
Berlin Jahresbericht: Berliner Verfassungsschutz sieht in islamistischem Terror größte Gefahr
Der Berliner Verfassungsschutzbericht 2024 zeigt: Die Gefahr durch Extremisten wächst. Besonders Islamisten, aber auch Rechtsextreme und Linksextreme radikalisieren sich weiter – oft über soziale Medien. Von Sabine Müller
Der Berliner Verfassungsschutz warnt vor einer weiter steigenden Gefahr durch Extremisten in der Hauptstadt. Laut dem Bericht für 2024, der am Dienstag im Senat vorgestellt wurde, geht die größte Bedrohung für die Innere Sicherheit aktuell von islamistischen Terrororganisationen aus.
Die Zahl der Islamisten in Berlin hat im vergangenen Jahr demnach leicht zugenommen, auf 2.440, das sind 60 mehr als 2023. Leicht gestiegen ist auch die Zahl der gewaltbereiten Anhängerinnen und Anhänger (980). Im Blick der Verfassungsschützer sind dabei Gruppen wie Hamas oder Hizb Allah. "Auffällig ist, dass sich die Radikalisierungsverläufe der Täter – also die Zeitspanne von einem ersten Kontakt mit islamistischem Gedankengut und einer Gewalttat – in den letzten Jahren enorm verkürzt haben", sagte Berlins Verfassungsschutzchef Michael Fischer.
Rechtsextremismus: Neue Jugendkultur im Fokus
Aber der Verfassungsschutz beobachtet nicht nur die Entwicklungen in der islamistischen Szene mit Sorge. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) warnte: "In nahezu allen Phänomenbereichen haben sich Radikalisierungstendenzen verstärkt und verstetigt". Anhängerinnen und Anhänger verschiedener verfassungsfeindlicher Bestrebungen agieren laut Verfassungsschutz "zunehmend provokativ, aggressiv und auch gewalttätig". Das trifft laut Verfassungsschutzchef Fischer auch auf den Rechtsextremismus, den Linksextremismus und den auslandsbezogenen Extremismus zu.
Die Zahl der Rechtsextremisten in Berlin ist im vergangenen Jahr laut Bericht nicht gewachsen, liegt weiter bei 1.450. Teilweise sind die Anhängerinnen und Anhänger in Parteien wie "Der III. Weg" oder "Die Heimat" (früher NPD) organisiert, aber jenseits der etablierten Strukturen hat laut Verfassungsschutz eine neue rechtsextremistische Jugendkultur an Bedeutung gewonnen. So sehr, dass sie seit Neuestem auch Beobachtungsobjekt ist. Als gewaltorientiert werden 790 Rechtsextremisten eingestuft (zehn mehr als im Jahr zuvor).

Linksextremismus: mehr Personen, weniger Gewaltpotential
Am deutlichsten gestiegen ist das Personenpotential dem Bericht zufolge im Linksextremismus. Ihm werden aktuell 3.800 Personen zugerechnet (+100). Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten sank allerdings leicht auf 600. "Bemerkenswert war die Beteiligung von Teilen des linksextremistischen Spektrums an israelfeindlichen Aktionen und Protesten", betonte Innensenatorin Spranger.
Laut Bericht betätigen sich Teile der gewaltorientierten linksextremistischen Szene verstärkt in geheimen Kleinstgruppen. "So begingen 'Öko-Anarchisten' Brandanschläge unter anderem auf kritische Infrastruktur und forderten zur Nachahmung auf."
Kaum Veränderungen gab es 2024 beim auslandsbezogenen Extremismus, der verfassungsfeindliche Bestrebungen von ausländischen Organisationen und ihrer in Deutschland aktiven Strukturen umfasst, die nicht religiös motiviert sind. Der Verfassungsschutzbericht sieht hier 1.680 Personen (zehn mehr als im Jahr zuvor).
Soziale Medien als Brandbeschleuniger
Eine "Schlüsselrolle" bei der Radikalisierung von Extremisten spielen laut Innensenatorin Spranger die sozialen Medien. Unter anderem habe israelfeindliche und antisemitische Propaganda und Hetze, die seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 "massiv" im Internet verbreitet wird, mindestens mittelbar dazu beigetragen, dass sich Teile der anti-israelischen Szene in Berlin im vergangenen Jahr spürbar radikalisiert haben.
Auch junge und gewaltaffine Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten treten nach Beobachtungen des Verfassungsschutzes seit dem Sommer 2024 verstärkt in sozialen Netzwerken auf und verabreden sich zu Aktionen, wie etwa Störungen von Veranstaltungen zum Christopher-Street-Day, dem queeren Fest-, Gedenk- und Demonstrationstag. Im Bericht heißt es: "In virtuellen Gruppen in Sozialen Medien werden gezielt Jugendliche und junge Erwachsene in Kontakt mit der rechtsextremistischen Ideologie gebracht und für realweltliche Aktionen mobilisiert."
Weil Homophobie, Queer- und Transfeindlichkeit nicht nur im rechtsextremistischen Spektrum zugenommen haben, gibt es dazu erstmals ein Sonderkapitel im Verfassungsschutzbericht 2024.
Hybride Bedrohung aus dem Ausland
Ein weiteres wichtiges Thema: Die Gefahr durch Verfassungsfeinde aus dem Ausland. "Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die Bedrohung durch Spionage- und auch Sabotageaktivitäten spürbar zugenommen", sagte Innensenatorin Spranger. Die russischen Nachrichtendienste nutzten verschiedene Aktionsformen, um die Gesellschaft zu destabilisieren.
Verfassungsschutz-Chef Michael Fischer sprach von einem "hybriden Bedrohungsszenario". Dazu zählte er neben klassischen Spionageaktivitäten auch Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und auch die mögliche Störung und Schädigung von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur. "Wir müssen damit rechnen, dass uns diese Bedrohungen auch zukünftig stark beschäftigen werden", so Fischer.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.05.2025, 13:30 Uhr