
Bayern Pädokriminellen auf der Spur: "Am schlimmsten ist der Ton"
Immer im Morgengrauen rücken Denise Rittel und Ahu Thoma aus. Sie fahnden nach Männern, die Kinderpornografie besitzen, verbreiten – und womöglich sogar Kinder missbrauchen. Wie sie diese Arbeit ertragen – und welche Folgen das für die Psyche hat.
Als es dämmert, biegen Denise Rittel und Ahu Thoma in eine Seitengasse eine. Nur die Schutzwesten unter ihren Jacken lassen erahnen, dass hier zwei Polizistinnen unterwegs sind. "Die sind zu unserem Schutz. Wir gehen ja gleich in die Wohnung unseres Verdächtigen und wissen nicht, was uns erwartet", erklärt Thoma. Sie sind in Augsburg einem Mann auf der Spur, der große Mengen an kinderpornografischem Material verbreiten soll.
Die Ermittlerinnen rücken immer in aller Früh aus, um die Verdächtigen zuhause anzutreffen. Samt ihren Handys, auf denen sich oft viele Missbrauchsdarstellungen finden. Wenn sie klingeln, muss es schnell gehen. Die Verdächtigen sollen keine Möglichkeit haben, noch Bilder oder Videos zu löschen. Manche verstecken ihre Datenträger oder werfen sie aus dem Fenster. "Aber wenn wir rein wollen, dann gehen wir auch rein", sagt Denise Rittel. "Wir haben auch schon Fenster eingeschlagen."
Am schlimmsten sind die Tonspuren
Die Arbeit hat enorm zugenommen. Bundesweit gab es vergangenes Jahr 42.854 Fälle. Zehn Jahre zuvor waren es noch 6.603. Und auch die Datenmenge explodiert. "Einmal hatte jemand zwölf Terabyte kinderpornografisches Material. Zur Einordnung: Ein Terabyte sind 1.000 Gigabyte", sagt Rittel. Mehr als 100.000 Bilder und Videos, nur in einem Fall.
Was die Ermittlerinnen sicherstellen, bewerten sie anschließend im Büro. Dabei geht es auch darum, Missbrauch zu unterbinden. "Wenn wir Videos finden, auf denen der Verdächtige selbst zu sehen ist, sind wir alarmiert", sagt Rittel. "Am schlimmsten sind die Tonspuren", sagt Thoma. "Wenn die Kinder Schmerzen haben, dann äußern die das natürlich auch." Immer wieder muss sie beim Sichten Pausen einlegen.
"Das Täterbild wird in das private Umfeld mit reingezogen"
Was so eine Arbeit mit der Psyche macht, sei noch gar nicht richtig erforscht, warnt nun der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Umso wichtiger sind Gesprächsangebote. Unter Kollegen. Aber auch mit Sozialpädagogen wie Martin Poloczek vom Sozialen Dienst des Polizeipräsidiums Schwaben Nord.
"Das Täterbild wird in das private Umfeld mit reingezogen", erklärt Poloczek. "Man ertappt sich, wie man im eigenen sozialen Umfeld mögliche Täter sieht. Gehört die Hand da hin? Umarmt der Opa das Kind ungewöhnlich innig?" Das sind Fragen, die sich andere so nicht stellen, bestätigt Kommissarin Rittel.
Warum die Sinnfrage so wichtig ist
Poloczek arbeitet gerade an einem Präventionsprojekt für alle bayerischen Präsidien. "Es hilft sehr, wenn die Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit als sinnstiftend sehen. Weil sie durch ihre Arbeit dazu beitragen können, dass ein Verbrechen an einem Kind nicht weitergeführt wird."
Neben den psychischen Aspekten beschäftigen die Ermittler aber auch bürokratische Hürden. Etwa Fotos, die eigentlich keinen sexuellen Inhalt haben, aber qua Gesetz dennoch kinderpornografischen Inhalt zeigen. Auf Facebook oder in den Chatgruppen von Jugendlichen werden sie tausendfach geteilt.
Als Beispiel zeigt Denise Rittel ein Bild eines Mannes am Strand. Im Hintergrund – kaum zu erkennen – legt sich ein offenbar nacktes Kind über ein anderes. "Allein deswegen sind wir bestimmt 50 Mal ausgerückt", sagt Thoma. "Das hindert uns daran, den relevanten Fällen nachzugehen. Immerhin wurde zumindest dieses Bild von Gerichten nun als unbedenklich eingestuft.
"Die Polizei, öffnen Sie bitte die Tür"
Zudem hoffen die beiden Ermittlerinnen, dass die neue Bundesregierung wie angekündigt die Vorratsdatenspeicherung wieder einführt. Das würde in etlichen Fällen helfen, die Täter hinter gemeldeten IP-Adressen ausfindig zu machen, sagt Rittel.
Zurück zum aktuellen Fall: Rittel klopft an die Wohnungstür. "Die Polizei, öffnen Sie bitte die Tür", ruft sie. Der Verdächtige öffnet. Gut eine Stunde dauert die Durchsuchung. Dann kommen die Polizistinnen hinaus, in einer Wanne ein Rechner, zwei Handys und ein Tablet. "Der Mann hat gesagt, dass es ja nicht seine Kinder sind, dass er ja nichts macht. Wir haben ihm dann erklärt, dass jedes Bild den sexuellen Missbrauch von einem Kind darstellt, dass es echte Kinder sind, die da angegangen werden. Da fehlt die Einsicht bei vielen", sagt Thoma.
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Quelle: Mittags in Schwaben 22.05.2025 - 12:05 Uhr