Manuel Hagel, Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg

Baden-Württemberg Krönungsmesse mit Kanzler: Hagel muss auf Merz‘ Erfolg hoffen

Stand: 17.05.2025 05:49 Uhr

Er soll die CDU nach 15 Jahren Durststrecke in BW wieder in die Regierungszentrale führen: Der 37-jährige Manuel Hagel. Doch trotz des komfortablen Vorsprungs in Umfragen gibt es Zweifel - an Hagel und Friedrich Merz.

Von Henning Otte

Die Wahl zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl dürfte für Manuel Hagel ein "g’mähtes Wiesle"' sein, wie man in seiner oberschwäbischen Heimat so sagt. Beim Landesparteitag am Samstag in Stuttgart dürfte der junge CDU-Partei- und Fraktionschef ein Top-Ergebnis bekommen. Alles andere wäre eine große Überraschung - Hagel hat keinen Gegenkandidaten.  

Denn: Der nahende Abschied des grünen Erfolgsgaranten Winfried Kretschmann verleiht den Christdemokraten Flügel. In den Umfragen liegt die CDU seit fast zwei Jahren stabil auf Platz eins, mit weitem Abstand vor dem grünen Koalitionspartner. Der Traum von der Rückkehr in die Villa Reitzenstein, Sitz des Ministerpräsidenten, scheint zum Greifen nah. Doch: ein "g’mähtes Wiesle" ist das noch nicht. Das liegt an Hagel selbst und an Friedrich Merz.

Kanzler Friedrich Merz absolviert ersten Partei-Auftritt in BW

Kurz nachdem das Ergebnis der Abstimmung verkündet wird, gibt sich der frischgebackene Kanzler der CDU in Stuttgart die Ehre, um Hagel zu gratulieren und zu unterstützen. Der 69-jährige Merz und der 37 Jahre alte Hagel sind in den kommenden zehn Monaten eine parteiinterne Schicksalsgemeinschaft. Die Landtagswahl in Baden-Württemberg wird im März 2026 zum ersten großen Stimmungstest für die Union und ihren Kanzler.

Dass Merz seinen ersten Auftritt als Regierungschef bei einer Parteiveranstaltung in Baden-Württemberg absolviert, ist wohl auch ein kleines, persönliches Dankeschön an Hagel. Denn: Es war der junge Vorsitzende der CDU BW, der sich vor gut einem Jahr als erste Führungskraft der Union für eine Kanzlerkandidatur von Merz aussprach.

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Wie der CDU-Chef aus Baden-Württemberg Markus Söder schockte

Rückblende: Im Frühjahr 2024 wird in der Union diskutiert, wer sie am besten in die Bundestagswahl führen sollte. Noch ist die Ampel im Amt, CDU/CSU profitieren in Umfragen von deren schwachen Performance. Doch die persönlichen Werte von Merz sind miserabel. Wäre es nicht doch besser, mit CSU-Chef Markus Söder oder NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in die Wahl zu ziehen, fragt sich so mancher.

Es ist der 3. Mai, als sich Hagel mit Söder in Lindau am Bodensee trifft, also auf der bayerischen Seite. Auf die Frage eines Journalisten sagt der Baden-Württemberger, dass der Partei- und Fraktionschef wie immer das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur habe. "Friedrich Merz ist der richtige Kandidat. Er passt in die Zeit, er hat eine Idee fürs Land, er packt zu. Und daher ist er der richtige Mann." Rumms.

Die klare Ansage war zu diesem Zeitpunkt durchaus noch eine Überraschung. Denn Hagel hatte bei den Wahlen für den CDU-Vorsitz eigentlich immer Jens Spahn (45) unterstützt - und nicht Merz, den älteren Rückkehrer aus der Wirtschaft. Hinzu kommt: Ihm imponiert Wüst (49), den er als erfolgreichen "Landespapa" in Nordrhein-Westfalen sieht. Darum war Merz der junge Mann aus BW am Anfang auch nicht ganz geheuer. Doch Hagel macht in Lindau deutlich, warum er sich am Ende für Merz ausgesprochen hat: "Die CDU und die CSU werden immer scheitern, wenn sie streiten. Sie sind aber unschlagbar, wenn sie geschlossen sind." Sollte heißen: Eine Entmachtung des schon entschlossenen Partei- und Fraktionschefs in der K-Frage hätte die Union ins Chaos gestürzt.  

CDU in Baden-Württemberg hofft auf einen "staatsmännischen" Merz

Der Rest ist Geschichte: Merz hat die Union - wenn auch mit Ach und Krach und nur mit 28,5 Prozent - zum Sieg bei der Bundestagswahl geführt. In der Spitze der CDU Baden-Württemberg hoffen sie, dass Merz sich vor allem auf die Außenpolitik konzentriert und dabei staatsmännisch rüberkommt. Die ersten Tage von Merz im Amt, mit seinen Reisen nach Paris, Warschau und Kiew, geben ihnen da Hoffnung.

Sollte sich Merz im innenpolitischen Klein-Klein mit der SPD verlieren, hier und da die Nerven verlieren, könnte sich das durchaus negativ auf die Chancen bei der Landtagswahl im März auswirken, so die Strategen. Merz‘ alter Weggefährte Günther Oettinger (71) drückt das so aus: "Es geht zu 50 Prozent um BW, die andere Hälfte ist die Bundesentwicklung. Wenn Friedrich Merz in Berlin reüssiert, was ich ihm zutraue, wenn die Koalition in Berlin funktioniert, dann hat Manuel Hagel keinen Gegenwind, sondern Rückenwind oder Windstille. Und dann wird das für die CDU in ihrem Stammland reichen", sagte der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident der CDU dem SWR.

Oettinger, von 2005 bis 2010 Ministerpräsident im Land, traut dem jungen Hagel das Amt zu. "Der ist lernfähig, wissbegierig, neugierig, der nimmt Rat an. Der ist rhetorisch von Tag zu Tag besser, er ist enorm fleißig." Auf die Frage, ob das Alter von Hagel ein Problem sei, winkt Oettinger ab und sagt: "Der wird jeden Tag älter."  

Doch ganz so locker sehen das längst nicht alle Christdemokraten mit der Unerfahrenheit des Kandidaten - allerdings sagen sie es nur hinter vorgehaltener Hand. Der BW-Trend vom Donnerstag hat das Problem nochmal offengelegt: Wenn die Menschen in Baden-Württemberg ihren Ministerpräsidenten direkt wählen könnten, würden sich 39 Prozent für den designierten Grünen-Kandidaten Cem Özdemir entscheiden. Nur 18 Prozent würden Hagel vorziehen. Selbst bei den CDU-Fans stehen nur 41 Prozent hinter Hagel - der im Land noch vielen kein Begriff ist.

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Politikexperte sieht größeres Problem bei Merz

Frank Brettschneider, Kommunikations- und Politikwissenschaftler an der Universität Stuttgart-Hohenheim, nimmt den Christdemokraten die Sorgen. "Das ist überhaupt kein Problem, dass man ihn im Moment noch nicht so sehr kennt wie Cem Özdemir. Das spielt eine Rolle in den letzten zwei Monaten vor der Landtagswahl", sagte er im SWR. Auch er sieht ein größeres Problem beim Kanzler. "Wenn Merz failt, dann gibt das Özdemir einen Schub." In der CDU heißt es, dann müsse Hagel im Wahlkampf zeigen, was er wirklich kann.

Bei CDU und Grünen haben sie denn auch nicht vergessen, dass die Union Ende 2015 in der Migrationskrise mit rund 40 Prozent in den Umfragen weit vor Kretschmann und Co. lagen. Bei der Wahl im Frühjahr 2016 gewannen die Grünen. Doch der 76 Jahre alte Kretschmann tritt nicht mehr an. Brettschneider glaubt, dass es deshalb ein ganz anderer Wahlkampf wird, weil der Amtsinhaber nicht mehr dabei ist. Es werde womöglich weniger eine Persönlichkeitswahl als eine Parteienwahl.

Oettinger wünscht sich Özdemir als Vize-Ministerpräsident

Angesichts der schwachen Umfragewerte der Grünen im Bund glaubt Ex-Regierungschef Oettinger nicht an einen Sieg von Özdemir. "Ich glaube nicht, dass er eine Chance hat." Oettinger kann sich aber eine Fortsetzung der Koalition von CDU und Grünen mit umgekehrten Vorzeichen vorstellen. "Ich würde mir wünschen, dass Cem Özdemir vielleicht Vize-MP wird, dass er vielleicht Umweltminister in Baden-Württemberg wird", so der frühere Ministerpräsident weiter.

Wie viele in der CDU sieht Oettinger mittlerweile nicht mehr in der grünen Partei den schärfsten Konkurrenten, sondern in der AfD, die in den Umfragen im Bund und auch etwas weniger im Land zulegt. Mit Blick auf den kaum bekannten AfD-Spitzenmann Markus Frohnmaier sagte Oettinger: "Die AfD hat keinen Kopf in BW, keine Köpfe, sondern sie ist eine Protestpartei." Er zeigte sich überzeugt: "Wenn wir das Thema Migration und Missbrauch, und Sozialmissbrauch in Berlin angehen, dann wird die AfD etwas schwächer. Dann reicht es für eine Regierung von CDU mit den Grünen oder mit SPD und FDP." Doch die AfD, die in BW vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, sei "die eigentliche Herausforderung für alle demokratischen Parteien". Also auch für Hagel.  

Sendung am Fr., 16.5.2025 5:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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