Ein Skater bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris

Hamburg Kommentar zur deutschen Olympia-Bewerbung: Moderner Vierkampf

Stand: 31.05.2025 16:38 Uhr

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) möchte die Spiele 2036, 2040 oder 2044 nach Deutschland holen. Hamburg steht dabei in Konkurrenz mit Berlin, München und der Region Rhein-Ruhr. Statt sich mutig für einen einzigen Kandidaten zu entscheiden, machen wir Deutschen erst einmal, was wir besonders gut können: Wir treten gegeneinander an.

Ein Kommentar von Holger Gerska, NDR Sportredaktion

Vor zehn Jahren scheiterte die Hamburger Olympia-Bewerbung für die Spiele 2024 oder 2028 an vielen Faktoren. An fehlenden Finanzzusagen der damaligen Bundesregierung unter Angela Merkel, einem etwas blauäugigen Konzept mit Neubauten auf Inseln und Wiesen und dem aufreibenden Duell mit dem Mitbewerber Berlin. Monatelang hatten beide Städte das Konzept des nationalen Rivalen zerflückt, gekrönt von einem zweitägigen Showdown auf neutralem Boden in Frankfurt. Später war Hamburgs Sieg über Berlin an den Wahlurnen der Bürgerbefragung nichts mehr wert.

Mehr Verlierer als Gewinner

So etwas solle es nie wieder geben, hieß es 2015 vom Deutschen Olympischen Sportbund. Deutschland müsse sich dem Internationalen Olympischen Komitee mit einer einzigen kraftvollen Bewerbung präsentieren. Und jetzt haben wir einen kraftvollen Vierkampf über sage und schreibe 16 Monate: Hamburg gegen München, Rhein-Ruhr und Berlin.

Allein die Bürgerbefragungen in allen vier Bewerberstädten und -regionen werden Millionen verschlingen, bevor im September 2026 eine Kampfabstimmung mehr Verlierer als Gewinner küren wird. Bis dahin liegen alle langfristigen Stadt- und Finanzplanungen auf Eis. Viermal.

Sogar das IOC hat aus diesen kostspieligen Mehrkämpfen gelernt und vergibt Olympische Winter- und Sommerspiele inzwischen im Dialog mit den Interessenten. Jetzt, wo die vier Bewerbungen auf dem Tisch liegen, wäre es doch eine Idee, das IOC einmal zu fragen, welches Konzept die besten Chancen hätte und eine mutige Entscheidung für einen einzigen Kandidaten zu treffen! Vor- und Nachteile haben alle vier.

Was spricht für wen?

Für das Projekt Rhein-Ruhr/NRW muss mit Ausnahme eines Stadions für die Leichtathletik wenig gebaut werden. Allerdings pocht das IOC nach dem Erfolg von Paris auf kurze Wege und ein zentrales Olympisches Dorf. Das Düsseldorfer Konzept liest sich eher wie eine Aneinanderreihung von Weltmeisterschaften zwischen Dortmund und Köln. Aber: Das Mastermind dieser Bewerbung Michael Mronz ist inzwischen der deutsche Vertreter im IOC.

Berlin bewirbt sich mit vier anderen Bundesländern, um möglichst gar nichts neu bauen zu müssen. Die meisten Sportstätten sind vorhanden. Die Stadt hat große Erfahrungen mit der Ausrichtung von Großveranstaltungen. Es ist ein nachhaltiges Konzept, allerdings trifft es auf die traditionell sehr kritischen Berlinerinnen und Berliner. Das Bürgervotum wird mit Sicherheit eng.

München Stand jetzt der deutsche Favorit

München gibt sich extrem selbstbewusst auch dank des enormen Rückenwindes aus dem Hause Söder. Die Stadt darf zu Recht auf erfolgreiche European Championships 2022 verweisen. Der fertige Olympiapark als Herz der Spiele ist ein starkes Argument. Allerdings muss auch die bayrische Landeshauptstadt einiges neu bauen, unter anderem eine riesige Mehrzweckhalle für die Schwimmwettbewerbe in Freising. Stand jetzt: der deutsche Favorit.

Hamburg denkt groß - aber auch teuer

Hamburg hat das charmanteste Konzept, die Pläne für 2024 oder 2028 sind komplett überarbeitet worden. Es ist sehr groß gedacht, aber auch sehr teuer. Der Plan einer neuen 60.000-Zuschauer-Arena für die Leichtathletik neben dem Volksparkstadion (unabhängig von Olympia) dürfte große Diskussionen provozieren. Schlüssige Finanz- und Transportkonzepte sind Grundvoraussetzung für ein Ja der Hamburger Bevölkerung.

International ist Deutschland Außenseiter

Bei allem darf nie vergessen werden: International ist Deutschland im Kampf um die Olympia-Gastgeberrolle Außenseiter. Bis 2032 (Brisbane) stehen die Ausrichter für Sommerspiele fest. Für 2036 hat sich Delhi aussichtsreich in Stellung gebracht. Oder die neue afrikanische IOC-Präsidentin präferiert ihren Kontinent, der noch nie Gastgeber war.

2040 wäre vielleicht wieder Europa dran. Aber was, wenn sich erfolgreiche Olympia-Ausrichter wie London, Barcelona oder Paris mit dem Argument fertiger Sportstätten wieder bewerben? Dann bräuchte Deutschland ein extrem gutes Konzept oder eine gute Story für emotionale Olympische Spiele.

Der 50. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung 2040 hätte eine prima Bewerbungsgrundlage für die Achse Leipzig-Berlin-Hamburg sein können. Die Idee ist gescheitert. Denn jetzt machen wir Deutschen erst einmal, was wir besonders gut können: Wir treten gegeneinander an - im Modernen Vierkampf.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin/des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

Dieses Thema im Programm:
Hamburg Journal | 31.05.2025 | 19:30 Uhr