Der angeklagte syrische Arzt Alaa M. vor dem Frankfurter Oberlandesgericht.

Verurteilt wegen Mord und Folter Lebenslängliche Haft für syrischen Arzt

Stand: 16.06.2025 14:16 Uhr

Jahrelang war er Assistenzarzt in Militärkrankenhäusern des Assad-Regimes. Später arbeitete er als Orthopäde in Hessen. Nun hat das Frankfurter Oberlandesgericht den Mediziner verurteilt - wegen Folter und Mord.

Mord, Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Das sind nur einige der Vorwürfe gegen Alaa M., die die Richter als erwiesen ansahen. Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) hat den heute 40 Jahre alten Mediziner deshalb zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, eine anschließende Sicherungsverwahrung wurde verhängt.

Während im Publikum des Sitzungssaals nach dem Urteilsspruch am Montagvormittag Applaus aufbrandete, blickte Alaa M. ausdruckslos ins Leere. Auch wenn er die Vorwürfe bis zuletzt bestritt, sind die Richter überzeugt: Der Mediziner beging in den Jahren 2011 und 2012 schwerste Verbrechen für das Assad-Regime.

Erst Folterarzt, später Orthopäde

Als Assistenzarzt in den Militärkrankenhäusern der syrischen Städte Homs und Mezzeh sowie in einem Gefängnis hatte er laut Urteil in den Jahren 2011 und 2012 Gegner des Regimes gefoltert. Er habe neun Menschen schwer an Leib und Seele verletzt und zwei weitere getötet, hieß es in der Urteilsbegründung.

Der 40-Jährige habe zu einer Gruppe Ärzte gehört, die als die "Beseitigungsgruppe" bekannt gewesen sei. Opfer waren inhaftierte Zivilisten, die der Opposition gegen den damaligen Machthaber Baschar al-Assad zugerechnet wurden. Der Arzt habe sadistische Neigungen und diese bei der Folter ausgelebt.

"Der Angeklagte genoss es vor allem, ihm minderwertig und unterlegen erscheinenden Menschen körperliche Schmerzen zu bereiten", sagte der Richter. Opfer hatten in den Verhandlungen schwerste Misshandlungen geschildert, unter anderem wurde von Schlägen, Tritten und dem Anzünden von Wunden und Körperteilen berichtet.

Alaa M. war dann 2015 nach Deutschland gereist und hatte unter anderem als Orthopäde in Kliniken in Hessisch Lichtenau (Werra-Meißner) und Bad Wildungen (Waldeck-Frankenberg) gearbeitet. 2020 wurde er festgenommen, nachdem Zeugen ihn in einer TV-Dokumentation über Homs wiedererkannt hatten. 2021 folgte die Anklage, der Prozess begann 2022 und dauerte knapp dreieinhalb Jahre.

Einmischung durch das Assad-Regime

Das Regime des langjährigen syrischen Machthabers Assad habe bis zu seinem Sturz Ende 2024 versucht, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen, sagte der Vorsitzende Richter am Frankfurter Oberlandesgericht. Auch deshalb sei es wichtig gewesen, die Zeugen zu schützen - bis hin zu einer Anonymisierung. Ohne die Bereitschaft und den Mut von Zeugen hätte der Tatverhalt nicht aufgeklärt werden können.

In einem Statement der Opfer und ihrer Angehörigen, das das Gericht zitierte, hieß es, das Urteil gebe Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden. Es helfe, den Opfern des Regimes ihre Würde zurückzugeben. Bei ihnen handelte es sich dem Gericht nach um inhaftierte Zivilisten, die der syrischen Opposition zugerechnet wurden.

Weltrechtsprinzip machte Prozess möglich

Es ist ungewöhnlich, dass Verbrechen, die in Syrien begangen wurden, in Hessen bestraft werden. Möglich war dies im aktuellen Fall wegen des sogenannten Weltrechtsprinzips im Völkerstrafrecht. Es besagt, dass bei besonders gravierenden Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit jedes Land juristisch tätig werden darf.

Das soll verhindern, dass solche Taten straffrei bleiben. Mutmaßlichen Täterinnen und Tätern soll damit signalisiert werden, dass sie vor der Justiz nirgends Unterschlupf finden. Der Vorsitzende Richter sagte: "Kein Folterer darf sich der Straflosigkeit gewiss sein, egal, wo er sich aufhält." Ein Urteil wie dieses könne die Anerkennung des Leids der Opfer ausdrücken und für Rechtsfrieden sorgen.

Die Bundesanwaltschaft hatte für den Mann in ihrem Plädoyer lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Seine Anwälte forderten unter anderem für den Anklagevorwurf der Tötungen einen Freispruch. Ihr Mandant sei in dem fraglichen Zeitraum nicht in Homs tätig gewesen. Alaa M. selbst bezeichnete sich in dem Prozess als Opfer eines Komplotts. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Juni 2025 um 12:00 Uhr.