
Bayern Von Freilassing bis Flixbus: Wer die Grenzkontrollen spürt
Was bringt der Kontrollaufwand an Bayerns Grenzen, der seit gut zwei Wochen durchgeführt wird? Während Zurückweisungen steigen, klagen Freilassinger Pendler über Staus – und "Flixbus" fordert Passkontrollen an den Bushaltestellen statt der Grenze.
Genervt lehnt ein Busfahrer um 7.30 Uhr morgens am Münchner Busbahnhof an seinem Bus. Die verschärften Grenzkontrollen durchkreuzen oft seinen Zeitplan. "Ich weiß nicht, warum man es macht. Zeit ist Geld", sagt er.
Flixbus fordert Passkontrollen wie an Flughäfen
Für Busunternehmer wie Flixbus bedeuten die Passkontrollen mehr Aufwand. Um die Wartezeiten an den Grenzen kurzzuhalten, überprüfen sie schon seit längerem selbst vor der Abfahrt die Pässe bei Fahrgästen, die ins Ausland fahren. Flixbus würde in der Hinsicht eine engere Zusammenarbeit mit den Behörden begrüßen. Und zwar durch deren Präsenz nicht nur an den Grenzen, sondern auch an den Busbahnhöfen so wie es an Flughäfen der Fall ist, teilte das Unternehmen mit. Es stehe dafür in Kontakt mit den Behörden.
Kontrollen auch mitten in Deutschland
Kontrollen an den Grenzen sind viele Busreisende mittlerweile gewöhnt. Doch nicht mehr nur an den Grenzübertritten erlebe sie Kontrollen, sondern auch mitten in der Bundesrepublik – etwa zwischen Berlin und München, erzählt eine Studentin: "Es war mitten in der Nacht um halb eins und recht überfallartig, als ich gerade eingeschlafen war. Es ging schnell und niemand wurde rausgezogen. Aber ich hab auch schon zweimal erlebt, dass Menschen nicht weiterfahren durften."
Manche verspüren Unwohlsein, andere finden Kontrollen gut
Viele Reisende berichten, dass sie häufiger nachts als tagsüber kontrolliert werden, und an den großen Grenzübergängen eher als an kleinen. Dort setzt die Polizei auf Schleierfahndung, also Polizisten in Zivil. Oder auf Pop-up-Grenzkontrollen mit Hubschraubern – wie derzeit an der Grenze zu Tschechien.
Die Akzeptanz der Kontrollen in der Bevölkerung ist unterschiedlich. "Ich hab mich sehr unwohl gefühlt damit, ich fand es sehr seltsam", sagt eine Studentin. "Ich hab damit kein Problem, finde sie sogar gut", sagt ein Student, der viel zwischen Bonn und Tegernsee unterwegs ist. Einer Umfrage zufolge sind die Deutschen gespalten, ob die verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen Wirkung entfalten. Dass durch die Kontrollen deutlich weniger Asylsuchende und Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden, erwarten 51 Prozent der im neuen ZDF-Politbarometer Befragten. 47 Prozent zweifeln an der Wirksamkeit der Maßnahme.
Kontrolle teils auch abhängig von äußerlichen Merkmalen
Am Münchner Hauptbahnhof kommt der Zug "Alex" mittags aus Prag an. Auch hier gibt es schon länger regelmäßige Kontrollen, erzählt eine junge Frau mit blonden Haaren. "An mir sind sie vorbeigegangen", sagt sie. Ob man kontrolliert wird oder nicht, hänge auch von äußerlichen Merkmalen ab, berichten viele Reisende.
Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher der Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl", war an der Grenze zu Polen und am Hauptbahnhof in Frankfurt Oder. Dort hat er mehrere Fälle von "Racial Profiling" beobachtet – als solche wird eine diskriminierende Überwachung oder Verdächtigung von Personen allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Hautfarbe bezeichnet.
Er kritisiert zudem die Zurückweisungen der Schutzsuchenden und verweist darauf, dass sie europarechtswidrig sind. "Es muss jemanden geben, der die Menschenrechte achtet, wenn nicht Deutschland, wer dann?", sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk(externer Link).
Kritiker bezweifeln die Wirksamkeit der Kontrollen
45 Prozent mehr Zurückweisungen im Vergleich zur Vorwoche, bilanzierte Innenminister Alexander Dobrindt in der ersten Woche nach der Verschärfung der Kontrollen. Tritt der Domino-Effekt ein? Ja selbstverständlich, sagt Heiko Teggatz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im Gespräch mit BR24. Auch Österreich habe seine Grenzkontrollen nach Slowenien und Ungarn verstärkt und verlängert.
Stau und Umsatzeinbußen in Freilassing
Kritiker bezweifeln, dass Kontrollen etwas bringen – denn wer will, kann über die "Grüne Grenze", also den Weg durch Wald und Wiesen wählen. Und selbst bei den Kontrollpunkten bezweifeln manche die Wirksamkeit, etwa an der Saalachbrücke zwischen Freilassing und Salzburg. Dort steht die Polizei zwar an der Bundesstraße, gleich nebenan ist aber eine Fußgängerbrücke, über die man laut Augenzeugen unkontrolliert spazieren kann. "Ich halte es für Show", sagt Anni Klinger vom Freilassinger Wirtschaftsforum. "Freilassing ist der Leidtragende."
Pendler stünden zur Rush Hour mittlerweile bis zu eineinhalb Stunden im Stau, sagt Klinger. Auch Einzelhändler spürten die Kontrollen dahingehend, dass weniger Menschen in die Innenstadt fahren: In einigen Geschäften gäbe es 20 Prozent Umsatzrückgang seit dem 7. Mai.
Kontrollen auf Bayerns Autobahnen spürbar
An den Autobahnen gehören stichprobenartige Grenzkontrollen schon länger zum Alltag. Dem ADAC zufolge kommt es je nach Verkehrslage bei den Autobahnübergängen regelmäßig zu Staus, etwa auf der A3 von Linz nach Passau oder der A93 von Kufstein nach Rosenheim. Dort mussten Einreisende in Spitzenzeiten eine halbe Stunde oder länger warten. Das könnte künftig mehr werden, schreibt der ADAC, vor allem in Ferienzeiten.
Dieser Artikel ist erstmals am 23. Mai 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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Quelle: Thema des Tages 23.05.2025 - 07:20 Uhr