
Mecklenburg-Vorpommern Arm und abgehängt: Darum hat MV ein Problem mit Armut auf dem Land
Viele Menschen im Norden leben derzeit unter der Armutsgrenze - jeder Sechste ist es beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern. Besonders schwierig kann die Situation für Betroffene sein, die auf dem Land leben. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Ob weite Wege, weniger Jobs oder fehlende Beratungsangebote: Wer arm ist und auf dem Land lebt, steht vor anderen Herausforderungen als Betroffene in der Stadt. Aktuell gilt jeder Sechste in Mecklenburg-Vorpommern als arm. Das geht aus dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hervor. Die Armutsquote liegt bei 17,2 Prozent und ist damit höher als im Bundesdurchschnitt. Besonders gefährdet sind unter anderem Alleinerziehende, Jugendliche oder Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss. Eine Auswertung nach Stadt oder Land gibt es nicht. Genau die wird aber von Wissenschaftlern und Sozialverbänden gefordert. Denn laut diesen kann die Situation für Betroffene auf dem Land schwieriger sein. In Mecklenburg-Vorpommern lebt fast die Hälfte der etwa 1,6 Millionen Einwohner in ländlichen Regionen.
Fehlende Daten sind ein Problem
André Knabe ist Soziologe und Gründer des Rostocker Instituts für Sozialforschung und gesellschaftliche Praxis. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit sozialer Ungleichheit und Armut im städtischen und ländlichen Raum. Auch er fordert eine bessere Datenlage - vor allem kleinräumige Daten unter Landkreisebene. Denn ohne diese sei es kaum möglich, Maßnahmen zu schaffen, die die Betroffenen tatsächlich erreichen. Auch die Sozialverbände sehen in den fehlenden Daten ein zentrales Problem: "Man muss wissen, wo Menschen überhaupt leben, die von Armut betroffen sind", so Dieter Eichler, Geschäftsführer vom Paritätischen MV. Armut im ländlichen Raum sei so problematisch, weil sie dort meistens versteckt ist.
Diese Herausforderungen gibt es auf dem Land
Laut dem Rostocker Forscher André Knabe kann nicht pauschal gesagt werden, dass Armut auf dem Land immer schwieriger ist als Armut in der Stadt. Es gäbe aber Faktoren, die dafür sprechen. Ein großes Problem sei die Mobilität: So würden in vielen ländlichen Regionen von Mecklenburg-Vorpommern kaum bis wenige Busse oder Bahnen fahren. Die Wege zur Arbeit, zu Ärzten oder Beratungsangeboten seien oft weiter. Wer sich kein Auto leisten kann, habe weniger Chance diese zu erreichen und werde im Zweifel isoliert. Ein weiteres Problem ist die Angst vor Stigmatisierung im Dorf, so Knabe. So würden sich Betroffene auf dem Land eher zurückziehen. Ohne Kontakte und Hilfsangebote sei es für sie schwieriger aus der Armut herauszukommen.
Armut ist was Schmuddeliges. Damit möchte man am besten nichts zu tun haben. Man möchte auch niemanden als arm bezeichnen, weil das ist ja despektierlich."
— André Knabe, Soziologe aus Rostock
Wie kann die Situation verbessert werden?
Um die Situation zu verbessern, müssten Wege gefunden werden, dass die Menschen, die einen Beratungsbedarf haben, diesen auch bekommen, so Dieter Eichler, Geschäftsführer vom Paritätischen MV. Das könnte über digitale und telefonische Angebote erfolgen. Aber es müsste auch mehr mobile Angebote geben - beispielsweise Sozialarbeiter, die auch in abgelegene Regionen fahren. Doch dafür fehle es an Geld und auch an Strukturen, die das ermöglichen würden. Betroffene seien derzeit oft auf sich allein gestellt. Sowohl Wissenschaft als auch Sozialverbände sehen auch die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung: Das Leiden durch Armut werde aktuell vor allem dadurch verstärkt, dass Betroffene verurteilt werden.
Was das Land tut - und was offen bleibt
Das Sozialministerium in Mecklenburg-Vorpommern antwortet auf NDR Anfrage, dass es Armut als Problem sieht und verweist auf einen Maßnahmenbericht aus dem vergangenen Jahr. Doch aus Sicht von André Knabe, dem Rostocker Forscher, reicht dieser nicht aus, um Armut systematisch zu bekämpfen. Es fehle vor allem an einem langfristigen Monitoring - das auch zeigt, wie wirksam die Maßnahmen sind.
Was Betroffene und die Gemeinden selbst zu dem Problem sagen, darum geht es in der aktuellen Folge des NDR Podcasts "MV im Fokus - Darüber spricht Mecklenburg-Vorpommern".
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 30.05.2025 | 06:00 Uhr