
Hamburg Zwischen zwei Bränden - Hamburgs vegetarische Revolution
Bratkartoffeln mit Spiegelei und Grünkohl, Spargelfrikassee mit Kartoffelbrei - was heute als gute vegetarische Hausmannskost gilt, war früher Teil einer Revolution. Denn Hamburgs fleischlose Restaurantgeschichte beginnt bereits im 19. Jahrhundert - im Film mit KI-Unterstützung erzählt.
Die Geschichte führt zurück ins Jahr 1842: Der Große Brand verwüstete die Hamburger Altstadt - und schuf Platz für Neues. So entstanden die Alsterarkaden. Genau dorthin zog es 1903 ein Schweizer Ehepaar mit seinem "Vegetarischen Restaurant", das es bereits 1892 in der Norderstraße als "Vegetarischen Mittagstisch" gegründet hatte. 1905 übernahmen die Hamburger Brüder Christian und Wilhelm Schubarth gemeinsam mit ihrer Mutter das Lokal über den Arkaden und machten das "Vegetarische Restaurant" zur besten Adresse für fleischlose Küche.
Betreiber waren gar keine Vegetarier
Dabei hat zumindest Restaurantbetreiber Wilhelm Schubarth auch gerne mal Fleisch gegessen, wie sich seine Enkeltochter Marion Wißbars erinnert: "Meine Großeltern waren keine Vegetarier. Die haben das nur verkauft." Noch heute bewundert sie den Mut ihres Großvaters, denn Vegetarismus kam damals gerade erst auf.

In der Küche werden damals unter anderem Spargelfrikassee und Grünkohl zubereitet.
In den 1910er-Jahren machten die Schubarths aus der vegetarischen Idee ein florierendes Geschäft. Auf der Speisekarte standen Gerichte wie Spargelfrikassee mit Kartoffelbrei für 30 Pfennige oder Grünkohl mit Spiegelei und Bratkartoffeln für 40 Pfennige. Gestärkte weiße Tischwäsche, schwere Kronleuchter an den Decken sowie ein direkter Blick auf Rathaus und Binnenalster lockten auch die bessere Gesellschaft an.
Mit Autos auf Werbetour
Mit geschmückten Autos machten die Brüder in der Hamburger Innenstadt auf ihr Restaurant aufmerksam. Die Werbefahrten waren offenbar sehr erfolgreich. Und die Zahl der Vegetarier nahm stetig zu. Die Lebensreformbewegung und Vegetarier-Vereine propagierten fleischlose Ernährung, und Kochbücher wie Baltzer's Vegetarisches Kochbuch kamen auf den Markt.

1929 machen die Schubarths Werbung mit Fahrzeugen in der Stadt.
Beide Weltkriege überstanden
Bereits der Erste Weltkrieg stellte den Familienbetrieb auf eine harte Probe. Die Gebrüder Schubarth mussten in den Krieg, und plötzlich war es an den Ehefrauen, das Restaurant am Laufen zu halten. Enkeltochter Marion Wißbars erinnert sich an Erzählungen ihrer Großmutter, wie diese mit der "Schott’schen Karre" zum Großmarkt gefahren sei, um Gemüse zu kaufen. In den 1940er-Jahren, nun unter dem Namen "Vegetarische Gaststätte", überstand das Restaurant auch den Zweiten Weltkrieg.

Christian und Wilhelm Schubarth, hier mit ihrer Mutter, müssen in den Krieg ziehen.
Nach Brandstiftung 1989 nie wieder eröffnet
Nach dem Tod der Brüder blieb das "Vegetarische" - wie der Volksmund das Restaurant nannte - in Familienbesitz. Betreiber Krafft Schubarth zählte in den 1970er-Jahren täglich bis zu 1.000 Gäste - darunter allerdings wohl nur fünf Prozent überzeugte Vegetarier. Fast hätte das Restaurant noch sein Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen gefeiert - doch in der Silvesternacht 1989 legte ein späterer Geschäftsführer Feuer, und die "Vegetarische Gaststätte" brannte vollständig aus. Sie wurde nie wieder geöffnet.

Der Speisesaal in den 1920er-Jahren: 50 Jahre später kommen rund 1.000 Gäste täglich.
Ältestes vegetarisches Restaurant in Zürich
Lange Zeit galt die "Vegetarische Gaststätte" in Hamburg als das älteste durchgehend geöffnete vegetarische Restaurant der Welt. Mittlerweile ist laut Guinness World Records ein Restaurant in Zürich, das bereits 1897 als Aktiengesellschaft gegründet wurde und bis heute besteht, als ältestes vegetarisches Restaurant der Welt anerkannt.
Hinweis: Für den Videobeitrag über das vegetarische Restaurant in Hamburg wurden größtenteils authentische historische Abbildungen und Fotos mittels KI-Anwendungen eingefärbt und animiert. Umgesetzt hat das NDR-Grafiker Oliver Ende, der Urenkel des früheren Restaurantbetreibers Wilhelm Schubarth. In dem unteren Filmbeitrag erklärt er seine Arbeit, wie er vorgeht und was er berücksichtigen muss.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hamburg Journal | 24.05.2025 | 19:30 Uhr