
Staatsanwaltschaft Schwerin Kein Ermittlungsverfahren gegen Klimaschutzstiftung MV
Die umstrittene Klimaschutzstiftung MV mit ihrer ehemaligen Nähe zu Russland wird vorerst kein Fall für die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Schwerin sieht nach einer Anzeige des ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Beck keinen Anlass für Ermittlungen.
Politisch ist sie höchst umstritten, juristisch scheint die Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern noch nicht einmal Peanuts zu sein: Die Chefin der Staatsanwaltschaft Schwerin, die Leitende Oberstaatsanwältin Claudia Lange, kommt auf elf Seiten zu dem Ergebnis, dass die Sonder-Erscheinung aus Mecklenburg-Vorpommern, die viele seit ihrer Gründung im Januar 2021 wahlweise "Fake-Stiftung" oder "Tarnstiftung" nennen, strafrechtlich nicht relevant ist. Das hat Lange jetzt Volker Beck, dem ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten, in Zusammenhang mit einer "Einstellungsverfügung" (Az 111 AR 68/22) geschrieben.
Anzeige im April 2022
Beck hatte vor drei Jahren Anzeige erstattet. Kurz nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine meinte er, es müsse auch geprüft werden, ob mit der Stiftung eine Tätigkeit für eine ausländische Macht gegen die Interessen Deutschlands vorliege. Damals sorgte eine verbrannte Steuerakte der Stiftung zusätzlich für Sprengstoff. Die Klimaschutzstiftung wurde finanziert mit Geld des russischen Staatskonzerns Gazprom. Eine Stiftungsfirma half, die russische Pipeline Nord Stream 2 trotz US-Sanktionen zu Ende zu bauen. Für Kritiker gilt diese Firma, die ebenso wie die engen Verbindungen nach Russland abgewickelt ist, als der eigentliche Hauptzweck der Stiftung. Die mit Stiftungsgeld finanzierten Klima-Projekte wie "Buddeln für Bäume" schienen ihnen nur vorgeschoben.
Staatsanwaltschaft zitiert Stiftungssatzung
Die Staatsanwaltschaft Schwerin kommt jetzt - gut drei Jahre nach der Anzeige - zu eindeutigen Ergebnissen. Es gebe keine Hinweise auf Geldwäsche, Korruption oder Untreue. Auch Anhaltspunkte für Betrug würden nicht vorliegen, heißt es in einem elfseitigen Schreiben, das auf die Genese der Stiftung und die Begleitung durch den Landtag verweist. Das Schreiben gibt auf mehreren Seiten Parlamentsbeschlüsse wieder und zitiert die Stiftungssatzung.
Ermittler übernehmen Argumentation der Regierung
Im Ergebnis widerspricht die Staatsanwaltschaft der Medienberichterstattung: "Man kann (...) nicht, wie in der Presse mehrfach kolportiert und von mehreren Anzeigeerstattern angenommen, davon ausgehen, dass alleiniger Zweck der Wirtschaftsbetrieb war und es sich quasi um eine Scheinstiftung bzw. verdeckte Selbstzweckstiftung handelt." Die Ermittler räumen auch einen anderen Verdacht ab: "Die öffentlich einsehbaren Unterlagen enthalten keine Belege dafür, dass die von der Nord Stream 2 AG zur Verfügung gestellten Gelder aus Straftaten stammen." Die Staatsanwaltschaft übernimmt dabei die Argumentation der Landesregierung: Die Mittel seien vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gezahlt worden, deshalb "greift auch der Aspekt des Blutgeldes nicht durch." Kritiker verweisen darauf, dass Russland schon seit 2014 mit militärischen Mitteln gegen die Ukraine vorgeht, beispielsweise durch die Annexion der Krim.
Keine Anhaltspunkte für mögliche Straftaten
Mehrfach betont die Staatsanwaltschaft, dass sich keine "tatsächlichen" oder "zureichenden Anhaltspunkte" für einen Anfangsverdacht ergeben. Die Behörde in der Landeshauptstadt verweist auf eine Prüfung des Landesrechnungshofs, der habe zwar diverse "Unzulänglichkeiten 'aufgedeckt'", aber von einer strafrechtlich zweckwidrigen Verwendung des Landesanteils an der Stiftung sei "dort keine Rede". Am Ende schreibt Chef-Ermittlerin Lange: "Ich habe daher von Maßnahmen zur Aufhebung der Immunität und der Aufnahme von Ermittlungen abgesehen."
Rechnungshof geht auf Distanz zu den Ermittlern
Der von der Staatsanwaltschaft zitierte Landesrechnungshof zeigte sich verwundert und widerspricht der Darstellung. Präsidentin Martina Johannsen will offenbar keine Kronzeugin in der Sache sein. Sie ließ auf NDR Anfrage klarstellen: "Der Landesrechnungshof hat die Klimastiftung nicht geprüft." Vielmehr habe er noch vor Errichtung der Stiftung über ein Auskunftsersuchen versucht, bei der Landesregierung Informationen zur geplanten Stiftung zu erhalten. Diese wurden der Prüfbehörde nach NDR Informationen seinerzeit verweigert.
Sellering sieht sich bestätigt
Der ehemalige Stiftungschef, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), sieht sich durch das Schreiben der Ermittler bestätigt. Die Vorwürfe gegen die Stiftung seien haltlos. Eine unabhängige Instanz des Rechtsstaats habe sich erstmals mit den Vorwürfen beschäftigt und im Ergebnis festgestellt: "Allen Behauptungen fehlt die tatsächliche Grundlage, konkrete Anhaltspunkte für die heftigen Anschuldigungen sind weder von den Krakeelern vorgetragen noch sonst zu erkennen." Sellering, der zwischen 2000 und 2006 Justizminister im Land war, ahnt, die "Schreihälse" werde das nicht stoppen. Er findet dennoch, der Untersuchungsausschuss des Landtags, der die Hintergründe der Klimaschutzstiftung aufarbeitet, müsse einpacken: "Der Ausschuss sollte einfach anerkennen, dass nichts dran ist an den Vorwürfen und Schluss machen mit seiner millionenteuren Untersuchung."
CDU zeigt sich "überrascht"
Der CDU-Obmann im Ausschuss, der Landtagsabgeordnete Sebastian Ehlers, sieht das anders. Er findet die Entscheidung der Schweriner Staatsanwaltschaft vorschnell. "Ob am Ende auch Straftatbestände berührt sind, wissen wir spätestens, wenn der Weg des Geldes ausgeleuchtet ist." Dazu würden noch wichtige Unterlagen fehlen, die die Stiftung nicht herausgeben wolle. Auch den Ermittlern dürften diese Unterlagen nicht vorliegen, so Ehlers. "Von daher überrascht mich die Einschätzung der Staatsanwaltschaft. Bei diesem sensiblen Thema hätte ich mehr Sorgfalt erwartet."
Anzeigensteller nimmt es mit Ironie
Ehlers kündigte an, das Schreiben der Staatsanwaltschaft zum Thema im Ausschuss zu machen. Anzeigensteller Beck reagierte unterdessen fast amüsiert auf das Schreiben aus Schwerin. Dem Magazin Focus, das zuerst über den Vorgang berichtete, erklärte er: "Schön, dass die Staatsanwaltschaft inzwischen Internet hat und aus der Satzung der Stiftung zitieren kann."
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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 28.05.2025 | 06:00 Uhr