Polizisten gehen am Hamburg durch das Eingangstor der Polizeiakademie.

Hamburg Ausbildung bei der Hamburger Polizei: Jeder Vierte bricht ab

Stand: 23.05.2025 16:55 Uhr

Die Hamburger Polizei soll laut Senat 500 zusätzliche Stellen erhalten. Doch viele Nachwuchskräfte scheitern bereits an der Ausbildung. Besonders betroffen ist der mittlere Dienst - jetzt gibt es Forderungen nach grundlegenden Reformen.

Von Maike Huckschlag und Elias Bartl

Im diesjährigen Abschlussjahrgang hat fast jede vierte Anwärterin und jeder vierte Anwärter im mittleren Dienst der Hamburger Polizei die Ausbildung nicht bestanden oder vorzeitig abgebrochen. Die genaue Quote lag bei 26,5 Prozent. Diese Entwicklung verschärft sich seit mehreren Jahren.

Polizei Hamburg: Entwicklung der Abbrecherquoten im Mittleren Dienst

  • 2019 15,1 %
  • 2020 18,0 %
  • 2021 21,8 %
  • 2022 26,5 %
  • 2023 27,8 %
  • 2024 21,8 %
  • 2025 26,5 %

Fehlendes Wissen, mangelnde Belastbarkeit?

Erfahrene Polizisten berichten dem NDR von grundlegenden Defiziten bei Anwärterinnen und Anwärtern im mittleren Dienst. Konkret sagen sie, dass Polizeischüler Probleme hätten, Einsatzberichte zu schreiben und zum Teil weniger belastbar seien. Auch im praktischen Einsatzdienst haben junge Polizistinnen und Polizisten häufig Angst, Fehler zu machen und dienstrechtliche Konsequenzen zu erhalten.

Durch zahlreiche Pensionierungen fehlen bei der Hamburger Polizei zudem erfahrene Beamtinnen und Beamte, die Wissen an Nachwuchskräfte weitergeben könnten. Schon junge Polizeibeamte, die selbst erst wenige Jahre im Dienst sind, müssen Praktikantinnen und Praktikanten anleiten.

Nicht alle Abbrüche auf mangelnde Eignung zurückzuführen

Die Ursachen für die hohe Abbruchquote im mittleren Dienst sind unterschiedlich. Häufig scheitern Anwärterinnen und Anwärter an Prüfungen oder gelten nach dem Praktikum als nicht geeignet für den Polizeiberuf. Auch gesundheitliche Gründe wie Verletzungen können zum Ausbildungsende führen. Einige wechseln während der Ausbildung in andere Bundesländer, andere entscheiden sich bewusst für einen Abbruch, weil sie persönliche oder berufliche Alternativen sehen. Die Polizei betont, dass nicht alle Abbrüche auf mangelnde Eignung zurückzuführen seien.

Gewerkschaften fordern Abschaffung des mittleren Dienstes

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht die Ursachen in der Struktur der Ausbildung. Ihr Vorsitzender, Thomas Jungfer, fordert, den mittleren Dienst komplett abzuschaffen. Stattdessen sollten sich künftig alle Bewerberinnen und Bewerber für den gehobenen Dienst mit integriertem Bachelorstudium bewerben. Dadurch könne eine höhere Qualität der Ausbildung erreicht werden. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben diesen Schritt bereits umgesetzt. Vor weniger Bewerbern sorgt sich die Gewerkschaft nicht, da sich bereits jetzt eine hohe Zahl mit Abitur auf den mittleren Dienst bewerbe.

Thomas Jungfer zu Gast im Studio.

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Thomas Jungfer, fordert, den mittleren Dienst komplett abzuschaffen.

GdP betont Engagement junger Kräfte

Lars Osburg, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), unterstützt ebenfalls die zweigeteilte Laufbahn. Allerdings nur, wenn es Bewerbern mit Mittlerer Reife durch einen Vorbereitungsdienst trotzdem möglich sei, sich für den gehobenen Dienst zu bewerben. Neben einer Reform der Ausbildung wünscht er sich eine regelmäßige Evaluation der Ausbildung - gemeinsam mit den Polizeischülerinnen und Polizeischülern. Trotz der Probleme übe laut Osburg die Mehrheit der Anwärterinnen und Anwärter ihren Beruf aber mit Leidenschaft aus. Gleichzeitig erinnert er daran, dass Polizistinnen und Polizisten heute deutlich mehr Aufgaben bewältigen müssten als frühere Generationen -etwa durch den Einsatz neuer Technologien wie Drohnen.

Weniger Abbrecher im gehobenen Dienst

Anders sieht die Situation beim gehobenen Dienst aus: Hier liegt die Quote der Abbrüche und Entlassungen für das Einstellungsjahr 2022 nur bei knapp fünf Prozent. Für den gehobenen Dienst brauchen die Polizeischüler Abitur, um das integrierte Bachelorstudium zu absolvieren. Außerdem gelten höhere Anforderungen an die Bewerber wie etwa bessere Sprach- und Rechtschreibkenntnisse sowie eine insgesamt höhere Belastbarkeit und Eigenständigkeit, die in einem anspruchsvollen Auswahlverfahren geprüft werden.

Politische Debatte um Polizeinachwuchs

Die Diskussion erreicht inzwischen auch die Hamburgische Bürgerschaft. Die CDU-Fraktion fordert ebenfalls eine grundlegende Reform der Ausbildung, um den Polizeiberuf attraktiver zu machen. Der Innenpolitischer Sprecher Dennis Gladiator verweist dabei auf positive Erfahrungen anderer Bundesländer.

Polizeipräsident verteidigt Hamburger Modell

Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel kennt die Diskussion. Er war zuvor Polizeipräsident in Münster und Köln. Nordrhein-Westfalen hat den Mittleren Dienst bereits 2001 abgeschafft. Trotzdem lehnt er eine Abschaffung des mittleren Dienstes in Hamburg bislang ab. Er verweist auf die Vorteile des Hamburger Systems, das Bewerberinnen und Bewerbern mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen offensteht. Gerade die Durchlässigkeit vom mittleren zum gehobenen Dienst ermögliche vielen jungen Menschen mit Mittlerer Reife gute Karrierechancen bei der Polizei Hamburg.

Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel.

Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel sprach sich bislang gegen eine Abschaffung des mittleren Dienstes aus.

Innenbehörde und Polizei halten an dreigeteilter Laufbahn fest

Die Innenbehörde hält ebenfalls an der dreigeteilten Laufbahn fest. Auch sie verweist auf die guten internen Aufstiegsmöglichkeiten. Außerdem profitiere die Polizei Hamburg von Bewerbern unterschiedlicher Bildungsabschlüsse im Hinblick auf gesellschaftliche Repräsentativität. Seit 2016 hat Hamburg durch eine Einstellungsoffensive bereits rund 1.000 zusätzliche Polizeistellen geschaffen. Damit will sie Pensionierungen ausgleichen und die Präsenz der Beamten in der Stadt erhöhen.

Laut Innenbehörde sei dafür bereits massiv investiert worden: So wurde die Polizeiakademie modernisiert, Lehrpersonal aufgestockt und der Bau eines Wohnheims für Nachwuchskräfte beschlossen. Zudem habe der Senat die Zulagen für die Polizei deutlich erhöht und die technische Ausstattung verbessert.

500 neue Stellen - aber wer besetzt sie?

Im Koalitionsvertrag der Hamburger Regierung aus SPD und Grünen wurden 500 zusätzliche Polizeistellen angekündigt. Angesichts der hohen Abbruchquoten im mittleren Dienst stellt sich die Frage, ob diese Stellen mit ausreichend qualifiziertem Nachwuchs überhaupt besetzt werden können. Die kommenden Jahre dürften somit entscheidend sein, um die Zukunftsfähigkeit der Polizei Hamburg langfristig zu sichern.

Dieses Thema im Programm:
NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 23.05.2025 | 15:00 Uhr