
Niedersachsen Oldenburger Fliegerhorst: Details zum Schadstoffgutachten bekannt
Das Gutachten zum Giftmüllskandal auf dem Gelände des ehemaligen Oldenburger Fliegerhorstes liegt der Stadt vor. Es stellt massive Überschreitungen der Grenzwerte fest.
Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) schließt trotzdem eine akute Gefahr aus. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat am Mittwoch auf Anfrage des NDR Niedersachsen mitgeteilt, dass der Stadt Oldenburg das Schadstoffgutachten übermittelt wurde. In allen bis auf einer Probe würden die gesetzlichen Grenzwerte erheblich überschritten. Bei giftigen Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) seien in drei Einzelproben bis zu 2.400 Milligramm (mg) Trockenmasse pro Kilogramm (kg) festgestellt worden. In zwei weiteren 1.200 mg beziehungsweise 1.100 mg. Der Grenzwert liegt in Niedersachsen bei 25 mg/kg. Das entspricht im Spitzenwert fast der hundertfachen Überschreitung.
Auch Asbest wurde nachgewiesen
An sechs Stellen auf dem Areal hatte die Staatsanwaltschaft Ende Februar sogenannte Baggerschürfe veranlasst. Außer der Verseuchung mit PAK wurde in drei Schürfen auch Asbest nachgewiesen. Dabei handelt es sich nach NDR Informationen zum Teil um Bruchstücke von Wellzement, der als "krebserzeugender Gefahrstoff der Kategorie 1A" nur auf zugelassenen Deponien entsorgt werden darf. Die gefundenen Materialien seien geeignet, Boden und Wasser nachhaltig zu verunreinigen. Die Staatsanwaltschaft geht nach wie vor davon aus, dass flächendeckend illegal Abbruchmaterial auf der ehemaligen Schießbahn vergraben wurde. Nach Angaben eines Umweltrechtlers darf es dort nicht liegen bleiben. Das sieht auch die Staatsanwaltschaft so.
Unabhängiger Sachverständiger soll eingesetzt werden
"Weiterhin wird eine akute Gefahr für Mensch und Umwelt ausgeschlossen", sagte OB Krogmann am Mittwoch einer Mitteilung der Stadt zufolge. Es sei keine neue Gefahrenlage erkennbar. "Das Gutachten liefert keine neuen Erkenntnisse, es wirft eher viele weitere Fragen auf." Krogmann kündigte an, noch in dieser Woche einen unabhängigen Sachverständigen für Boden- und Grundwasser mit der Bewertung des bisher aus strafrechtlichen Gesichtspunkten angefertigten Gutachtens zu beauftragen.
"Herr Oberbürgermeister, Sie machen keine gute Figur"
Am Montag war Krogmann im Stadtrat für seinen Umgang mit dem Giftmüllskandal auf dem früheren Fliegerhorst-Gelände kritisiert worden. "Herr Oberbürgermeister, Sie machen keine gute Figur", bemerkte ein Stadtrat vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gleich zu Beginn der Debatte. Und die Mehrheit im Oldenburger Ratssaal dachte offenbar ähnlich. Krogmanns Glaubwürdigkeit hat gelitten. Deshalb wurde ein gemeinsamer Antrag aller im Rat vertretenen Fraktionen, mit Ausnahme eines AfD-Ratsherren, einstimmig angenommen. Darin wird eine umfassende Aufklärung des Giftmüllskandals auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorstes gefordert. Die Ratsmitglieder sollen zudem das Schadstoffgutachten der Staatsanwaltschaft Oldenburg ausgehändigt bekommen.
Untersuchung der Staatsanwaltschaft: Asbest und PAK im Boden
Krogmann musste sich zuvor bereits massive Kritik anhören. Es geht um illegal abgelagerten, hochgradig kontaminierten Bauschutt auf der einstigen Schießbahn des Militärgeländes, das zu einem Neubaugebiet wird, und um Korruption. Trotz eines internen Hinweises vom November 2023 und der Aussage eines Baggerfahrers, dass dort tonnenweise giftiges Abbruchmaterial vergraben wurde, hatte Krogmann die Fläche nicht untersuchen lassen. Ende Februar 2025 rückte die Staatsanwaltschaft Oldenburg mit einem Durchsuchungsbefehl und einem Bagger an und nahm Proben. Das Ergebnis war verheerend: Das 8.000 Quadratmeter große Gelände sei "flächendeckend" mit asbest- und PAK-verseuchtem Abbruchmaterial verfüllt. Eine illegale Giftmülldeponie.
Stadt Oldenburg beschwichtigt: Keine Auffälligkeiten im Grundwasser
Die Stadt versuchte damals zu beschwichtigen und präsentierte einen Tag nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft eine Grundwasseruntersuchung, die keine Auffälligkeiten zeigen soll. Allerdings musste die zuständige Dezernentin auf der Ratssitzung einräumen, dass das Wasser gar nicht auf Asbest untersucht wurde, "weil das nicht üblich sei".
Anwohner wollen Aufklärung: "Wir alle atmen diesen Staub ein"
Inzwischen haben sich auch besorgte Anwohnerinnen und Anwohner an Oberbürgermeister Krogmann gewandt. Sie fragen sich, wie verlässlich die Aussagen der Stadtverwaltung sind. Krogmann habe noch im Herbst vergangenen Jahres erklärt, es gebe keine Hinweise auf eine illegale Entsorgung. Auch bemängeln sie, dass keine Untersuchungen vonseiten der Stadt erfolgt sind. "Es wehen oft Staubwolken über das Areal - wir alle atmen diesen Staub ein", heißt es in dem Brief. Sie fordern deshalb ebenfalls eine lückenlose Aufklärung und "ehrliche Antworten". Insbesondere wegen ihrer Kinder, die auf dem Gelände spielen.
Stadtrat fordert einstimmig Antikorruptionsstrategie
Da viel Vertrauen in die korrekte Arbeitsweise der Verwaltung verloren gegangen sei, forderte der Rat am Montag einstimmig, bis September 2025 eine Antikorruptionsstrategie vorzulegen, "die auch den rechtskonformen Schutz von Hinweisgebern umfasst". Im Fall des Giftmüllskandals war die Hinweisgeberin erst strafversetzt und dann gekündigt worden. Sie hatte auf Unregelmäßigkeiten in den Rechnungen der beteiligten Unternehmen hingewiesen und auf die mutmaßliche Bestechung eines Mitarbeiters im städtischen Fliegerhorstteam. Inzwischen ermittelt die auf Korruption spezialisierte Staatsanwaltschaft Osnabrück. Oberbürgermeister Krogmann versprach Transparenz, die Kündigung sei allerdings aus anderen Gründen erfolgt.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Regional Oldenburg | 27.05.2025 | 06:30 Uhr