
Brandenburg Berlin Präsident der Preußenstiftung: Hermann Parzinger geht in den Ruhestand
17 Jahre war Hermann Parzinger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie gab in seiner Amtszeit Raubkunst zurück, baute große Museen und wurde reformiert. Doch in die Zukunft blickt der scheidende Chef mit Sorge. Von Julian von Bülow
Wer über die Schwellen des Berliner Humboldt-Forums, der Staatsbibliothek, des Bode-Museum oder der Alten Nationalgalerie schreitet, betritt das Reich von Hermann Parzinger. Seit 2008 leitet er die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), die in Berlin verantwortlich ist für 21 Museen, die Staatsbibliothek, das Staatsarchiv und zwei Forschungsinstitute. Es ist der größte Kulturverbund Deutschlands.
Nun verabschiedet sich der 66-jährige prähistorische Archäologe in den Ruhestand. Die SPK-Präsidentschaft übernimmt ab Juni Marion Ackermann, die bisherige Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Sie tritt in große Fußstapfen, denn in seinen 17 Jahren bei der SPK prägte Parzinger die Berliner Kulturlandschaft, etwa mit dem umstrittenen Bau des Humboldt-Forums, der Rückgabe von Raubgütern und der Reform der als schwerfällig geltenden Stiftung.

Mumien und Goldschatz ausgegraben
Die Konstanten in Parzingers Leben sind vielleicht Quellen ausgraben, Quellen auswerten, Quellen ausstellen. Das lernt Parzinger schon zu Beginn seiner akademischen Laufbahn: im Studium der Geschichte und Archäologie in München. Anschließend bereist er viele Länder für archäologische Grabungen, erlangt seinen Doktortitel an der LMU in München, wird Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin.
Mit der Ausgrabung eines Fürstengrabes mit Mumie und Goldschatz eines skythischen Fürsten in Sibirien erlangte Parzinger 2001 größere Aufmerksamkeit, ebenso 2006 mit einer mongolischen Eismumie.
14 Bauprojekte in 17 Jahren
Einstimmig wird der Archäologe und Historiker 2007 vom Rat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zum Präsidenten gewählt und tritt 2008 sein Amt an. "Als ich anfing, standen noch die Reste des Palasts der Republik", sagte Parzinger später in der rbb24 Abendschau. Heute steht dort das Humboldt-Forum. "Ich habe mal nachgerechnet, in meiner Amtszeit sind immerhin 14 Bauprojekte - Neubauten oder Sanierungen - fertig geworden", so der scheidende SPK-Präsident.
Er begleitete etwa den Bau des Humboldt-Forums, die Sanierung des Pergamon-Museums und den Neubau des "Berlin Modern" im Kulturforum. Angesichts der Haushaltslage des Bundes und des Landes Berlin sieht Parzinger wenig Grund für Optimismus: "Ich fürchte, Berlin Modern wird für lange Zeit der letzte komplette Neubau in dieser Dimension eines Museums der Stiftung gewesen sein." Gleichzeitig müsse aber Geld für Sanierungen in die Hand genommen werden: "Uns steht das Alte Museum von Schinkel noch bevor, das in einem sehr schlechten Zustand ist. Da kann man nicht warten, bis das Pergamon-Museum fertig ist, sonst stürzt es irgendwann ein. Das muss man so drastisch sagen."
Zwischen Vergaberecht und moderner Schatzsuche
In Parzingers Amtszeit fällt auch die jahrelang vorbereitete Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie wurde 1957 auf Beschluss des Bundestages gegründet, um nach dem zweiten Weltkrieg die Kulturgüter Preußens wieder zusammenzuführen. Zwischenzeitlich war unter der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die Aufspaltung der Stiftung im Gespräch. Stattdessen führe die beschlossene Reform nun dazu, dass man von einer zentralistischen Einrichtung zu einem Verbund von 25 möglichst autonom agierenden Einheiten komme, so Parzinger.
Die oft vorgetragene Kritik, die Stiftung sei bisher zu schwerfällig gewesen, kann Parzinger nachvollziehen. "Wir sind eine Behörde. Das haben wir uns nicht ausgesucht, das ist die Struktur, die man uns bei der Gründung gegeben hat", so der Archäologe. Damit sei man etwa an Vergaberecht gebunden. "Bei unserem Etat von fast 500 Millionen Euro, wenn man die Baumittel dazu nimmt, ist das eine große Verantwortung. Da muss man schon diese Regeln halten, auch wenn sie einen schwerfällig machen."

Hermann Parzinger bei der Präsentation einer mongolischen Eismumie.
Besorgniserregend nennt Parzinger den politische Druck auf Kultureinrichtungen, mit dem man versuche, Mittel zu streichen und auf Personalentscheidungen Einfluss zu nehmen, weil angeblich Kulturprogramme zu "woke" oder divers seien. Das stimme vielmals gar nicht. Doch solche Diskussionen könnten nun auch verstärkt Einzug in den Stiftungsrat Einzug halten.
Denn die Bundestagsabgeordneten hätten bei der SPK-Reform Wert darauf gelegt, dass künftig vier Abgeordnete im Stiftungsrat sitzen - allerdings ohne Stimmrecht, so Parzinger. Aber es sei klar, dass die zweitstärkste Fraktion und größte Oppositionsfraktion da nicht außen vor bleiben könne. Gemeint ist die AFD, die mit dem Wirksamwerden der Reform ab Dezember im Gremium vertreten sein könnte. "Vielleicht ist es nicht schlecht, solche Debatten zu führen, so dass die Vertreter der demokratischen Mitte den Schulterschluss üben, sich klar sich positionieren und solche Einflussnahmen nicht zulassen, wo sie wirklich offensichtlich sind", so Parzinger.
Auch bei der Stiftung sieht er noch Potenzial: "Alles, was Vielfalt und Toleranz zulässt, stärkt eine demokratische Gesellschaft. Da muss die SPK noch aktiver werden als vorher und das deutlicher nach außen tragen."
SPK-Reform müsse mit Geld unterlegt werden
Das Geld ist neben der Reform ein weiterer großer Punkt. Statt wie zuvor einen Goldschatz auszugraben, muss Parzinger als SPK-Präsident Geldquellen auftun - also die Politik überzeugen, Mittel in die Kulturinstitutionen zu stecken.
Zuletzt war er damit erfolgreich, auch wenn er sich mehr gewünscht hätte. Ab 2026 wird der jährliche SPK-Etat um zwölf Millionen Euro erhöht, darauf haben sich Bund und Länder Mitte März geeinigt. Mit dem Geld sollen die Museums-Teams schlagkräftiger werden, die Kommunikation etwa in den sozialen Medien soll sich verbessern, Bildung und Vermittlung samt digitaler Präsenz ausgebaut werden und mehr Angebote für Besucher kommen, so Parzinger im März. "Dafür braucht es Personal und auch finanzielle Mittel."
Doch fürchtet der Archäologe: "Wenn diese zwölf Millionen benutzt werden, um steigende Betriebs-, Bewachungs- und Energiekosten zu decken, und nicht in die Reform und Qualitätsverbesserung fließen, dann hat die Stiftung in der Zukunft wirklich ein Problem", so Parzinger im rbb-Interview. Seine Nachfolgerin kündigte derweil schon an, neue Wege bei den Geldquellen gehen zu wollen.

Rückgabe geraubter Kunstgegenstände
Aufgabe des Archäologen war es stets, kritisch auf die Funde und Quellen zu schauen, ob in der Grabungsstätte oder in den Magazinen der Museen. In den 2010er Jahren entwickelte sich eine Debatte um die Herkunft von Kunstwerken, die möglicherweise aus verbrecherischen Kontexten stammen, etwa aus der Kolonialzeit oder dem Nationalsozialismus. 2022 erklärte die SPK sich bereit, das Eigentum an den Berliner Benin-Bronzen an Nigeria zu übertragen - den Rechtsnachfolger des afrikanischen Königreichs.
"Es war wichtig, dass wir da auch dazugelernt haben", sagt Hermann Parzinger im rbb-Interview. Natürlich könne man fragen: Ja, aber warum nicht schon früher? Antwort Parzinger: "Ja gut, war halt nicht. Aber das Entscheidende ist doch, dass man umdenkt, dass man den richtigen Weg geht." Parzinger verwehrt sich dem Vorwurf, was aus kolonialen Kontexten stamme, sei per se geraubt und gestohlen. "Das ist Unsinn, das ist unwissenschaftlich, das ist ahistorisch." Aber zunächst steht alles erst einmal unter einem gewissen Unrechtsvorbehalt. Deshalb müsse man die Herkunft der Kunstgegenstände erforschen. Damit hat die SPK 2008 angefangen.
Im Juni beginnt nun für Hermann Parzinger der Ruhestand. Nach 17 Jahren in Berlin nun wieder in die Grabungsstätten der Welt? "Nein, denn da braucht man ein Team, da braucht man Infrastruktur, da braucht man Finanzmittel." Er habe sich geschworen, keine Anträge, keine Berichte, keine Abrechnungen im Ruhestand zu schreiben. Statt neue Quellen zu generieren, wolle er die vorhandenen sichten, zusammenfassen und wenn möglich neue Schlüsse ziehen. Dafür seien auch schon Buchprojekte in Planung.
Zudem sei er ja ehrenamtlich auch noch Präsident des Kulturerbe-Netzwerks "Europa Nostra" mit Büros in Den Haag und Brüssel. "Die sagen auch schon, jetzt hast du endlich mehr Zeit für uns", so Parzinger. "Aber man muss auch aufpassen, dass man sich nicht von lauter Ehrenämtern überschütten lässt und am Ende genauso gestresst ist wie im offiziellen Amt."
Sendung: rbb24 Abendschau, 25.05.2025, 19:30 Uhr