Archivbild: Blick vom Berliner Fernsehturm auf die City Ost am Alexanderplatz in Richtung West: Berliner Dom und Museumsinsel. (Quelle: imago images/Weisflog)

Berlin 200 Jahre Kultur unter Demokraten, Königen, Kaisern und Kommunisten

Stand: 30.05.2025 09:00 Uhr

Die Museumsinsel zeigt, wie vielschichtig die Berliner Geschichte ist. Vom Sumpfland wurde sie zu einem kulturellen Zentrum von Preußen, Nazis und Kommunisten. Später ringt die bundesdeutsche Demokratie um die Inselarchitektur. Von Julian von Bülow

200 Jahre Kultur auf der Museumsinsel feiert die Hauptstadt ab dem Wochenende. Dieser kleine Flecken Land an der Spree konzentriert wie kaum ein anderer in Deutschland Kulturschätze. Dazu gibt es von Freitag bis Sonntag in den Museen und drumherum wieder das Inselfest mit Theater- und Oper-Darbietungen, Konzerten, Führungen und Workshops.
 
Doch die Geschichte der Insel spiegelt auch die ihrer Umgebung wieder: die Machtverhältnisse, das Selbstverständnis und der Wert der Kultur innerhalb der Gesellschaft. Sie zeigt exemplarisch, wie die gesellschaftlichen Brüche die Museumsgeschichte prägten, wie nach Jahrzehnten alte Pläne wiederaufgegriffen werden und wie umkämpft diese sein können.

Archivfoto / Berlin: Blick auf die Statuen von Karl Marx und Friedrich Engels am 10.04.1991.(Quelle:picture alliance/Zentralbild/H.Link)
Längst abgerissen - aber gestritten wird bis heute
Für die DDR-Führung war der Palast der Republik ein Prestige-Objekt, für viele Bürger Teil ihres Alltags. Im Westen blickte man eher ideologisch auf das Gebäude. Die Diskussion um den Abriss hat in drei Jahrzehnten nie aufgehört. Von Julian von Bülowmehr

Museen, Schlösser und Paläste als Spiegel von Monarchie, Diktatur und Demokratie

Museen sollen uns die Vielfalt und Geschichte der Welt näherbringen: Die Kultur der Ägypter, Römer und Griechen, die Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts oder Kunst aus Afrika und Asien.
 
Doch wie die Museen das tun, wer sie errichtet und zu welchem Zweck, zeigte stets die Machtverteilung in der Gesellschaft. Im Königreich Preußen auf ehemaligem Sumpf errichtet, im Kaiserreich und der Weimarer Republik erweitert, während der Nazizeit großgermanisch neu geplant und teils zerstört, im geteilten Berlin zum Teil vernachlässigt, dann wiedervereinigt saniert.
 
Seit dem Zweiten Weltkrieg kamen und gingen Gebäude, so das von der DDR gesprengte Stadtschloss, der von ihr errichtete und von der BRD abgerissene Palast der Republik, auf dessen Platz das umstrittene Humboldt-Forum errichtet wurde. Auch die Sanierung des Neuen Museums und Schaffung der James-Simon-Galerie jeweils durch Architekten David Chipperfield wurden von Protest begleitet.

Blick auf das angeleuchtete Humboldt-Forum in Berlin (Quelle: picture-alliance/elxeneize/Shotshop)
"Irgendwie spürt man, dass das Fake-Architektur ist"
Mit der Ausstellung über den Palast der Republik im Humboldt-Forum kommt wieder die Frage auf: Werden Städte schöner, wenn zerstörte Gebäude wieder aufgebaut werden? Architekturkritiker Falk Jaeger sagt: Konzentrieren wir uns auf die Gegenwart.mehr

Vom Sumpfland zum preußischen Schaufenster

Die Geschichte der Museumsinsel beginnt als Eiland zwischen den damals noch separaten Städten Berlin und Cölln an der Spree. Der Nordteil der Insel war damals noch Sumpfland, das erst durch den Bau des Kupfergrabens nutzbar wurde. 1810 fasst der preußische König Friedrich Wilhelm III. den Beschluss, ein Gebäude für eine öffentlich zugängliche Kunstsammlung zu errichten. Von der Idee zur Umsetzung durch Architekt Karl Friedrich Schinkel dauerte es 15 Jahre, 1825 wurde der Grundstein für das königliche Museum (heute: Altes Museum) gelegt, daher die 200-Jahr-Feier.
 
Weil die königliche Kunstsammlung schnell wuchs, habe König Friedrich Wilhelm IV. 1841 den gesamten nördlichen Teil der Spreeinsel hinter dem Alten Museum zur "Freistätte für Kunst und Wissenschaft" bestimmt, wie es vom Verband der staatlichen Museen Berlins heißt. So folgte 1855 die Fertigstellung des Neuen Museums, 1876 im Deutschen Reich dann die im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. geplante Nationalgalerie (heute: Alte Nationalgalerie), 1904 im Norden der Insel das Kaiser-Friedrich-Museum (heute: Bode-Museum) und während der Weimarer Republik 1930 das bereits vom Kaiser beauftragte Pergamon-Museum. Treibendes Motiv war im 19. Jahrhundert das Streben preußischer Reformer, den Militär- in einen Kulturstaat zu verwandeln, so der Museumsverbund.

Symbol preußischer Macht und demokratischer Anfänge

Der Ort ist nicht zufällig gewählt, steht doch schon seit 1443 auf der Südseite der Insel das Stadtschloss gegenüber, erbaut vom Brandenburgischen Kurfürsten Friedrich II. Über die Zeit wurde es zum Repräsentationsobjekt der preußischen Herrscher, ein Gebäude-Ensemble zur Zurschaustellung der Macht.
 
Doch gleichzeitig ist es Symbol demokratischer Aufbrüche: 1848 demonstrieren auf dem Schlossplatz im Rahmen der Märzrevolution Bürger für Grundrechte, ein Jahr später wird im Schloss der Preußische Landtag gegründet - erstmals ein verfassungsbasiertes Parlament in Preußen. Jahrzehnte später macht Kaiser Wilhelm II. das Schloss zu seinem Zuhause und ruft zu Beginn des Ersten Weltkrieges vom Schlossbalkon, er kenne keine Parteien mehr, noch nur Deutsche. 1918 steht Karl-Liebknecht wenige Meter unter dem Balkon und ruft die sozialistische Republik aus. Die wird nicht verwirklicht, aber das Schloss dient immerhin zeitweise als Museum, berichtet die Bundeszentrale für politische Bildung [bpb.de].

Noch heutige Werke aus Berliner Sammlungen in Russland

Die Nazis pervertierten das preußische Kulturstaatsverständnis. Viele Kunstwerke wurden als "entartet" aus den Museen verkauft oder vernichtet. Zudem planten die Nationalsozialisten auf der Museumsinsel neue große Bauten, zu deren Bau es aber nicht mehr kam. Stattdessen wurden viele Kunstschätze aus der Reichshauptstadt abtransportiert, um sie vor Bomben der Alliierten in Sicherheit zu bringen. So wurde laut staatlichem Museumsverbund etwa die Sammlung der Alten Nationalgalerie in Salz- und Kalibergwerken in Niedersachsen und Thüringen versteckt.
 
Als die Rote Armee den Ostteil Deutschlands besetzte, beschlagnahmte sie viele Sammlungen und transportiert sie in die Sowjetunion, so der Museumsverband. Trotz der Rückgabe von 1,5 Millionen Kunstwerken im Jahr 1958 an die DDR befinden sich den Angaben zufolge noch immer Kernbestandteile der Berliner Sammlungen im heutigen Russland.

Hermann Parzinger vor dem Ischtar-Tor im Pergamonmuseum am 20.03.2025. (Quelle: picture alliance/epd/Christian Ditsch)
"Als ich anfing, standen noch die Reste des Palasts der Republik"
17 Jahre war Hermann Parzinger Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie gab in seiner Amtszeit Raubkunst zurück, baute große Museen und wurde reformiert. Doch in die Zukunft blickt der scheidende Chef mit Sorge. Von Julian von Bülowmehr

Nofretes Familie zwischen Ost- und Westberlin getrennt

Die Gebäude auf der Museumsinsel wurden in den letzten Kriegsjahren stark beschädigt, etwa brannte das prächtige Treppenhaus des Neuen Museums aus. Und wo heute das Humboldtforum als weiteres Element der Museumsinsel steht, stand nach dem Krieg noch das Stadtschloss. Laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestages [bundestag.de] wurde das Gebäude durch Bombentreffer 1944 und 1945 erheblich beschädigt. Den Angaben zufolge wurde das Schloss noch bis 1948 für Ausstellungen genutzt und hätte mit geringen Mitteln erhalten werden können. "Doch der Schlossbau galt dem kommunistischen Regime als Symbol des preußischen Absolutismus und als Inbegriff eines feudalen Repräsentativbaus", so der wissenschaftliche Dienst. Trotz Protest namhafter Architekten, Denkmalschützern und Wissenschaftlern wird das Schloss 1950 auf Beschluss der SED gesprengt. Ab Mai 1951 wurde das Gelände als Aufmarschplatz verwendet, ehe der 1973 mit dem Palast der Republik bebaut wurde. Er beherbergte wiederum die Volkskammer der DDR.
 
In Westdeutschland beschließt derweil 1957 der Bundestag die Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Einer ihrer Aufträge ist es, die verstreuten Kulturgüter in den staatlichen Museen zusammenzuführen. Eine große Herausforderung ist dabei die Spaltung Deutschlands in Ost und West, die mit dem Mauerbau auch die museale Trennung der Hauptstadt zementiert. So lagerte etwa die Skulptur der Nofretete im Ägyptischen Museum in Charlottenburg, die ihres Mannes Echnaton und ihrer Kinder im Bode-Museum in Ostberlin. Jenes und sowie die anderen Museumsgebäude der Insel werden von der DDR gepflegt, doch das stark beschädigte Neue Museum verfällt zusehends. Erst im September 1989 wird der Grundstein für die Sanierung des Gebäudes gelegt.

Wie nach den Boxeraufständen chinesische Beutestücke nach Berlin kamen. Boxeraufstand, 1901 (Quelle: IMAGO)
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Herabfallende Schieferplatten zerschlagen Glasdächer

Mit dem Fall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung 1990 ergeben sich bei der Stadtentwicklung ganz neue Möglichkeiten. Die Museumsinsel bietet sich als Bundesdeutsches Kulturzentrum an, Politik und Kultur hoffen auf Touristen aus aller Welt, jedoch müssen dafür erst Millionen D-Mark investiert werden - allein für den Erhalt der bestehenden Substanz.
 
Was das heißt? Im Neuen Museum fehlen ganze Stockwerke, das Fundament ist instabil, weil die tragenden Holzstelen im Boden vermodert sind. Die Nägel im Schieferdach der großen Kuppel sind durchgerostet. Nun zerschlagen herabfallende Schieferplatten Glasdächer und gefährden vorbeifahrende Schiffe. Gleichzeitig breiten sich in der Fassade der Alten Nationalgalerie große Risse aus.
 
Wie teuer, originalgetreu oder modern soll die Museumsinsel instandgesetzt werden? Darüber sind sich Politik und Stiftung Preußischer Kulturbesitz anfangs nicht einig. Ein Architekturwettbewerb soll Ideen liefern. Die Jury kürt den italienischen Architekten Giorgio Grassi zum Sieger. Doch seine Pläne werden wieder verworfen, stattdessen soll ab 1997 David Chipperfield die Museumsinsel restaurieren.

Archivbild: Eine Fahrt mit dem Schlauchboot durch den gefluteten Palast der Republik in Berlin unternehmen am 03.09.2004 die ersten Besucher. Im unteren Foyer des ehemaligen Sitzes der DDR-Volkskammer entstand ein Labyrinth aus Wasserwegen. Besucher können mit Schlauchbooten durch die 30 Zentimeter tiefen und mit 250.000 Litern Wasser gefüllten Becken fahren und sich an knapp 150 künstlerischen Fassaden erfreuen. (Quelle: dpa/Woitas)

2004 können Besucher per Schlauchboot durch den gefluteten Palast der Republik fahren und sich an knapp 150 künstlerischen Fassaden erfreuen.

Museumsinsel-Puristen scheitern

Parallel zur Debatte um die Museen wird auch über die Bauwerke auf der anderen Straßenseite diskutiert. Denn 1990 wird der Palast der Republik wegen Asbestbelastung geschlossen, 1993 sein Abriss besiegelt. Der neu gegründete Förderverein zur Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses sieht seine Chance gekommen: Nachdem die Kommunisten das Preußenschloß sprengten, könnte doch nun die demokratische Gesellschaft die Preußenarchitektur wiederaufbauen. "Die Debatte um den Palast der Republik ist seitdem geprägt gewesen von eher historisierend argumentierenden Personen, die das historische Bild Berlins wiederherstellen wollten. Auf der anderen Seite waren Menschen, die diese Wiederherstellung als nicht zeitgemäß empfinden und nicht daran glaubten, dass man damit ein historisches Bild wiederherstellen kann", sagt Elke Neumann. Sie kuratierte 2019 eine Ausstellung zum Palast der Republik.
 
Ähnlich läuft es einige Jahre später auf der Nordseite der Insel: Architekt David Chipperfield und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz setzen auf die "ehrliche Restaurierung" des Neuen Museums, bei der nicht versucht wird, alles orginalgetreut nachzubauen, sondern das Neue als neu sichtbar zu lassen. Zudem soll ein Besucherzentrum entstehen: die James-Simon-Galerie. Dagegen wehrt sich 2007 die Bürgerinitiative "Museuminsel retten", die möglichst den baulichen Zustand von 1930 anstrebt. Sie kämpfen für ein Bürgerbegehren, mit prominenter Unterstützung von Günther Jauch. Am Ende erfolglos. 2009 eröffnet das renovierte Neue Museum, 2019 dann die James-Simon-Galerie.

Archivbild: Zwei Masken der indigenen Gemeinschaft der Kogi aus der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien aus dem Bestand des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin liegen vor Beginn der Übergabezeremonie in einem Saal im Schloss Bellevue am 16.06.2023.(Quelle: dpa/Carsten Koall)
Preußen-Stiftung plant Rückgabe weiterer Objekte an Kolumbien
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Kommunistischer Prachtbau muss preußischem Prachtbau weichen

Auch diejenigen, die den Erhalt des Palasts der Republik forderten, erzielen keinen Erfolg. 1998 wird der Asbest entfernt, anschließend kommt es zur Zwischennutzung des Rohbaus. Doch 2007 fällt der Bundestag den Beschluss, das Humboldt-Forum dort zu bauen. Ein Jahr später ist auch der Rest des einstigen sozialistischen Prachtbaus Geschichte, der Weg für neue alte Stadtschloss frei. Das feiert die Berliner Landesregierung: "Kulturpolitisch hat das eine Bedeutung wie die Gründung der Museumsinsel im 19. Jahrhundert", sagte damals André Schmitz (SPD), der Berliner Staatssekretär für Kultur. Für einen der Architekten des Palasts, Wolf-Rüdiger Eisentraut, ist es hingegen schmerzhaft: "Die obsiegende Gesellschaft hat den kulturellen Wert der Unterlegenen vernichtet", sagt er.
 
Bevor das Humboldt-Forum 2020 eröffnet wurde, gingen die Diskussionen um das Schloss weiter, denn dort sollen vor allem ethnologische Objekte und asiatische Kunst gezeigt werden, die häufig aus der Kolonialzeit stammten. Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen sagte 2019 im rbb-Interview über das Humboldt-Forum: "Wir sind nicht der Auffassung, dass es ein geeigneter Versuch war, hier mit der kolonialen Vergangenheit zu brechen, also deutlich zu machen: Ist Berlin überhaupt rechtmäßige Besitzerin ihrer Sammlungsbestände beispielsweise aus dem kolonialen Kontext?"

Die Büste der Königin Nofretete (um 1340 v.Chr) steht im Neuen Museum. (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Petition fordert Rückgabe der Büste der Nofretete an Ägypten
Seit 100 Jahren kann man sie in Berlin sehen und genau so lange wird ihre Rückgabe nach Ägypten gefordert: Die Büste der Nofretete sei "unrechtmäßig" nach Deutschland gelangt, heißt es in einer neuen Petition. Die zuständige Stiftung widerspricht.mehr

Raubkunst-Forschung im Humboldt-Forum

Der damalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, hatte zuvor mitgeteilt, er wolle im Humboldt-Forum mit einem Raum der Stille an das koloniale Unrecht erinnern. Die Stiftung wollte auch die Benin-Bronzen, die aus einem kolonialen Raubzug der Briten stammen, trotz ihrer historischen Belastung zeigen. 2022 verständigte sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz jedoch darauf, die in Berlin befindlichen Bronzen an Nigeria zurückzugeben, den Rechtsnachfolger des ehemaligen afrikanischen Königreiches Benin. Mittlerweile wird im Stadtschloss auch daran gearbeitet, chinesische Raubkunst zurückzugeben.
 
"Es war wichtig, dass wir da auch dazugelernt haben", sagt Hermann Parzinger im rbb-Interview. Natürlich könne man fragen: Ja, aber warum nicht schon früher? "Ja gut, war halt nicht. Aber das Entscheidende ist doch, dass man umdenkt, dass man den richtigen Weg geht."

Sendung: radio 3, 30.05.2025, 07:10 Uhr