Polizisten kontrollieren eine Gruppe Jugendlicher am Hamburger Jungfernstieg.

Hamburg Viel Polizei, wenig Perspektive: Hamburgs Problemzone Jungfernstieg

Stand: 29.05.2025 17:00 Uhr

Seit Jahren ist die Polizei rund um den Hamburger Jungfernstieg im Dauereinsatz. Mit regelmäßigen Streifen, Schwerpunkteinsätzen an Wochenenden und der Ermittlungsgruppe "Alster" versucht sie, Jugendgewalt einzudämmen. Doch die Frage ist: Reicht das aus?

Von Maike Huckschlag & Elias Bartl

Mit Beginn der steigenden Temperaturen ist der Jungfernstieg wieder ein beliebter Treffpunkt vieler Jugendlicher und junger Erwachsener. Das Alsterufer: voll. Die Polizei spricht trotz hoher Besucherzahlen aber von einer unauffälligen Lage und verweist auf ihr bewährtes Präsenzkonzept. Neben der Schutzpolizei sind auch der polizeiliche Jugendschutz, Zusatzkräfte der Bereitschaftspolizei sowie die Ermittlungsgruppe "Alster" (EG "Alster") regelmäßig vor Ort.

Polizeiliche Maßnahmen und ihre Grenzen

Die Einsatzkräfte sprechen die für sie auffälligen Personen direkt an. Wer sich nicht an Aufenthaltsverbote hält, kann für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen werden. Laut Polizei hat sich die enge Zusammenarbeit zwischen Schutzpolizei und Kriminalpolizei bewährt. Die EG "Alster" verfolgt dabei einen täterorientierten Ansatz. Sie kennt viele der Jugendlichen, die sich regelmäßig am Jungfernstieg aufhalten, persönlich. Eine gezielte Ansprache sei daher möglich. Die polizeilichen Maßnahmen greifen jedoch meist erst dann, wenn es bereits zu Verstößen oder Vorfällen gekommen ist.

Bewertung der Schulbehörde

Zuständig für präventive Ansätze in der Jugendarbeit ist seit einer behördlichen Neuordnung die Hamburger Schulbehörde. Hier verweist man auf die große Vielfalt der jungen Menschen, die sich am Jungfernstieg treffen. Viele kämen aus verschiedenen Bezirken Hamburgs oder dem Umland. Deshalb gehe man nicht grundsätzlich von einem Unterstützungsbedarf aus. Die Behörde betont, der Einsatz von klassischer Jugend- und Straßensozialarbeit sei nicht zielführend. Stattdessen plant sie zusammen mit dem Bezirksamt Mitte niedrigschwellige Gesprächsangebote anzubieten.

Rückblick auf frühere Sozialprojekte

Bereits im Sommer 2021 hatte die Stadt versucht, durch Sport-, Kultur- und Beratungsangebote deeskalierend zu wirken. Diese Maßnahmen hätten laut Behörde aber nur auf mäßige Resonanz gestoßen. Viele Jugendliche hätten das Angebot nicht angenommen und wollten sich nicht vom Jungfernstieg wegbewegen.

Forderung der Polizeigewerkschaft

Gewalt am Jungfernstieg: Polizei fordert mehr Sozialarbeiter

Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Hamburg, sieht die Verantwortung aber nicht allein bei der Polizei. Jugendkriminalität sei ein gesamtgesellschaftliches Thema. Deshalb fordert er den Einsatz von Straßensozialarbeit und eine engere Zusammenarbeit zwischen Behörden und Polizei.

Niens verweist auf das nordrhein-westfälische Modellprojekt "Kurve kriegen". Dort arbeiten Polizei und Sozialpädagoginnen und -pädagogen eng zusammen, um jugendliche Mehrfachtäterinnen und -täter frühzeitig zu erreichen. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet und für zielführend befunden. In Hamburg gibt es solch einen Ansatz bislang noch nicht.

Politische Bewertung aus der CDU

Auch die CDU-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft spricht sich für präventive Maßnahmen aus. "Wir finden den Vorschlag, Sozialarbeiter einzusetzen, sehr begrüßenswert. Die Jugendlichen müssen nicht nur von der Straße weg, das ist erstmal wichtig kurzfristig gesehen. Sie müssen auch eine Perspektive haben." Die Polizeipräsenz habe lediglich zu einer Verlagerung des Problems geführt, etwa in den Hamburger Süden nach Harburg. Angebote, die Jugendliche einbinden, sind daher aus Sicht der CDU sinnvoll und notwendig.

Unklare Zukunft der Prävention

Die Polizei bleibt zunächst die sichtbarste Akteurin am Jungfernstieg. Doch bei den strukturellen Fragen bleibt vieles offen. Die Schulbehörde prüft derzeit mögliche neue Konzepte. Gleichzeitig laufen Gespräche mit potenziellen Trägern. Ob daraus konkrete Maßnahmen entstehen, ist bislang nicht bekannt.

Besonders an Wochenenden gilt der Jungfernstieg schon seit Jahren als Treffpunkt für gewaltbereite Jugendliche. Im vergangenen Sommer hatte ein junger Mann bei einem Gruppenstreit zwei Kontrahenten mit einem Messer verletzt - einer davon kam mit einer Stichverletzung ins Krankenhaus. Auch eine Jugendbande war am Jungfernstieg unterwegs. Sie sollen andere zum Drogenhandel gezwungen und mit Waffengewalt bedroht haben.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hamburg Journal | 29.05.2025 | 19:30 Uhr