
Mecklenburg-Vorpommern DDR-Zwangsaussiedlung: 7.500 Euro für Betroffene
In Westmecklenburg sind ab den 1950er Jahren etwa 3.500 Menschen zwangsweise aus dem innerdeutschen Grenzgebiet ausgesiedelt worden. Betroffene können nun eine Einmalzahlung von 7.500 Euro beantragen.
Menschen, die zu DDR-Zeiten von Zwangsaussiedlungen an der damaligen innerdeutschen Grenze betroffen waren, können ab Juli eine Entschädigung in Höhe von 7.500 Euro erhalten. Mit den Zwangsaussiedlungen habe das SED-Regime tausenden Menschen schweres Unrecht zugefügt, sagte Burkhard Bley, Landesbeauftragte Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die neue Leistung könne das Unrecht nicht ungeschehen machen. Sie sei aber ein deutliches Zeichen, "dass die Betroffenen mit ihrem Schicksal von der Gesellschaft anerkannt werden". Die Einmalzahlung könne ab sofort beim Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern beantragt werden.
Zwangsaussiedlung: Bundesweit mehr als 12.000 Betroffene
Mehr als 12.000 Menschen waren in der DDR von der Aussiedlungsaktion betroffen. In der neuen Zwangsheimat wurde den Menschen oft mit Misstrauen begegnet, denn von Anfang an hat die SED-Diktatur die Betroffenen als Kriminelle verleumdet und begegnete ihnen mit Verachtung. Das zeigte auch der Tarnname der Zwangsaussiedlungsaktion. Der lautete schlicht: Ungeziefer.
Noch 300 Betroffene in Westmecklenburg
In Westmecklenburg sind laut Burkhard Bley ab den 1950er Jahren etwa 3.500 Menschen zwangsweise aus dem Grenzgebiet ausgesiedelt worden. Er schätze, dass davon heute maximal noch 300 Betroffene leben, die diese Entschädigung erhalten können. Dazu gehört auch Marie-Luise Busse. Vor 73 Jahren verliert sie als Kind ihr Zuhause. Ihr Heimatdorf Vockfey an der Elbe liegt direkt in der Sperrzone zwischen der DDR und der Bundesrepublik.
Betroffene: "Kindheit war zu Ende"
Die Einwohner müssen ihre Häuser innerhalb von nur zwei Tag verlassen. Sie werden auf die DDR verteilt und in Zügen weggebracht. Vor drei Jahren erzählt Marie-Luise Busse dem NDR, wie sie diesen Tag als Zwölfjährige erlebt hat: "Wie ich denn nach Hause kam, auf den Hof, da stand meine Schwester in der Haustür, und weinte bitterlich. Meine Mutter, die war inzwischen schon mit dem Fahrrad hier im Dorf umhergereist, weil sie gehört hatte, dass hier einige ausgewiesen werden. Sie wollte nun bei Bekannten wissen, ob die wegmüssen oder nicht." Ihre Kindheit sei mit der Zwangsaussiedlung zu Ende gewesen.
Häuser wurden zerstört
Das Dorf Vockfey selbst gibt es schon lange nicht mehr. In den 1970er Jahren werden die leerstehenden Häuser gesprengt oder abgerissen, die Trümmer in der Elbe versenkt. Den Verlust spüren viele Betroffene bis heute. "So ein Haus, das habe ich nie wieder bekommen. Ich träume heute noch manchmal davon", schilderte Marie-Luise Busse.
Landesbeauftragter wünscht sich mehr Anerkennung
Deswegen könne die Zahlung keine Wiedergutmachung sein, aber eine Anerkennung, sagte Burkhard Bley. Seine Behörde helfe den Betroffenen auf Wunsch bei der Antragstellung. Der Landesbeauftragte bedauert, dass es für DDR-Sportgeschädigte und Betroffene von Zwangsdoping bislang noch keine Entschädigungslösung gebe. Solch eine Entschädigung sei dringend geboten. Berücksichtigt werden müsse bei der Beweisführung, dass das Doping konspirativ abgelaufen sei. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht laut Bley, dass Zwangsdoping in die Rehabilitierungsgesetze aufgenommen werden soll.
Beratungsbedarf ungebrochen
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Landesbeauftragten 657 Menschen (2023: 689 Menschen) von seiner Behörde betreut. Hauptsächlich habe es sich dabei um ehemalige Haftopfer, ehemalige Heimkinder sowie um beruflich Verfolgte gehandelt, sagte der Landesbeauftragte. Der Beratungsbedarf bei der einzigen professionellen Beratungsstelle in Mecklenburg-Vorpommern zu Rehabilitierungsfragen sei ungebrochen und wegen der verbesserten Regelungen sei mit einer steigenden Nachfrage zu rechnen. Der frühere Bundestag hatte Ende Januar mehrere verbesserte rehabilitierungsrechtliche Regelungen beschlossen.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 20.05.2025 | 19:30 Uhr