
Niedersachsen Prozessauftakt im Fall German Property Group
Dem ehemaligen Geschäftsführer der Firma wird Betrug in über 20 Fällen vorgeworfen. Er soll Anleger um 56 Millionen Euro betrogen haben. Doch zum Prozessauftakt in Hildesheim bleiben viele Fragen offen: Der Verbleib von rund 800 Millionen Euro ist nach NDR-Recherchen bis heute ungeklärt.
Es ist mutmaßlich einer der größten Anlegerskandale Deutschlands: Der Fall German Property Group. Von Langenhagen bei Hannover aus lenkte Ex-Geschäftsführer Charles Smethurst über viele Jahre das Investment-Unternehmen Dolphin Trust, das 2019 in German Property Group (GPG) umbenannt wurde.
Von Dienstag an steht Smethurst nun vor dem Landgericht Hildesheim - er ist wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 27 Fällen angeklagt, insgesamt soll ein Schaden von 56 Millionen Euro entstanden sein. Das Gericht wirft dem Angeklagten vor, in mehreren Fällen einen "Vermögensverlust großen Ausmaßes" herbeigeführt zu haben.
Im Verfahren wird es auch um die Frage gehen, warum der ehemalige Geschäftsführer weiterhin Gelder bei Anlegern einsammelte und Darlehen aufnahm, obwohl er gewusst haben soll, dass die Firma schon länger insolvenzreif gewesen sein soll. Smethurst wollte sich zu den Vorwürfen auf Anfrage nicht äußern.
Die Anleger der German Property Group hoffen, dass es in diesem Verfahren auch um die Frage gehen wird, wohin ein Großteil der Gelder geflossen ist, die von Smethurst und weiteren Mitarbeitern der Firma eingesammelt wurden.
Rund 800 Millionen verschwunden
Der für die GPG zuständige Insolvenzverwalter, Justus von Buchwaldt, versucht seit Jahren, die Geldflüsse der Firma nachzuvollziehen. Dies sei aber ein sehr komplexes Verfahren, auch weil viele Geldströme nicht nur in Deutschland, sondern international stattgefunden hätten.

Insolvenzverwalter von Buchwaldt hat Schwierigkeiten die Immobilie der GPG zu veräußern.
Insgesamt konnten 1,3 Milliarden Euro an Zahlungseingängen nachvollzogen werden. "Die sind natürlich auch wieder abgeflossen", sagt von Buchwaldt, deswegen habe sich die Frage gestellt, "wer hat das Geld bekommen?" Von den 1,3 Milliarden konnte Buchwaldts Team rund 360 Millionen Euro Zahlungsempfängern zuordnen. Doch der Verbleib von etwa 800 Millionen Euro "ist entweder nicht identifizierbar oder verdächtig", sagt der Insolvenzverwalter.
Fast 8.000 Gläubiger haben bei von Buchwaldt Forderungen angemeldet. Insgesamt gehe er davon aus, dass die Gelder bei 15.000 bis 25.000 Anlegern eingeworben wurden.
Ein mutmaßlich weltweites Betrugssystem
Der NDR hat vor fünf Jahren, gemeinsam mit BR, "Süddeutscher Zeitung" (SZ) und der britischen BBC, maßgeblich dazu beigetragen, den mutmaßlichen millionenschweren Betrug aufzudecken. Bereits im Jahr 2008 begann Charles Smethurst über seine damalige Firma Dolphin Capital, später Dolphin Trust, bei ausländischen Anlegern Geld einzusammeln, um damit denkmalgeschützte Immobilien in Deutschland zu sanieren - und anschließend teuer zu verkaufen.
Die Anleger stammten unter anderem aus Asien und Großbritannien. Ihnen wurde bei diesem Investment Renditen in Höhe von bis zu 15 Prozent jährlich versprochen. Die Recherchen von NDR, BR, BBC und SZ zeigten, dass Smethurst und Dolphin, später German Property Group, zwar überall in Deutschland denkmalgeschützte Immobilien erwarben. Doch statt sie zu entwickeln und zu verkaufen, ließen sie die meisten Liegenschaften offenbar verrotten.
Von über mehr als 150 einzelnen Unternehmen wurden Immobilien erworben, so zum Beispiel das Schloss Dwasieden auf Rügen oder die ehemalige Klinik Ost in Flensburg. Rund 75 Immobilien in ganz Deutschland wurden Teil dieses Geschäfts. Mutmaßlich um den Anlegern Sicherheit zu suggerieren, wurden hohe Grundschulden auf die teilweise baufälligen Gebäude ins Grundbuch eingetragen. Allerdings überstiegen die Eintragungen ins Grundbuch den Wert der jeweiligen Liegenschaften in vielen Fällen bei weitem.
Deutsche Behörden sahen über Unregelmäßigkeiten hinweg
Mark Hambling, ein Anleger aus England, hat Smethurst und seinen Versprechen geglaubt. Mehrere hunderttausend Pfund investierte er, das Geld war seine Altersvorsorge. "Ich komme selbst aus dem Bereich Immobilienentwicklung, kenne mich also aus und dachte mir, das ist ein sicheres Investment, weil das Geld ja auch auf ein Treuhandkonto eingezahlt wurde", sagt Hambling. Am Anfang erhielt er noch pünktlich die Rendite-Zahlungen, doch als diese 2019 einfach stoppten, "da haben dann die Alarmglocken geläutet."

Mark Hambling, geprellter Anleger, würde heute lieber in Nicaragua investieren als in Deutschland. Er wirft deutschen Behörden eine Mitschuld vor.
2020 meldete die GPG Insolvenz an. Nun kamen viele weitere Details des Skandals ans Licht. NDR, BR, BBC und SZ konnten interne Firmenunterlagen einsehen. Es wurde klar, dass deutsche Behörden über Jahre zugesehen hatten, wie für mehr als 150 Unternehmen kaum Jahresabschlüsse erstellt wurden. Am Ende fehlten rund 700 Jahresabschlüsse. Doch außer Ordnungsgelder zu verhängen, passierte offenbar wenig. Für Hambling ist das Verhalten der Behörden nicht nachvollziehbar - seiner Meinung nach hätten die deutschen Behörden die Geschäfte viel früher stoppen müssen.
Nur kleiner Teil des Skandals wird im Prozess verhandelt
Ähnlich sehen es die rund 100 Anleger aus Asien und Osteuropa, die der Hamburger Anwalt Jan Erik Spangenberg vertritt. Seine Mandanten sind über die bisherige Aufarbeitung enttäuscht und verärgert. "Es gibt ja viele Hundert Projektgesellschaften, die gegründet und speziell verwendet wurden, um dieses Betrugsschema insgesamt umzusetzen. Die Anklage beschränkt sich jetzt auf einige wenige Projektgesellschaften." Die Gesellschaften, über die seine Mandanten "ihre Gelder angelegt und letztlich verloren haben, sind nicht Bestandteil der Anklage und damit auch nicht Bestandteil des Strafverfahrens. Damit bleibt auch für unsere Mandaten unklar, wo diese Gelder geblieben sind und wer am Ende dafür haftet."

Anwalt Jan Erik Spangenberg sieht auch Verstöße durch Gutachter und Notare, die nicht ausreichend geprüft hätten.
Für Insolvenzverwalter von Buchwaldt bleiben viele Fragen offen. So ist es ihm in vielen Fällen nicht möglich, die Zahlungsströme bis ans Ende zu verfolgen. Auch von den 75 Immobilien konnten aufgrund der komplizierten Verflechtungen und Belastungen mit Grundschulden erst etwa 20 verkauft werden. Von Buchwaldt fragt sich, ob es Mitwisser oder sogar Mittäter gegeben hat: "Es ist zumindest mal auffällig, dass man nur die Spitze des Eisberges im Grunde bearbeitet hat und es bleibt zu hoffen, dass vielleicht noch etwas nachgearbeitet wird."
Bereits 2021 war im Zuge der Recherchen öffentlich geworden, dass ein Teil der Anlegergelder über die Cayman Islands geflossen sein soll. Geld der Investoren ist mutmaßlich auch im TV-Shoppingkanal von Smethursts Ehefrau verschwunden. Sie bestreitet jeden Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Betrug und gibt an, keine Kenntnis vom Geschäftsgebaren ihres Mannes gehabt zu haben.
Anleger warten bis heute auf ihr Geld
Unterdessen wartet Anleger Hambling bis heute auf sein Geld. Und er ist nicht allein: "Es gibt Menschen, die haben alles verloren", sagt er. "Die jetzt in Armut sterben, die nur mit ihrer staatlichen Rente auskommen müssen und nicht mit der Altersvorsorge leben können, die sie sich ihr ganzes Leben erarbeitet haben. Charles Smethurst hat ihnen das genommen."
Smethurst hat sich gegenüber der Staatsanwaltschaft geständig gezeigt, dennoch ist weiterhin Vieles unklar. Denn die Anklage umfasst offenbar nur einen kleinen Teil des mutmaßlichen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft Hannover wollte sich gegenüber Panorama 3 nicht äußern. Der Prozess gegen Smethurst ist bis August angesetzt.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Panorama 3 | 27.05.2025 | 21:15 Uhr