Menschen tanzend vor einer weißen Kletterwand

Hamburg Nervenkitzel in Hamburg: Tanz meets Extremsport

Stand: 23.05.2025 16:31 Uhr

Zwischen Extremsport und Akrobatik nimmt Rachid Ouramdane sein Publikum mit auf eine faszinierende, ungewöhnliche Reise mit extrem hoher Fallhöhe.

Von Annette Matz

Auf Kampnagel hielt es am Ende praktisch niemanden im Publikum mehr auf den Sitzen: In der großen Halle K6 war eine riesige Kletterwand aufgebaut inklusive einer "Highline" zum Balancieren ganz hoch oben. Zu Gast waren zwei Extremsportler, die mit tanzenden Akrobaten eine Stunde lang eine ganz eigene Welt erschufen.

Nichts für schwache Nerven

"Das Laufen auf einer Highline", diesem sehr schmalen, sehr elastischen Band, "ist fast wie Fliegen", sagt Nathan Paulin. Der Franzose ist Slackline-Meister und mehrmaliger Highline-Weltrekordhalter. Auf eine großformatige Kletterwand im Bühnenhintergrund wird ein Film projiziert, in dem er zu sehen ist, wie er auf einer Highline über eine atemberaubend tiefe Schlucht balanciert. "Um auf diesem dünnen 'Draht' zu balancieren, der sich bewegt, muss ich 100 Prozent aufmerksam sein und nehme alles wahr - in meinem Körper und um mich herum. Ich habe den Eindruck, ich empfinde alles stärker", beschreibt Paulin seinen waghalsigen Akt und nimmt uns mit in seine Welt.

Im Film berichtet er von seinen extremen Empfindungen beim Balancieren, auch seiner Angst und der Frage "Was tust du da eigentlich?" Er beschreibt, wie seine Gedanken und Sorgen sich in einer Art und Weise beim Laufen über die Highline klären. Das Publikum ist fasziniert und empfindet die Performance "absolut anregend", aber selbst trauen, sagt eine Frau trotz aller Bewunderung für den Sportler und sein Können, würde sie sich das nie.

Hochseilakt in Hamburg

Und auf einmal ist er da, in echt, auf der Highline in der K6. Paulin ist 31, lebt in den franzöischen Alpen. Seit seiner Jugend ziehen ihn Berge an, seit 2011 auch Slacklines. Inzwischen spaziert er auch schon mal 70 Meter über dem Boden zwischen dem Eiffelturm und dem Dach eines Theaters. Das war ein Spektakel 2021 in Paris.

Paulin bleibt nicht allein: An der Kletterwand erscheinen Performer und Performerinnen der Compagnie de Chaillot. Die Tänzer:innen und Artist:innen gehören zum Ensemble des Choreografen Rachid Ouramdane, der offenbar ein Faible für Tanz und Artistik hat.
Mit großer Eleganz und beindruckender Leichtigkeit balancieren die Tänzer:innen sich in Pyramiden, tragen sich, schwingen, werden Körper voller Vertrauen in die Luft gewirbelt. Mit dabei auch eine andere Meisterin ihres Fach: Nina Caprez. Die Schweizerin hat das Klettern in den Bergen als Wettkampf und Sport für sich entdeckt. In dieser Kombination wird der Abend zu einem ungewöhnlichen Zusammenspiel aus Tanz, Artistik und Extremsport.

Spektakulär und poetisch

Die rund 60 Minuten sind manchmal sogar poetisch, fast meditativ. Das Publikum erlebt die Gefühls- und Arbeitswelt der Artist:innen mit ihrer hohen Präzision und dem geradezu lebensnotwendigen Vertrauen in die Sicherheit durch die Gruppe. Sportler:innen und Compagnie sind sensationell: konzentriert, fokussiert und absolut spektakulär. Sie scheinen der Schwerkraft zu entkommen - und das mit einer freundlichen Sanftheit, die am Ende keinen mehr auf den Stühlen hält.

Noch bis Sonntag ist "Corps Extreme" auf Kampnagel zu sehen.

Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | Der Nachmittag | 23.05.2025 | 14:00 Uhr