Gut getarnt: Nahaufnahme einer Graugans im Raakmoor in Hamburg.

Niedersachsen Graugans-Alarm am Dümmer See: Schonzeit aufgehoben

Stand: 21.05.2025 06:45 Uhr

Die Graugans-Population am Dümmer See wächst. Um den Schilfbestand zu schützen, wird nun auch im Vogelschutzgebiet während der Schonzeit gejagt - eine Maßnahme, die für Diskussionen sorgt.

Von Daniel Sprehe

Im Vogelschutzgebiet am Dümmer See haben sich Graugänse stark vermehrt. Laut dem Landschaftsökologen Marcel Holy leben hier inzwischen mehr als 7.000 Tiere. Diese Zahl soll durch Bejagung auf unter 1.000 Tiere sinken. Der Grund für diesen Eingriff in die Natur: Die vielen Graugänse zerstören offenbar genau die Schilfbestände, die für viele Fisch- und Vogelarten, wie etwa die Rohrdommel und den Drosselrohrsänger, als Lebensraum dienen. Sollte die Reduktion nicht gelingen, sei die Artenvielfalt der Verlierer, so Holy.

Graugänse zerstören Lebensraum anderer Vögel

Aktuell können nur Zäune das Schilf vor den Gänsen schützen. In die eng eingezäunten Bereiche, so die Erfahrung, fliegen die Gänse nicht hinein. Marcel Holy zeigt auf einen nicht eingezäunten Bereich: "Das war vor fünf Jahren noch Schilf. Jetzt ist es komplett weg", beschreibt er die Situation. "Und daneben der Bereich, wo jetzt noch die restlichen gelben Halme stehen, wo aber in diesem Jahr nichts gewachsen ist. Diesem Schilf droht das gleiche Schicksal: In ein, zwei Jahren ist das auch weg."

Maßnahmen zur Bestandskontrolle am Dümmer See

Bereits seit einigen Jahren werden außerhalb des Schutzgebiets Graugänse bejagt und Eier angebohrt, um den Nachwuchs zu reduzieren. Mit mäßigem Erfolg, denn immer noch schlüpfen jedes Jahr laut Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mehr als 1.000 Küken. Die Graugänseschar am Dümmer wird also immer größer.

Landwirtschaft leidet: Gänse fressen ganze Felder leer

Das merken auch die Landwirte auf ihren umliegenden Ackerflächen. Landwirtin Nina Keßmann steht auf einem Feld mit Sommergerste, unweit des Vogelschutzgebietes. Doch statt grün ist der Acker staubig und so gut wie leer. Es lassen sich Fraßspuren an den Pflanzen erkennen. Offenbar ist das ganze Feld von den Gänsen komplett abgefressen. "Wir werden jetzt hier noch einmal neu einsäen müssen und hoffen, dass die Gänse den Mais dann in Ruhe lassen", sagt Keßmann, "Entschädigung bekommen wir dafür keine."

Jagd in der Schonzeit genehmigt

Auf Antrag des NLWKN hat der Landkreis Diepholz die Schonzeit für Graugänse aufgehoben. Nun darf auch im Vogelschutzgebiet gejagt werden. "Es konnten im Durchschnitt im Jahr nur Gänse im dreistelligen Bereich entnommen werden. Es sind aber im vierstelligen Bereich immer neue dazugekommen", so ein Sprecher des NLWKN. Deshalb reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus, um die Population dauerhaft zu kontrollieren.

Kritik des NABU: Brütende Tiere sollten nicht gejagt werden

Der NABU-Vorstand und Jäger Frank Prissok kritisiert die Maßnahme scharf: "Brütende oder legende Tiere zu schießen, ist ethisch betrachtet ein großes Problem." Auch andere Naturschutzverbände äußern Bedenken und fordern alternative Lösungen.

Artenvielfalt soll durch Jagd geschützt werden

Marcel Holy betont, dass die Jagd notwendig sei, um die Artenvielfalt zu erhalten. Elterntiere mit Nachwuchs sollen nicht erlegt werden. Außerdem werde darauf geachtet, nur mit Schalldämpfer und kleinkalibrigen Büchsen zu jagen, um keine Unruhe im Gebiet zu erzeugen. Des Weiteren dürfen nur Berufsjäger im Vogelschutzgebiet jagen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 20.05.2025 | 19:30 Uhr