
Berlin Wie sich Rechtsextreme in der Gaming-Szene ausbreiten
Rassistische Nachrichten im Voice-Chat, Hakenkreuze in Gaming-Gruppen oder nachspielbare rechtsextreme Attentate auf Plattformen wie Roblox. Was Videospiele für rechte Netzwerke so interessant macht. Von Laurence Thio
Auf der Gaming-Plattform Steam ist Adolf Hitler immer noch ein Idol – mehr als 65.000 Nutzerinnen und Nutzer haben sich nach ihm benannt. Auch die Waffen-SS ist zahlreich vertreten, durch Zusatzprogramme kann man sie zum Beispiel gegen alliierte Truppen in Strategie-Games spielen.
Auch auf Roblox tummeln sich Rechtsextremisten. Auf der Spieleplattform können Nutzerinnen und Nutzer selbst kleine Spiele erstellen. In niedlicher Pixel-Optik konnte man hier für eine Zeit das Attentat von Halle nachspielen. Inzwischen ist das Spiel gelöscht.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das sind drastische, aber nicht besonders weit verbreitete Beispiele, wie Rechtsextremisten auf Gaming-Plattformen und in Videospielen unterwegs sind. Geschätzt zocken mehr als drei Milliarden Menschen weltweit regelmäßig, es gibt viele verschiedene Gaming-Communities. Im Vordergrund steht das gemeinsame Zocken ohne Rassismus und Hass. Gleichzeitig gibt es aber auch eine kleine rechte Subkultur innerhalb der Gaming-Szene.

Wissenschaftler sieht schleichende Normalisierung
Mit ihr beschäftigt sich der Medienwissenschaftler Matthias Heider. Unter dem Titel "Sie wollen doch nur spielen - wie Rechtsextreme eure Lieblingsgames unterwandern" hat er dazu auf der Tincon einen Vortrag gehalten. Die Konferenz, die parallel zur Republica in Berlin-Kreuzberg stattfindet und von zwei Gründern der Digitalmesse mitinitiiert wurde, beschäftigt sich mit digitaler Jugendkultur, mehrere hundert Jugendliche und Erwachsene sind zu Heiders Vortrag gekommen.
"Radikalisierung im Gaming läuft nicht ab wie: Ich sehe einen Inhalt, zum Beispiel ein Hakenkreuz, oder einen rassistischen Inhalt und werde automatisch selbst rechtsextrem oder Rassist", erklärt Heider. Es gehe vielmehr darum, dass sich diese Inhalte schleichend normalisieren würden. Gamerinnen und Gamer würden das so häufig sehen, dass sie sich gar nicht mehr darüber wundern würden. Als Matthias Heider ins Publikum fragt, wie vielen schon Rassismus, Sexismus oder rechtsextreme Inhalte beim Gamen begegnet sind, gehen viele Arme im Publikum nach oben.
Kindern und Jugendlichen begegne Rechtsextremismus in Spielen meistens von anderen Gamern über den Voice-Chat, über den In-Game-Chat oder auf sogenannten Gaming-nahen Plattformen, hat Heider festgestellt. Er beobachtet rechtsextreme Äußerungen im Gaming oft in Form von Beleidigungen. Besonders aggressives Verhalten würden auch Gamer und Gamerinnen erleben, die ihre Spiele streamen oder Streamer, die nicht weiß seien. "Da haben wir rassistische und sexistische Äußerungen", sagt Heider. Mitunter würden auch sogenannte "hate raids" organisiert, also geplante Angriffe auf Live-Streamerinnen und -Streamer, bei denen sie diese mit Hassnachrichten überschütten.
Karl Lauterbach als Monster dargestellt
Darüber hinaus versucht aber auch die rechtsextreme Szene das Gaming für sich zu nutzen: Es gibt Spielestudios, die zum Beispiel der rechtsextremen Identitären Bewegung nahestehen. Sie bringen selbst programmierte Spiele heraus. In einem Jump'n'Run-Spiel aus dem vergangenen Jahr muss das Heimatland verteidigt werden, der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird als "Impfanbeterin" dargestellt, ein Monster mit Spritzen, das bekämpft werden muss. Es gibt viele weitere rechtsextreme, antisemitische und homofeindliche Bezüge im Spiel.
Besonders erfolgreich seien solche Games aber nicht, sagt Medienwissenschaftler Heider. "Die Spiele, die von Rechtsextremen programmiert werden, die sind eigentlich ein Flop. Die werden von so wenigen Leuten gespielt, das ist mehr eine Medienkampagne."
Auch die Junge Alternative, die inzwischen aufgelöste Jugendorganisation der AfD, hat versucht bei jungen Wählerinnen und Wählern mit dem Thema Gaming zu punkten: Im Wahlwerbespot zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist ein Gamer zu sehen. Dazu die Stimme aus dem Off: "Gaming ist einfach nicht mehr das, was es mal war. Einmal das falsche Wort im Voice-Chat gedroppt und du wirst gesperrt. Gaming ohne Zensur? Ja!"
Gerade die Entwicklung in den USA, weg von Moderation, weg von Fact-Checking und hin zu Hass auf den Plattformen, das sehe ich schon mit großer Sorge.
Gamer und Gamerinnen fordern Vielfalt ein
Ein neues Phänomen sind rechtsextreme Inhalte in Videospielen nicht: Bereits in den 1980er und 1990er Jahren gab es Games, in denen man als männlicher weißer Spieler gefesselte indigene Frauen vergewaltigen oder beispielsweise als KZ-Manager die Verwaltung eines Konzentrationslagers übernehmen konnte. Auch damals waren das extreme und nicht besonders erfolgreiche Videospiele. Die aber stattfinden konnten, weil in dieser Branche über Jahrzehnte in vielen Fällen rassistische und sexistische Klischees in Videospielen reproduziert wurden.
Doch das ändert sich, die Debatte um Repräsentation wird auch im Gaming geführt: Spielerinnen und Spieler fordern immer häufiger, dass ihre Vielfalt, was Alter, Geschlecht, Nationalität, Religion sowie sexuelle Orientierung und Identität betrifft, auch in Videospielen sichtbar wird. Genau dagegen wehren sich aber Rechtsextreme, Rassisten und Antifeministen und versuchen, die Debatten für sich zu instrumentalisieren.
"Hass wahrnehmen und melden"
Matthias Heider sieht die Plattformen in der Verantwortung, die müssten viel stärker gegen rechtsextreme Inhalte vorgehen. Doch die meisten stammen aus den USA, viel Hoffnung habe er deshalb nicht: "Gerade die Entwicklung in den USA, weg von Moderation, weg von Fact-Checking, Content-Management und hin zu unmoderierten Äußerungen von Meinungen und auch von Hass auf den Plattformen, das sehe ich schon mit großer Sorge", sagt der Medienwissenschaftler.
Ähnlich sieht das auch Mick Prinz von der Amadeu Antonio Stiftung. Er beschäftigt sich seit Langem mit Gaming und Rechtsextremismus und setzt auf die Community: "Viele Spielerinnen und Spieler gucken immer noch weg, wenn ihnen Hass und Hetze begegnet und da empfehle ich definitiv, diesen Hass nicht zu ignorieren, sondern ihn wahrzunehmen und ihn zu melden und nicht zu einer Normalisierung beizutragen."
Eine Strategie, die nicht nur in der digitalen Welt funktionieren kann, sondern auch in der realen Welt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.05.2025, 19:30 Uhr