NRW-Flucht- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne)

Nordrhein-Westfalen U-Ausschuss zum Solingen-Anschlag: SPD befürchtet Löschung von Chats

Stand: 26.05.2025 14:21 Uhr

Die SPD erhebt schwere Vorwürfe gegen Fluchtministerin Paul. Sie habe Nachrichten mit ihrem Staatssekretär bisher nicht vorgelegt.

Von Peter Hild

Die SPD im NRW-Landtag wirft NRW-Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) vor, dem Untersuchungsausschuss (PUA) zum Terroranschlag von Solingen bislang Chatnachrichten zwischen ihr und ihrem Staatssekretär Lorenz Bahr vorenthalten zu haben.

Auch von Innenminister Herbert Reul (CDU) verlangen die Sozialdemokraten, Akten und Vermerke aus einer Landtags-Fragestunde zur Aufarbeitung des Anschlags unverzüglich nachzureichen.

Verwunderung über fehlende Beweismittel

Landtagsabgeordnete Lisa Kapteinat (SPD)

SPD-Frau Lisa-Kristin Kapteinat

In einem Brief an den Ausschussvorsitzenden Thomas Kutschaty (SPD) äußert die SPD-Obfrau Lisa Kapteinat "ihre Verwunderung", dass keine Beweismittel zur dienstlichen Kommunikation über Messengerdienste zwischen Ministerin Paul, ihrem persönlichen Referenten und ihrem Staatssekretär vorlägen. Dies hatte Paul zuvor in einem Begleitschreiben mitgeteilt, jedoch ohne Begründung.

"Vielmehr entsteht der Eindruck, als sei die Ministerin nicht bereit, die Sachverhaltsaufklärung durch den Untersuchungsausschuss zu unterstützen", kritisiert Kapteinat. Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament könne aber nur funktionieren, wenn ihm alle relevanten Informationen vorgelegt würden.

Die Beweisbeschlüsse des PUA lassen laut Kapteinat keinen Interpretationsspielraum hinsichtlich der Pflicht von Pauls Ministerium, die Inhalte der schriftlichen Telekommunikation vorzulegen. Über die Briefe hatte die "Rheinische Post" zuerst berichtet.

SPD-Verdacht: Wurden Chatnachrichten gelöscht?

Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass die Ministeriumsspitze über mehrere Monate nicht untereinander schriftlich kommuniziert haben soll, betont Kapteinat. Warum es daher keine Chatverläufe geben soll, sei "bemerkenswert und mehr als erklärungsbedürftig".

Nach Messerattacke auf Solinger Stadtfest am 23.08.2024 - Josefine Paul in einem Gespräch mit Journalisten im Ministerium

Ministerin Paul steht wegen fehlender Akten in der Kritik

"Hier steht der schwerwiegende Verdacht im Raum, die Beweismittel gelöscht zu haben", konkretisiert die SPD-Vertreterin. Das sei womöglich strafbar, sollte die Löschung nach dem beschlossenen Moratorium des PUA erfolgt sein. Die SPD regt eine datenforensische Wiederherstellung an, sollten Beweismittel versehentlich gelöscht worden sein. Sollte aber tatsächlich nicht kommuniziert worden sein, "stünde der gravierende Verdacht schwerer Versäumnisse im Verantwortungsbereich des Ministeriums im Raum".

Auch Reul soll Akten nachliefern

Auch von Innenminister Reul fordern die Sozialdemokraten die Nachlieferung weiterer Akten. Dabei geht es vor allem um Zettel, Vermerke und handschriftlich geänderte Unterlagen, die Reul während einer Fragestunde im Landtag Mitte September 2024 von seiner Staatssekretärin Daniela Lesmeister und weiteren Mitarbeitern des Ministeriums gereicht bekommen hatte. Das belegt auch die Videoaufzeichnung des Landtags.

"Wir können nicht nachvollziehen, warum diese Aktenlieferung, die einen geringeren Umfang haben dürfte, bislang ausgeblieben ist", schreibt Kapteinat in einem Brief an Reuls Ministerium. Der Vorlageanspruch beziehe sich auf alle Akten, die mit dem Untersuchungsgegenstand in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob bereits klar sei, dass es sich um relevantes Material und entsprechende Beweismittel handelt.

Chatnachrichten zeigen chaotische Kommunikation

Sondersitzung Ausschüsse für Inneres und Integration im Landtag

Chaotische Kommunikation zwischen beiden Ministerien

Vor kurzem zeigten Chatprotokolle zwischen Innen-Staatssekretärin Lesmeister und Pauls Staatssekretär Bahr, dass die Kommunikation zwischen beiden Ministerien nach dem Solinger Anschlag offensichtlich ziemlich chaotisch ablief. Unter anderem hatte Bahr beklagt, keine näheren Infos zu dem Vorfall aus dem Innenministerium erhalten zu haben und sich über die Informationsfülle in der Presse gewundert.

Der Untersuchungsausschuss zu Solingen soll den Messeranschlag beim Solinger Stadtfest vom 23. August vergangenen Jahres aufarbeiten, insbesondere die Verantwortung und das Vorgehen der Landesregierung, ihrer Sicherheitsbehörden und der übrigen betroffenen Behörden. Bei dem Anschlag waren drei Menschen getötet und acht weitere teils lebensgefährlich verletzt worden. Am morgigen Dienstag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter Issa al H., einen ausreisepflichtigen Syrer.

Vorwurf: Landesregierung hält Transparenzversprechen nicht

Vor dem Hintergrund des Prozessauftakts kritisierte Kapteinat den bisherigen Umgang der Landesregierung mit dem Vorfall: "Ministerpräsident Wüst hat vor dem Parlament einst ,maximale Transparenz' versprochen. Neun Monate nach diesem Versprechen ist davon leider nicht mehr viel zu merken. Beweismittel werden zurückgehalten, Anträge auf Zeugenvernehmungen blockiert."

Das NRW-Fluchtministerium reagierte auf die SPD-Vorwürfe zurückhaltend: "Wir bitten um Verständnis, dass das Ministerium hier nicht zu einzelnen Aktenlieferungen oder Beweisbeschlüssen Stellung nimmt", teilte eine Sprecherin mit. Selbstverständlich würden alle Akten gemäß der Beweisbeschlüsse dem PUA zur Verfügung gestellt.