Häuser in Stuttgart.

Baden-Württemberg Über 1,4 Millionen Einsprüche gegen neue Grundsteuer in BW

Stand: 29.05.2025 17:03 Uhr

Häuslebesitzer in BW wehren sich in großer Zahl gegen die Grundsteuer-Reform, weil sie teilweise deutlich mehr bezahlen müssen. Knapp ein Drittel der Eigentümer hat Einspruch eingelegt.

Von Henning Otte

In Baden-Württemberg gibt es erheblichen Widerstand gegen die neue Grundsteuer, die seit dem 1. Januar 2025 gilt. Knapp 30 Prozent aller Immobilienbesitzerinnen und -besitzer im Land haben bisher beim Finanzamt Einspruch eingelegt gegen den Grundsteuerbescheid. Das erfuhr der SWR aus dem Finanzministerium in Stuttgart. Mit dieser Quote dürfte Baden-Württemberg, das ein eigenes Grundsteuermodell anwendet, bundesweit mit an der Spitze liegen - noch vor Bayern.

Einspruch per Musterformular gegen BW-Grundsteuer

Es wurden demnach gut 1,4 Millionen Einsprüche eingelegt bei insgesamt knapp 4,8 Millionen Fällen. Etwa 1,3 Millionen seien sogenannte Masseneinsprüche, die Zweifel daran äußern, ob das neue Grundsteuergesetz in BW verfassungsgemäß ist. Dafür haben die meisten Immobilienbesitzer ein Musterformular vom Eigentümerverband Haus & Grund ausgefüllt. Bei der neuen Grundsteuer in BW gilt nur der Wert des Grundstücks - was darauf steht, spielt keine Rolle. Weil Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern mit großen Gärten deutlich mehr zahlen müssen, gibt es Klagen.

Im Finanzministerium in Stuttgart heißt es, bei gut 125.000 Einsprüchen seien andere Gründe vorgetragen worden, etwa dass die berechnete Grundstücksgröße nicht richtig sei. Von den Einsprüchen seien schon gut die Hälfte (56,7 Prozent) bearbeitet - die Hälfte davon zugunsten der Steuerzahler. Für die Grundsteuerreform sei in den Finanzämtern derzeit insgesamt zusätzliches Personal im Umfang von 320 Stellen vorgesehen. Zu der Frage, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist, laufen derzeit Gerichtsverfahren vor dem Bundesfinanzhof. "Daher stellen wir die Bearbeitung dieser Einsprüche zurück, bis die laufenden Gerichtsverfahren abgeschlossen sind", sagte ein Ministeriumssprecher.

5,6 Millionen Eigentümer in BW sind betroffen - und Mieter

In Baden-Württemberg gibt es 5,6 Millionen Hauseigentümer. Aber interessieren dürfte das auch alle Mieterinnen und Mieter, denn oft ist es so, dass die Mehrbelastung an diese weitergereicht werden kann. Derzeit nehmen die Kommunen im Land mit der Grundsteuer rund 1,8 Milliarden Euro jährlich ein. Die frühere Bundesregierung und die Kommunalverbände hatten immer wieder versichert, dass der Staat unter dem Strich nicht mehr Grundsteuer einnehmen wolle. Allerdings gibt es immer wieder Berichte, dass Städte und Gemeinden wegen der Wirtschaftskrise stärker an der Grundsteuer-Schraube drehen wollen.

Im Juni 2024 waren die ersten beiden Klagen gegen die neue Grundsteuer vom Finanzgericht Baden-Württemberg abgewiesen worden. Die Kläger aus Stuttgart und Karlsruhe, die vom Steuerzahlerbund und vom Eigentümerverband Haus & Grund unterstützt werden, sind daraufhin vor den Bundesfinanzhof gezogen. Es wird damit gerechnet, dass der Streit am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird.

A, B und C - Diese Arten der Grundsteuer gibt es
Grundsteuer A fällt an bei Flächen der Land- und Forstwirtschaft. Dabei gibt es 34 unterschiedliche land- und forstwirtschaftliche Nutzungen, denen jeweils ein Bewertungsfaktor für die Berechnung der Steuer zugeordnet ist. Was letztlich Wohnzwecken zugeordnet wird (und damit Grundsteuer B) und was als privat oder gewerblich genutztes Wirtschaftsgebäude zählt, ist im Detail kompliziert und muss gegebenenfalls von einem Gutachter bewertet werden. Zu Detailfragen gibt es einen Fragen- und Antwortenkatalog des Finanzministeriums BW. Grundsteuer B fällt an für betriebliche und private Grundstücke. Maßgeblich sind hier die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert. Hinzu kommt noch die Steuermesszahl und der Hebesatz der Kommune, den der jeweilige Gemeinderat festlegt. Dabei werden Wohngebäude insbesondere aus sozialem Wohnungsbau und Kulturdenkmäler begünstigt. Grundsteuer B kann auch für freie, aber prinzipiell bebaubare Grundstücke erhoben werden - oder aber, die Kommune nutzt dafür die optionale Grundsteuer C. Auch zu Detailfragen zur Grundsteuer B gibt es einen Fragen- und Antwortenkatalog des Finanzministeriums BW. Grundsteuer C fällt nur in Gemeinden an, die dieses Instrument nutzen wollen - bislang sind das sehr wenige Gemeinden in Baden-Württemberg. Diese neue (oderverneut eingeführte) Grundsteuer soll Kommunen gerade in Ballungsgebieten unterstützen, neuen Wohnraum zu erschließen. Ziel ist es, Baulücken zu bebauen. Für diese "baureifen" Flächen kann die Kommune einen nochmals höheren Hebesatz festlegen, der auf die Eigentümer Druck ausübt, das Grundstück zu bebauen oder zu verkaufen. Dazu gab es auch einen Kabinettsbeschluss.

Etwa 1,5 Millionen Einsprüche in NRW, in Bayern 1,3 Millionen

Die Grundsteuer ist nicht überall gleich. Die meisten Länder - unter anderem auch Nordrhein-Westfalen - wenden das Bundesmodell an. Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW gibt es bislang 1,5 Millionen Einsprüche, erklärte das Finanzministerium in Düsseldorf auf SWR-Anfrage. Allerdings liegt die Eigentumsquote auch unter der in BW. Beim sogenannten Bundesmodell richtet sich die Einstufung recht pauschal nach dem Bodenrichtwert und dem Mietpreis von 2022. Auch in Rheinland-Pfalz gilt das Bundesmodell. Hier gab es laut Ministerium in Mainz gut 440.000 Einsprüche, auch hier ging es meistens um die Frage, ob das Bundesmodell verfassungsgemäß ist. Auch dagegen sind Klagen vor dem Bundesfinanzhof anhängig.  

In Bayern sind es rund 1,3 Millionen Einsprüche, heißt es aus dem Finanzministerium in München. Die Einspruchsquote liege mit 12 Millionen Bescheiden bislang bei rund 11,3 Prozent. Bayern hat wie Baden-Württemberg eine eigene Grundsteuer entwickelt, das sogenannte Flächenmodell: Hier berechnet sich die Grundsteuer vor allem aus den Grundstücks- und Gebäudeflächen.

Die neue Grundsteuer gilt seit Anfang 2025. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Frist gesetzt, weil die bisherigen Berechnungen auf veralteten Werten beruhten, was zu ungerechter Besteuerung geführt habe.

Das ARD-Verbrauchermagazin Plusminus hat im Oktober 2024 die deutschlandweiten Grundsteuerreformen in den Blick genommen:

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Sendung am Do., 29.5.2025 17:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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