, stießen Geologen aber auf bisher unbekannte Maarvulkane.

Viele Vulkane, wie der Steffelnkopf hier, waren der Wissenschaft schon bekannt. Als sie neu vermessen wurden, stießen Geologen aber auf bisher unbekannte Maarvulkane.

Denn eigentlich wollte Kummer als Teil eines Forschungsteams nur einen bereits bekannten Vulkan unter der Erde neu vermessen, erinnert sich auch Georg Büchel von der Uni Jena, der das Projekt geleitet hat: "Deshalb sagte ich: Geh über den Rand dieses Vulkans hinweg und wenn die Werte niedrig werden, kannst du zurückkommen. Und Sabine ist gegangen und gegangen. Ich hab gesagt: Sabine, was ist los?"

Kummer ging weiter, weil die Werte ihres Geräts immer weiter anstiegen - ein Zeichen für vulkanisches Gestein, wo sie keines vermutet hatten, sagt Büchel: "Und so hat sie das allererste Maar entdeckt. Und das war natürlich wirklich ein tolles Gefühl."

Maarvulkane entstehen anders als Schlackenkegelvulkane

Denn bisher dachte die Forschung, sie kenne alle Maare in der Vulkaneifel, nämlich 77. Nur manche davon sind mit Wasser gefüllt und werden als Badeseen genutzt, wie die Dauner Maare oder das Pulvermaar in Gillenfeld.

Geologin Sabine Kummer vom Natur- und Geopark Vulkaneifel hat als Teil des Forschungsteams eines der neuen Maare entdeckt.

Geologin Sabine Kummer vom Natur- und Geopark Vulkaneifel hat als Teil des Forschungsteams eines der neuen Maare entdeckt.

Jetzt neue Maare zu entdecken, war für die Wissenschaftler eine kleine Sensation. Dass die Formationen so lange übersehen wurden, liegt daran, wie sie entstehen.

Anders als die kegelförmigen Vulkane, wie man sie sich klassischerweise vorstellt, bricht bei Maarvulkanen die Magma nicht aus der Erde aus und bildet durch die Lava einen Schlackenkegel.

Was ist ein Maar?
Ein Maar ist ein besonderer Vulkantyp, der durch gewaltige Wasserdampf-Explosionen entstanden ist. Der Name stammt vom lateinischen Wort "mare", was "Meer" bedeutet, da viele Maare wassergefüllt sind. Maare entstehen, wenn aufsteigendes Magma auf wassergesättigte Gesteinsschichten trifft. Dies führt zu heftigen Explosionen, bei denen das umgebende Gestein - zusammen mit der Magma - in winzige Teile zerfetzt und aus dem Entstehungstrichter geschleudert wird. Dadurch entsteht ein Hohlraum, der später zu einem Einsturztrichter wird. Oft bleibt der Trichter nach dem Ende der vulkanischen Aktivität mit Wasser gefüllt. In der Eifel gibt es mehr als 70 Maare, von denen zwölf noch heute mit Wasser gefüllt sind, während die anderen mit der Zeit verlandet sind.

Stattdessen reißen Maarvulkane unterirdisch einen Krater in die Erde, erklärt Kummer: "Die entstehen durch den explosiven Kontakt von wasserführenden Schichten und der aufsteigenden glutflüssigen, superheißen Magma. Dabei kommt es zu großartigen Wasserdampfexplosionen. So entsteht ein Maartrichter."

Hunderttausende Jahre alte Maare nicht mehr zu sehen

Nur die wenigsten Maare in der Vulkaneifel haben sich mit Wasser gefüllt. Die meisten sind als Senken zu erkennen. Wenn überhaupt. "Die sind hunderttausende Jahre alt. In dieser Zeit verändert sich die Erdoberfläche ganz schön gewaltig", sagt Kummer.

Unter dieser Wiese, zerschnitten vom Oosbach, verbirgt sich das Maar, das Sabine Kummer entdeckt hat. In hunderttausend Jahren können Maare von Erosion und Sediment so verändert werden, dass sie mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen sind.

Unter dieser Wiese, zerschnitten vom Oosbach, verbirgt sich das Maar, das Sabine Kummer entdeckt hat. In hunderttausend Jahren können Maare von Erosion und Sediment so verändert werden, dass sie mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen sind.

Alte Maare würden von der Erosion verändert, zugeschüttet mit Sedimenten, Flüsse könnten das Gestein ganz abtragen. Das heißt, man sieht diese typische Form oftmals nicht mehr.

Neue geologische Karte führt zu Entdeckung

Dass sie nun trotzdem entdeckt wurden, liegt an dem Forschungsprojekt der Uni Jena zusammen mit dem Geopark. Ziel war es eigentlich, neue Karten der Vulkaneifel zu erstellen.

Es hat sich gezeigt, dass wir vor 45 Jahren nicht so gut kartiert haben. Prof. Dr. Georg Büchel, Angewandte Geologie Universität Jena
Geologe Georg Büchel von der Universität Jena stammt aus der Eifel und hat die Region schon als Doktorand in den 80ern kartiert.

Geologe Georg Büchel von der Universität Jena stammt aus der Eifel und hat die Region schon als Doktorand in den 80ern kartiert.

Die vorhandenen Karten stammten nämlich aus den 1980er Jahren. Auch damals war Büchel, mittlerweile Professor für Angewandte Geologie, als Doktorand hier unterwegs: "Es hat sich aber gezeigt, dass wir vor 45 Jahren nicht so gut kartiert haben."

Hinzu kommt, dass sich die Landschaft der Vulkaneifel in diesen Jahrzehnten stark verändert hat. Nicht nur durch Erosion, sondern auch durch den Gesteinsabbau.

Dass sich in Steinbrüchen, aus Sicht der Wissenschaft sogenannte "Aufschlüsse", noch mehr vom Inneren des Gesteins zeigt, war für die Geologen ein weiterer Grund, die gesamte Vulkaneifel noch einmal neu zu vermessen. Und eine neue geologische Karte zu erstellen.

Hochmoderne Laserscans machen Bodenrelief sichtbar

Der Vorteil diesmal im Gegensatz zu den 80er Jahren: Neue, hochaufgelöste Laserscanmodelle, die es in Rheinland-Pfalz erst seit etwa fünf Jahren gebe, zeigen die Erdoberfläche sehr genau.

Dieses moderne, hochaufgelöste Laserscan-Höhenmodell bildet das Relief der Erdoberfläche ohne störende Bäume oder Büsche ab. Dadurch hatten die Forschenden eine Ahnung, dass sie hier weitere Maare entdecken könnten.

Dieses moderne, hochaufgelöste Laserscan-Höhenmodell bildet das Relief der Erdoberfläche ohne störende Bäume oder Büsche ab. Dadurch hatten die Forschenden eine Ahnung, dass sie hier weitere Maare entdecken könnten.

Der Laser ignoriert Bäume und Sträucher und kann so die Beschaffenheit des Bodens in einer Art Relief darstellen. Wegen dieser neuen Daten hatten die Forschenden schon eine Ahnung, dass es doch mehr Maare geben könnte, als bisher gedacht.

Magnetometer macht Maar "sichtbar"

Also haben sie danach gesucht. Was nämlich auch nach Jahrtausenden im Boden erhalten bleibt, ist der Kanal, durch den die Magma einst aufgestiegen ist.

"Sichtbar" wird er mit einem Magnetometer, erzählt Sabine Kummer: "Das Magnetometer misst Veränderungen in den magnetischen Eigenschaften des Untergrundes. Da sieht man dann den Unterschied zwischen dem umgebenden Gestein und diesem jungen, vulkanischen Gestein."

Bevor sie sich auf die Suche nach einem Maar machen kann, muss Sabine Kummer sich das Magnetometer umschnallen und korrekt verkabeln lassen.

Bevor sie sich auf die Suche nach einem Maar machen kann, muss Sabine Kummer sich das Magnetometer umschnallen und korrekt verkabeln lassen.

Das enthalte mehr eisenreiche Mineralien, die an der Stelle, an der es liegt, das Erdmagnetfeld verändern. Das Magnetometer erkennt diese Anomalien: "Man macht eigentlich das Unsichtbare sichtbar mit diesem Messgerät."

Kummer kann sich also das Gerät um Rücken und Bauch schnallen und dann einen Stab an verschiedenen Stellen der Wiese bei Steffeln auf den Boden stellen.

Wir haben das Maar gefunden. Ich steh schon drin. Sabine Kummer, Natur- und Geopark Vulkaneifel
Im weißen Teil am Ende des Stabes des Magnetometers befinden sich Protonen. Sie reagieren auf das Erdmagnetfeld, das durch eisenreich mineralisiertes Vulkangestein gestört wird.

Im weißen Teil am Ende des Stabes des Magnetometers befinden sich Protonen. Sie reagieren auf das Erdmagnetfeld, das durch eisenreich mineralisiertes Vulkangestein gestört wird.

Die Protonen am Ende des Stabs reagieren auf die magnetischen Bestandteile im Boden unter ihr. Höhere Werte zeigen das Maar an, während sie herumläuft: "Die Werte werden kontinuierlich höher. 48.000 haben wir jetzt schon. Jetzt wird es noch höher." Dann, plötzlich das gleiche Erfolgserlebnis wie beim ersten Mal: "Wir haben das Maar gefunden. Ich steh schon drin."

Ich habe nichts dagegen, es Sabine-Maar zu nennen. Prof. Dr. Georg Büchel, Angewandte Geologie Universität Jena
Je weiter sich Sabine Kummer in das Maar hineinbewegt, desto höher steigen die Werte, die das Magnetometer misst.

Je weiter sich Sabine Kummer in das Maar hineinbewegt, desto höher steigen die Werte, die das Magnetometer misst.

Die Geologen haben es "Oosbach-Maar" getauft. Es sei üblich, die Maare nach der Region zu benennen, sagt Georg Büchel: "Ich hab aber auch nichts dagegen, dass man es 'Sabine-Maar" nennt. Für Sabine war diese Entdeckung natürlich großartig."

Für ihn ist das die Essenz seiner Arbeit: "Wenn man im Gelände ist und die Geschichte, quasi den Krimi, einer Vulkangruppe entwickeln kann, ist das ein erhabenes Gefühl. Weil man das Ganze plötzlich erklären kann."

Fast 30 bisher unbekannte Maare entdeckt

Über drei Jahre hat das Forschungsteam so die Vulkaneifel neu kartiert, berichtet Büchel: "Ich persönlich bin etwa 200 Tage im Gelände kartierend unterwegs gewesen. Mit Hammer und querbeet. Wir nehmen ja normalerweise keine Wege." Die Erkenntnis des Forscherteams: Statt bisher 77 gibt es in der Vulkaneifel etwas mehr als 100 Maare.

Das neu entdeckte Maar wurde nach dem Oosbach benannt, der direkt hindurch fließt.

Das neu entdeckte Maar wurde nach dem Oosbach benannt, der direkt hindurch fließt.

Außerdem wurden auch neue Formen von Schlackenkegeln gefunden. Normalerweise gehe man davon aus, dass es nur Maarvulkane oder nur Schlackenvulkane gibt. Tatsächlich gibt es aber Mischformen, sagt Kummer: "Und gerade durch dieses Forschungsprojekt hat man hier ganz neue Strukturen gefunden und auch neue Interaktionen zwischen verschiedenen Vulkantypen."

So haben die Forschenden herausgefunden, dass manche Vulkane in der Eifel zuerst als Maar entstanden sind und darauf später doch noch mal ein Schlackenkegel ausgebrochen ist.

Drei Jahre waren die Forschenden querfeldein und mit Hammer in der Vulkaneifel unterwegs, um sie zu kartieren. Würde man das in anderen Vulkanregionen der Welt nachmachen, könnte man auch dort unbekannte Vulkane entdecken, sind sie sicher.

Drei Jahre waren die Forschenden querfeldein und mit Hammer in der Vulkaneifel unterwegs, um sie zu kartieren. Würde man das in anderen Vulkanregionen der Welt nachmachen, könnte man auch dort unbekannte Vulkane entdecken, sind sie sicher.

Würde man andere Vulkanregionen auf der Welt auch noch einmal mit der Kombination aus Laserscandaten und Magnetometer untersuchen, würde man - da sind sich die Wissenschaftler ziemlich sicher - auch dort weitere Maare und auch weitere Mischformen von Vulkanen finden.

Maare nützlich für Eifelgemeinden

Die neu entdeckten Maare haben aber auch einen praktischen Nutzen. Zum Beispiel für Steffeln, sagt Georg Büchel.

Denn in den Randbereichen der Maare gibt es bisher unbekannte Trinkwasserreservoirs: "Nehmen wir mal an: Es gibt einen terroristischen Anschlag, eine bakterielle Verunreinigung der Wassersysteme. Dann hätten Sie die Möglichkeit, in kurzer Zeit aus den Maaren sauberes Trinkwasser zu gewinnen."

Die Maare in der Vulkaneifel sind hier schematisch eingezeichnet. Links neben dem blau eingefärbten Steffelnkopf sieht man das von Sabine Kummer entdeckte Maar.

Die Maare in der Vulkaneifel sind hier schematisch eingezeichnet. Links neben dem blau eingefärbten Steffelnkopf sieht man das von Sabine Kummer entdeckte Maar.

Die Erkenntnisse aus drei Jahren Forschung sollen außerdem in einer neuen digitalen geologischen Karte der Vulkaneifel aufbereitet werden. Die dient nicht nur der Wissenschaft, sondern soll als Druckkarte auch Einheimischen und Touristen nutzen. Auch neue Infotafeln zu den Maaren könnten entstehen.

Geopark Vulkaneifel wird noch bedeutender

Für Sabine Kummer vom Natur- und Geopark ist aber die Bedeutung der neuen Forschungsergebnisse für die ohnehin schon wegen ihrer vielen Maare weltweit einzigartige Vulkaneifel noch wichtiger: "Wir sind eine unesco-anerkannte Region eben für diesen Formenschatz des Vulkanismus, für die spezifische Dichte an Maarvulkanen."

Vorstellung der neuen Vulkankarte
Das Ergebnis der Forschungen von Natur- und Geopark und der Universität Jena wird bei einem öffentlichen Abendvortrag am 22. Mai um 18 Uhr in der Junior-Uni Daun vorgestellt. Anlass sind auch drei Jubiläen in der Region Vulkaneifel: 25 Jahre Europäischer Geopark, 15 Jahre Naturpark und 10 Jahre Unesco Global Geopark. In einem weiteren Vortrag am 23. Mai um 18 Uhr geht es darum, wie die Sedimente der wassergefüllten Maare in der Vulkaneifel Aufschluss darüber geben, wie schnell sich das Klima bisher in der Erdgeschichte verändert hat. Beide Vorträge sind kostenlos, allerdings ist eine Anmeldung beim Natur- und Geopark erforderlich.

Dass sich die Zahl der Maare noch erhöht hat, sei auch international bedeutsam: "Da sind wir stolz drauf, da jetzt auch drüber berichten zu können, nachdem drei Jahre hier wirklich sehr, sehr viel gearbeitet wurde."

Die wissenschaftliche Arbeit wird so auch pünktlich zum 10-jährigen Jubiläum des Geoparks Vulkaneifel als Unesco Global Geopark veröffentlicht.

Sendung am Mi., 21.5.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz