
Berlin Brandenburg Warum punktgenaue Wettervorhersagen so schwierig sind
Neuerdings kommt es öfter zu extremen Wetterereignissen. Diese punktgenau vorherzusagen, ist für Meteorologen fast unmöglich - zumindest im Vorfeld. Es sei denn, es handelt sich um "gutartiges" Wetter, sagt einer, der es wissen muss.
rbb|24: Hallo, Herr Staeger, können Sie als Meteorologe mir sagen, wie das Wetter am ersten Juli-Wochenende wird – ich habe eine Einladung zu einer Party.
Tim Staeger: Bis dahin sind es ja noch ein paar Wochen – das kann keiner wirklich vorhersagen. Die normale Reichweite bei Wettervorhersagen geht fünf Tage. Bei gutartigem Wetter – also ruhigem, stabilem Hochdruckwetter – kann das auch noch etwas weitergehen.
Aber die Güte der Wettervorhersage wird mit zunehmendem Blick in die Zukunft schlechter. Pauschal kann man sagen, dass der Blick auf die nächsten 24 Stunden fast sicher ist und bei etwa 95 Prozent liegt. Und das geht dann mit jedem weiteren Tag in die Zukunft runter.
Es hängt aber auch von der Wetterlage ab. Haben wir sehr wechselhaftes Wetter mit vielen Tiefdruckgebieten und Wetterfronten, die durchschwenken, ist es etwas schwieriger. Bei gutartigem Wetter mit stabilen Hochdrucklagen kann man mitunter auch mal einen etwas weiteren Blick in die Zukunft wagen - da steht ja durchaus auch mal für zwei Wochen schönes Wetter an.
Haben Sie wirklich "gutartige Wetterlagen" gesagt?
Ja, darunter fallen gut vorhersagbare Wetterlagen wie stabile Hochdrucklagen. Da ist wenig Bewegung in der Atmosphäre und die Wetterwechsel sind sehr gering. Da ist dann auch mal für zwei Wochen der Ablauf recht klar.
Warum ist es so schwer, das Wetter punktgenau vorherzusagen? Zum Beispiel, wo genau am nächsten Tag der prognostizierte Starkregen oder das Gewitter stattfinden wird.
Gerade diese Gewitterlagen, die wir im Sommerhalbjahr jetzt oft haben, sind schwer greifbar. Das ist wie bei einem Topf Wasser auf dem Herd. Wenn man den anmacht, weiß man, dass irgendwann Luftbläschen aufsteigen werden. Doch man kann die einzelnen Luftbläschen nicht exakt vorhersagen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Gewittern. Man weiß zwar meist schon am Vortag, dass da am Folgetag Gewitter entstehen und kann auch die Region gut eingrenzen. Aber das konkrete einzelne Gewitter ist dann doch immer ein Zufallsprodukt. Wenn es dann wiederum entstanden ist, kann man sehr genau abschätzen, wo es in der nächsten halben Stunde sein wird.
Gibt es neben den gewittrigen noch mehr Wetterlagen, die besonders schwer vorherzusagen sind?
Im Winterhalbjahr kämpfen die Meteorologen oft mit Nebellagen. Das ist auch schwierig, weil es von ganz vielen kleinen Bedingungen abhängt, ob und wann sich ein Nebelfeld ausbreitet – und auch, wann es sich auflöst. Auch das können Wettermodelle nur schwer vorhersehen.
Wir weisen darauf hin, dass es lokale Phänomene sind und es nicht jeden trifft. Das hilft auch, damit die Leute selbst gefordert sind und den Himmel oder auch die Wetter-App mit im Auge behalten.
Wirken sich geografische Besonderheiten – wie größere Seen oder Städte – auf die Prognosegenauigkeit aus?
Ja, vor allem Gebirge. Städtische Wärmeinseln können das Wetter auch beeinflussen. Schadstoffe in der Luft können beispielsweise dazu führen, dass mehr Kondensationskeime in der Atmosphäre über der Stadt sind und dann Regengebiete feinere Tropfen bringen und dadurch beispielsweise Hagelunwetter beeinflusst werden. Manchmal wird ja auch Saharastaub nach Mitteleuropa verfrachtet – auch das kann die Wolkenbildung verändern. Diese Faktoren erschweren die Wettervorhersage.
Wie gehen Sie mit Unsicherheiten in Ihren Vorhersagen um? Wie kommuniziert man solche Wahrscheinlichkeiten?
Man muss darauf hinweisen. Zum Beispiel bei Gewitterlagen, wenn es schwere und damit gefährliche Gewitter geben wird. Da sprechen wir im Vorfeld die Gewittergefahr an – weisen aber darauf hin, dass es lokale Phänomene sind und es nicht jeden trifft. Das hilft auch, damit die Leute selbst gefordert sind und den Himmel oder auch die Wetter-App mit im Auge behalten.
Wenn man zu oft warnt, wird das Messer auch stumpf. Warnen wir zu wenig, könnten Leib und Leben zu Schaden kommen.
In den letzten Jahren sind Extremwetterereignisse auch durch den Klimawandel häufiger geworden. Macht das die Prognose zusätzlich schwieriger?
Es wird dadurch auf jeden Fall wichtiger, vor den Gefahren zu warnen. Die Wettermodelle selber kommen damit ganz gut klar. Doch das Ausmaß, das wir jetzt zum Teil erleben – gerade bei solchen Gewitterlagen, die mehr Energie und quasi auch mehr Wasser mitbringen, kennen wir so nicht aus der Vergangenheit. Darauf stellen wir uns jetzt ein und auch wir Meteorologen müssen die richtigen Warnstufen treffen.
Hinzu kommt: Wenn man zu oft warnt, wird das Messer auch stumpf. Warnen wir zu wenig, könnten Leib und Leben zu Schaden kommen. Das Warnmanagement muss sich jetzt mit den zunehmenden Extremereignissen mitentwickeln.
Bei welchen Warnstufen müssen die Menschen besonders hellhörig werden?
Da geht es um Wind-, Regen- und Hitze-Warnungen – hier gibt es jeweils verschiedene Stufen. Grundsätzlich kann man sagen, wenn die Warnkarten des Wetterdienstes rot oder violett eingefärbt sind, zeigen sie Gefahr oder erhöhte Gefahr.
Bei Wind warnt man vor Orkanstärke, wenn die Windgeschwindigkeit über 120 Kilometer pro Stunde erreicht oder bei Windböen der Stufe 12. Dann ist es eine Unwetterwarnung.
Bei Gewittern warnt man vor Unwettern, sobald heftiger Starkregen oder Hagel mit einer Größe von über drei Zentimeter auftritt.
Bei Regen liegt die Unwetterschwelle bei 25 Litern in einer Stunde oder über 35 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden. Oder bei Dauerregen, wenn mehr als 70 Litern in 12 Stunden oder mehr als 80 Liter in 24 Stunden zusammenkommen.

Das sind die Warnstufen, ab denen man von Unwettern spricht.
Im Winter warnt man auch vor gefrierendem Regen und Glatteis. Und im Sommer gibt es noch die Hitzewarnungen. Da geht es los, wenn die gefühlte Temperatur über 32 Grad liegt. Dann ist die erste Stufe der Wärmebelastung erreicht. Liegt die gefühlte Temperatur bei 38 Grad, handelt es sich um extreme Wärme und damit ist es eine Unwetterwarnung.
Wird sich durch KI, neue Satelliten oder neue Rechenleistungen in den kommenden Jahren noch ganz viel tun in der Wettervorhersage?
Gerade durch KI ist in der letzten Zeit sehr viel Dynamik in die Entwicklung gekommen. Da ist tatsächlich noch viel drin, was möglicherweise jetzt auch noch gar nicht ganz abschätzbar ist. Es könnte sein, dass die Modelle noch präziser und noch weiter in die Zukunft reichen können.
Aber am Ende bleibt das Wetter ein natürliches Phänomen, das man ein chaotisches System nennt. Was eben bedeutet, dass sich Fehler, die zu Beginn sehr gering sind, potenziell aufbauen und irgendwann explodieren. Man kommt da an natürliche Grenzen und auch die KI kann nicht dafür sorgen, dass man wochenlang in die Zukunft schauen kann – das funktioniert schon aus rein theoretischen Gesichtspunkten nicht.
Aber möglicherweise wird man trotzdem noch besser werden – gerade bei den kurzfristigen Warnprognosen. Und es wird sich sicherlich auch sonst noch einiges tun. Aber das Wetter zur Party in vier Wochen kann man wahrscheinlich auch in den kommenden zehn oder zwanzig Jahren nicht vorhersagen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess.
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.06.2025, 14:20 Uhr