
Hamburg Fast schon ein Musical: "Dreigroschenoper" in Hamburg
Gerade war sie noch in New York zu sehen, bald in China - nun in Hamburg im Schauspielhaus: Barrie Koskys Inszenierung der "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill.
Herausgekommen ist die Inszenierung vor vier Jahren am Berliner Ensemble. Die gefeierte Produktion reist um die Welt, im Herbst soll es nach Peking und Shanghai gehen. Das Hamburger Theaterfestival hat sie nach Hamburg geholt. Am Mittwoch gab es dafür im Schauspielhaus viel Applaus und ein begeistertes Publikum: "Großes Kino" und ein "Feuerwerk auf der Bühne", urteiln zwei Besucher. Und eine andere Zuschauerin sagt, es sei für sie "haarsträubend schön" gewesen.
Beeindruckendes Bühnenbild
Und haarsträubend böse ist er, der Gangster: Mackie Messer. Das Ehepaar Peachum ist erschüttert, als es feststellen muss, dass die einzige Tochter Polly diesem Gauner verfallen ist. Allerdings sind die Bedenken nicht unbedingt moralischer Natur, verdient doch auch der Vater sein Geld keineswegs auf ehrbare Weise: Ein ganzes Heer von Bettlern arbeitet für ihn, bestehend aus verschiedenen Bettler-Typen, die er jeweils entsprechend ausstattet und schult. Doch zu sehen sind die Bettler kaum an diesem Abend.
Die Inszenierung verführt erst einmal durch Vorhänge aus glitzernden Silberfäden, dann wird der Blick auf große, an Häuserblocks erinnernde Gerüste freigegeben - eine beeindruckende Bühne. Auf der Polly und Mackie erstmal Hochzeit feiern: "Jetzt will ich ein anständiges Lied hören. Wer will was singen? Einfach Hand hoch, ich nehme Sie dann dran", ruft es von der Bühne. Dieser Aufforderung von Mackie mag niemand im Saal folgen, am Ende singt Polly sich selbst das bekannte Ständchen "Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen".
Fast eher ein Musical als Theater
Barrie Kosky setzt in seiner Inszenierung vor allem auf die Musik. "Wir lieben die Musik sehr und haben es genossen, dass sie sehr stark im Vordergrund stand. Es war ja textlich sehr gekürzt, dass ist eine Art das zu interpretieren - mir hat es gefallen", sagt ein Gast. Eine andere Besucherin sagt schmunzelnd: "Wir haben uns Mühe geben müssen, um nicht mitzusingen". Ein Zuschauer findet es eine "großartige Persiflage auf die klassische Oper".
Auch bewusst schräge Töne werden dabei ausgekostet, aber alles wohl ausbalanciert, von Ensemble und Orchester mit Bravour und Leidenschaft gesungen und gespielt. Fast eher ein Musical- als ein Theaterabend, mit Spaß an Überzeichnung und Unterhaltung.
Das Dunkel hinter der Glitzerwelt
Klug ist die Bühne gebaut: Immer mehr Schichten werden hinter dem Glitzervorhang freigelegt, kein einziger Silberfaden ist mehr zu sehen, wenn Mackie schließlich im Gefängnis auf die Hinrichtung wartet. An seinem Fuß glänzt dafür die silberne Kette. Gewalt und Elend werden eher angedeutet, beispielsweise wenn Peachum mit einer Peitsche allein über die fast leere Bühne zieht. Und klar ist auch hier: Erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral. Solange die Verhältnisse so sind wie sie eben sind. "Ich fand gerade diesen Kontrast sehr spannend: Es gibt diese Glitzerwelt, aber es ist auch sehr dunkel dahinter und auch darunter", so eine Zuschauerin am Ende.
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur | Der Morgen | 29.05.2025 | 09:20 Uhr