
Baden-Württemberg Landtagswahl: Mehrheit will nach Kretschmann-Ära eine CDU-geführte Regierung - AfD und Linke legen massiv zu
Fast sechs Jahrzehnte regierte die CDU in BW. Dann kam Kretschmann. Wenn er bald geht, dürfen sich die Christdemokraten Hoffnung auf die Rückeroberung ihrer Hochburg machen.
Zehn Monate vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg kann sich die CDU in der Wählergunst als die mit Abstand stärkste Kraft behaupten - vor den schwächelnden Grünen und der aufstrebenden AfD. Das hat die repräsentative Umfrage BW-Trend des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Südwestrundfunks (SWR) und der "Stuttgarter Zeitung" (StZ) ergeben.
Eine Mehrheit der Wahlberechtigten im Land wünscht sich, dass die CDU die nächste Landesregierung anführt - obwohl nur rund ein Drittel der Befragten den designierten CDU-Spitzenkandidaten Manuel Hagel (37) kennt. Das liegt vor allem daran, dass relativ viele Menschen der CDU zutrauen, die Wirtschaftskrise und die Probleme bei der Migration in den Griff zu bekommen.
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- So beurteilen Wahlberechtigte die wirtschaftliche Lage
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Sonntagsfrage: CDU kann Vorsprung vor Grünen halten
Wenn an diesem Sonntag Landtagswahl wäre, käme die CDU auf 31 Prozent. Das ist ein Minus von 2 Prozentpunkten im Vergleich zur Dezember-Umfrage. Dennoch können die Christdemokraten ihren Vorsprung zu den Grünen halten. Die Ökopartei würde ebenfalls 2 Punkte einbüßen und läge noch bei 20 Prozent. Derzeit regiert die CDU als Juniorpartner mit den Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (76), der aber 2026 nicht mehr antritt. Die Grünen, die mit Cem Özdemir (59) in die Wahl ziehen wollen, sind in Umfragen noch deutlich stärker als die Bundespartei, die bei 11 Prozent liegt.
Seit knapp zwei Jahren hat die CDU in Baden-Württemberg nun schon einen deutlichen Vorsprung vor den Grünen. Dabei profitierte sie offensichtlich auch von der schwachen Performance der Ampel-Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Nach dem Sieg von CDU und CSU bei der Bundestagswahl im März regiert seit kurzem nun die Union unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) mit der SPD. Auch von der Politik von Merz wird in den kommenden Monaten abhängen, ob die CDU BW bei der Landtagswahl 2026 stärkste Kraft wird.
AfD und Linke legen deutlich zu
AfD und Linke können laut Umfrage deutlich zulegen. Die AfD, die in Baden-Württemberg als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt, gewinnt demnach 4 Punkte hinzu und liegt mit 19 Prozent nur noch knapp hinter den Grünen auf Rang drei. Nur im September 2023 - als das Heizungsgesetz des damaligen Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) heiß diskutiert wurde - lag die AfD BW schon mal bei 20 Prozent. Allerdings hinkt die Landespartei mit ihrem designierten Spitzenkandidaten Markus Frohnmaier (34) den Umfragewerten der Bundes-AfD hinterher, die nur noch knapp hinter der Union liegt.
Die Linke wird in Baden-Württemberg wie im Bund deutlich populärer und käme auf 7 Prozent - im Dezember lag sie noch unter 3 Prozent und wurde somit unter "Sonstige" geführt. Die Linke war hierzulande noch nie im Landtag vertreten. Im Bund hat sie sich auch dank der Popularität ihrer Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek (37) erholt und bei der Bundestagswahl 8,8 Prozent geholt.
SPD ist größter Verlierer
Einen Rückschlag muss die SPD hinnehmen, die nach ihrem historisch schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl nun mit der Union regiert. Die Sozialdemokraten in Baden-Württemberg rutschen laut Umfrage um 3 Punkte auf 10 Prozent ab.
Etwas verbessern würde sich die FDP in ihrem Stammland Baden-Württemberg. Die Liberalen kämen auf 5 Prozent (plus 1), nachdem sie im Bund den Einzug in den Bundestag verpasst haben. Sie liegen aber weiter deutlich unter dem Ergebnis von 10,5 Prozent, das sie bei der Landtagswahl 2021 erzielt hatten. Das BSW würde mit unverändert 4 Prozent an der 5-Prozent-Hürde scheitern - wie schon bei der Bundestagswahl.
Verschiebung nach rechts deutet sich auch in BW an
Zur Erinnerung: Bei der Landtagswahl im März 2021 hatten die Grünen vor allem dank des beliebten Regierungschefs Winfried Kretschmann 32,6 Prozent erreicht. Die CDU kam auf 24,1 Prozent, die SPD auf 11 Prozent, die FDP auf 10,5 und die AfD erhielt 9,7 Prozent. Die Umfrage sieht nun deutliche Zugewinne bei CDU und AfD, was eine Verschiebung nach rechts bedeuten würde. Im linken Spektrum konkurriert nun die Linke mit Grünen und SPD um Wählerstimmen.
Koalitionsoptionen: Schwarz-Grün hätte absolute Mehrheit
Laut Umfrage könnten CDU und Grüne weiter miteinander regieren, sie hätten mit 51 Prozent die absolute Mehrheit. Derzeit scheint ein solches Bündnis auch die einzig realistische Möglichkeit. Denn: Die rechtspopulistische AfD würde zwar gern mit der CDU regieren, aber das lehnt CDU-Landeschef Manuel Hagel strikt ab. Rechnerisch würde es mit 50 Prozent knapp reichen. Für eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP könnte es theoretisch knapp reichen - wenn das BSW den Einzug in den Landtag verpasst. Vor allem Sozialdemokraten und Liberale liebäugeln zuweilen mit dieser Variante. Auch in der CDU gibt es Kräfte, die 2026 nach zehn Jahren als Juniorpartner der Grünen ein neues Kapitel aufschlagen und die Ökos gerne loswerden würden.
Grün-Schwarz wieder deutlich beliebter
Allerdings kann die amtierende grün-schwarze Landesregierung ihr Ansehen ausbauen und überzeugt erstmals seit März 2022 wieder mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer politischen Arbeit. 56 Prozent sind zufrieden, das ist ein Plus von 9 Punkten im Vergleich zum Oktober 2024, als dies zuletzt abgefragt wurde. 40 Prozent sehen die Regierung Kretschmann eher kritisch. Im bundesweiten Vergleich zählt die Landesregierung von Baden-Württemberg laut Infratest dimap zu den wenigen, die in der Bevölkerung mehrheitlich Rückhalt finden.
Mehrheit will nach Kretschmann-Ära zurück zur CDU
Nachdem die Grünen nun seit 14 Jahren an der Macht sind, gibt es in Baden-Württemberg aber den sichtbaren Wunsch nach einem Parteiwechsel an der Spitze der Regierung. 42 Prozent der Befragten würden eine CDU-geführte Landesregierung bevorzugen. Dagegen hätten 29 Prozent lieber weiter einen Grünen in der Regierungszentrale. Eine Landesregierung unter Führung der AfD favorisiert knapp ein Fünftel der Bürgerinnen und Bürger (19 Prozent).
Özdemir deutlich bekannter und beliebter als Hagel
Während eine CDU-geführte Landesregierung in der Gunst der Befragten vorne liegt, ist es beim Spitzenpersonal der Regierungspartner genau andersherum. Wenn die Menschen in Baden-Württemberg ihren Ministerpräsidenten direkt wählen könnten, würden sich 39 Prozent für den designierten Grünen-Kandidaten Cem Özdemir entscheiden. Nur etwa halb so viele (18 Prozent) würden CDU-Landeschef Manuel Hagel vorziehen. Markus Frohnmaier von der AfD wünschen sich 7 Prozent als Ministerpräsidenten.
Während bei der Befragung die Anhänger der Grünen mit 89 Prozent recht geschlossen hinter Özdemir stehen, sieht das bei der CDU anders aus. Nur 41 Prozent der CDU-Wählerinnen und -Wähler geben an, sie würden bei einer Direktwahl Manuel Hagel ihre Stimme geben. 25 Prozent tendieren dagegen zum Grünen Cem Özdemir, 4 Prozent zu AfD-Mann Frohnmaier.
Der Vorsprung von Özdemir hat laut Infratest dimap viel mit der Bekanntheit des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers zu tun. Er wird von 48 Prozent für seine Arbeit gelobt, das ist nur 1 Punkt weniger als im Dezember. An die Popularität von Kretschmann reicht er aber nicht heran. Der Regierungschef erhält Zuspruch von 61 Prozent, ein Plus von 5 Punkten. Der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Hagel überzeugt aktuell mit 21 Prozent gut ein Fünftel, ein Plus von 4 Punkten.

Oben (v.l.n.r.): Winfried Kretschmann (Grüne), Manuel Hagel (CDU), Cem Özdemir (Grüne). Unten (v.l.n.r.): Andreas Stoch (SPD), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Markus Frohnmaier (AfD).
Dahinter liegen SPD-Politiker Andreas Stoch, der auf 17 Prozent kommt (Plus 2 Prozentpunkte) und der FDP-Chef Hans-Ulrich Rülke mit 13 Prozent (Minus 1 Punkt). Schlusslicht ist in der Umfrage AfD-Kandidat Markus Frohnmaier. 8 Prozent der Befragten zeigten sich "sehr zufrieden" oder "zufrieden" mit seiner Arbeit (Minus 1 Prozentpunkt).
CDU wird inhaltlich am meisten zugetraut
Ihre Schwäche in der personellen Aufstellung kann die CDU BW der Umfrage zufolge mit Vertrauen in ihre Fachkompetenz mehr als ausgleichen. Bei den Top-Themen Migration, Bildung und Wirtschaft setzen die Menschen in BW am ehesten auf die Christdemokraten. Auch bei Fragen der inneren Sicherheit und Digitalisierung macht die CDU das Rennen.
Aktuell ist sie in allen Bereichen Kompetenzführer mit Ausnahme der Umwelt- und Sozialpolitik, wo sie hinter den Grünen beziehungsweise der SPD bleibt. Fazit von Infratest dimap: Seit der Landtagswahl 2021 hat die CDU auf den einzelnen Feldern teilweise deutlich an Sachvertrauen hinzugewonnen.
Vertrauen in Grünen-Kompetenz sinkt
Ein ganz anderes Bild zeigt sich beim Koalitionspartner. Laut Infratest dimap sinkt das Vertrauen in die Kompetenzen der Grünen im Vergleich zur Landtagswahl 2021 in fast allen Bereichen. Bei ihrem Kernthema Umwelt- und Klimapolitik trauen ihnen zwar noch 45 Prozent der Menschen mehr zu als anderen Parteien - sie müssen aber mit 15 Prozentpunkten ein dickes Minus hinnehmen. Auch bei Zuwanderung (Minus 14 Punkte), Bildung (Minus 7 Punkte) und Wirtschaftspolitik (Minus 8 Punkte) geht es für die Kretschmann-Partei nach unten.
Profitieren kann dagegen die AfD, die hier insgesamt nur knapp hinter den Grünen liegt. Die Wahlberechtigten trauen der Partei laut Infratest dimap mehr zu als noch 2021. Und zwar nicht nur in den AfD-Kernthemen wie Zuwanderungspolitik oder Innere Sicherheit (jeweils Plus 11 Punkte), sondern auch bei sozialer Gerechtigkeit (Plus 7 Punkte), dem Schaffen neuer Arbeitsplätze (Plus 8 Punkte) oder Wirtschaftspolitik (Plus 7 Punkte).
Wenig Bewegung bei SPD und Linken
Und die anderen? In der Opposition kann die SPD im Vergleich zu 2021 nur wenig Vertrauen zurückgewinnen. Nach oben geht es für die Partei von Andreas Stoch nur leicht in ihrem Kernbereich soziale Gerechtigkeit (Plus 4 Punkte). Hier genießt die SPD das größte Vertrauen aller Parteien - sonst stagnieren die Werte der Sozialdemokraten. Bei der Linken gibt es trotz des Aufschwungs in der Sonntagsfrage wenig Veränderung. Wahlberechtigte vertrauen der Partei vor allem bei sozialen Themen.
Eher wenig wird laut Infratest dimap der FDP zugetraut. Die Liberalen verlieren stark bei Wirtschaft (Minus 5 Punkte) und Digitalisierung (Minus 7 Punkte) - nur 2 Prozent der Befragten glauben, dass die FDP die wichtigsten Probleme in Baden-Württemberg lösen kann.
Schwache Konjunktur und Jobangst drücken auf Stimmung
Die schwache wirtschaftliche Konjunktur und der angekündigte Abbau von Arbeitsplätzen vor allem in der Automobilindustrie drücken auf die Stimmung in BW. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten hält die Lage der Wirtschaft für weniger gut oder schlecht, 43 Prozent schätzt diese als sehr gut oder gut ein. Das ist der niedrigste Wert, der jemals im BW-Trend gemessen wurde.
Zuwanderung, Bildung und Wirtschaft sind wichtigste Probleme
Bei der Umfrage wurde auch abgefragt, welche Themen die Landespolitik dringend angehen sollte. Demnach stehen Fragen der Zuwanderung, Bildung und Wirtschaft ganz oben. 32 Prozent sehen die Zuwanderung als größtes Problem, 20 Prozent wollen die Bildung verbessert sehen und für 19 Prozent ist die Wirtschaftspolitik die drängendste Herausforderung.
Im Vergleich zu September 2023, als zuletzt danach gefragt wurde, hat die Situation der Wirtschaft im Land klar an Bedeutung gewonnen (Plus 11 Punkte), Fragen der Zuwanderung (Minus 8) und Bildung (Minus 6) haben demnach etwas abgenommen.
Alle Grafiken des BW-Trends von Mai 2025 im Überblick
Sendung am Do., 15.5.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW