Ein Biber sitzt am Wasser. Illegale Wildtiertötungen von Bibern, Wölfen oder Greifvögeln sind ein Problem, das tieferliegende gesellschaftliche Konflikte zwischen Naturschutz und einer wirtschaftlichen Nutzung unserer Kulturlandschaft offenbart.

Baden-Württemberg Illegale Tötung von Wildtieren in BW: Nicht nur Biber werden zur Zielscheibe

Stand: 15.05.2025 10:58 Uhr

Immer wieder töten Menschen geschützte Wildtiere wie Biber, Wölfe oder Greifvögel. Hinter den Straftaten steckt oft ein Konflikt zwischen Artenschutz und Landnutzung.

Von Margareta Holzreiter

In Künzelsau (Hohenlohekreis) sind innerhalb weniger Tage zwei tote Biber gefunden worden - beide wurden mit einer Armbrust beschossen und getötet. Diese Art der Wildtierkriminalität ist keine Seltenheit: Nur wenige Tage später machte eine Meldung über vier mutwillig getötete Jungbiber im bayerischen Oberau (Kreis Garmisch-Partenkirchen) die Runde.

Immer wieder kommt es in Deutschland zur illegalen Tötung streng geschützter Wildtiere. Häufig markiert das einen radikalen Tiefpunkt im Interessenkonflikt zwischen Artenschutz und wirtschaftlicher Nutzung der Kulturlandschaft.

Betroffen sind dabei nicht nur Biber: Wölfe, Luchse, Fischotter, aber auch Greifvögel wie der Mäusebussard oder der Habicht werden hierzulande besonders häufig abgeschossen, vergiftet oder gefangen. Wie viele Fälle es dabei jedes Jahr gibt, ist unklar: Die Tötungen streng geschützter Tiere werden nicht zentral dokumentiert, außerdem wird von einer sehr hohen Dunkelziffer ausgegangen.

Welche Arten sind besonders betroffen?

Obwohl viele Wildtierarten in Deutschland unter Schutz stehen, werden sie immer wieder Opfer von illegalen Tötungen. Häufig werden die Tiere dabei abgeschossen oder fallen eigens dafür präparierten Giftködern zum Opfer.

So werden etwa immer wieder streng geschützte Greifvögel wie der Rotmilan aufgefunden, die an Giftködern verendet sind. Die Gründe: die Trophäenjagd, Vorurteile, Jagdkonflikte oder wirtschaftliche Sorgen von Hühner- oder Taubenhaltern.

Ein Rotmiland fliegt mit einem erbeuteten Fisch über einen See. Illegale Wildtiertötungen von Bibern, Wölfen oder Greifvögeln sind ein Problem, das tieferliegende gesellschaftliche Konflikte zwischen Naturschutz und einer wirtschaftlichen Nutzung unserer Kulturlandschaft offenbart.

Illegale Wildtiertötungen von Bibern, Wölfen oder Greifvögeln sind ein Problem, das tieferliegende gesellschaftliche Konflikte zwischen Naturschutz und einer wirtschaftlichen Nutzung unserer Kulturlandschaft offenbart.

Im Zentrum des Konflikts zwischen Artenschutz und Landwirtschaft stehen aus Sicht von Isabell Pergner vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) der Biber und der Wolf. Von ihnen geht für Landwirte eine wirtschaftliche Bedrohung aus.

Ein weiteres Wildtier, das vielen Landwirten Probleme bereitet, ist die Saatkrähe. Saatkrähen fressen Saatgut oder ziehen junge Pflanzen aus dem Boden und verringern so die Ernten. Die Vögel sind allerdings weniger streng geschützt als Wolf und Biber. Mancherorts dürfen sie unter bestimmten Bedingungen von Menschen mit Jagderlaubnis getötet werden. 

Eine Saatkrähe auf Nahrungssuche auf einem Acker. Ein weiteres Wildtier, das vielen Landwirten Probleme bereitet, ist die Saatkrähe. Saatkrähen fressen Saatgut oder ziehen junge Pflanzen aus dem Boden und verringern so die Ernten. Die Vögel sind allerdings weniger gestreng geschützt als Wolf und Biber.

Ihre schwarze Färbung und ihre Rolle in Märchen und Mythen tragen dazu bei, dass die Saatkrähe nicht als Sympathieträgerin gilt.

Auch der Kormoran, der von Anglern und Fischzüchtern als Konkurrent gesehen wird, darf getötet werden, solange Schäden nicht auch langfristig durch Vergrämungsmaßahmen verhindert werden können. 

Bei Luchsen gibt es in Baden-Württemberg bislang keine bekannten Fälle von mutwilliger, illegaler Tötung. Anders als im Bayerischen Wald, wo seit der Rückkehr des Luchses regelmäßig Tiere verschwanden oder tot aufgefunden wurden.

Ein junger Luchs auf einem Fels. Bei Luchsen gibt es in Baden-Württemberg bislang keine bekannten Fälle von mutwilliger, illegaler Tötung. Anders als im Bayerischen Wald, wo seit der Rückkehr des Luchses regelmäßig Tiere verschwanden oder tot aufgefunden wurden.

In Baden-Württemberg sollen Luchse wieder heimisch werden. Auch weil das Land als Verknüpfung zwischen bestehenden Luchsvorkommen in der Schweiz und Frankreich dienen soll.

Wer verantwortlich ist, wenn die Wildtiere getötet werden, ist meist unklar. Die Fälle werden kaum aufgeklärt. So wurde im Sommer 2017 ein toter Wolf im Schluchsee gefunden. Wer den Wolf erschossen hat, konnte aber trotz Ermittlungen nicht aufgeklärt werden. 

Warum werden geschützte Tiere getötet?

Die Wildtierkriminalität hat verschiedene Gründe. Laut Alexandra Ickes, Referentin für Artenschutz beim NABU in Baden-Württemberg, hängt ein großer Teil der Taten hier in Deutschland aber mit Konflikten zwischen Menschen und Wildtieren zusammen.

So kollidiert etwa die Ausbreitung von Bibern in Baden-Württemberg teilweise mit den Interessen der Landwirtschaft, wenn diese Dämme bauen und dadurch angrenzende Äcker überflutet werden.

Wölfe reißen neben Wildtieren immer wieder auch Weidetiere und beunruhigen deshalb die Viehhalter in Baden-Württemberg. Auch Jäger sehen den Wolf teilweise als Bedrohung für ihre Wildbestände.

Gerade Debatten über den Wolf sind häufig auch sehr emotional - er steht exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen Artenschutz, wirtschaftlichen Interessen und unserer Kulturlandschaft als Freizeitraum. NABU-Referentin Ickes führt Wildtiertötungen auch auf eine mangelhafte Aufklärung über die Verhaltensweisen der Tiere zurück.

Seitdem der Wolf in Deutschland wieder Einzug gehalten hat, gab es keinen einzigen Fall, wo der Wolf sich Menschen aggressiv angenähert hat oder zu einem Angriff geführt hätte. […] Alle dokumentierten Fälle, die wirklich tödlich auch für Menschen ausgingen, sind größtenteils und überwiegend auf Tollwut zurückzuführen. Also die Tiere waren krank, haben sich nicht normal verhalten. Und der kleinere Rest war tatsächlich Fehlprägung. Also da wurden die Tiere massiv angefüttert, zum Beispiel. Die haben da ihre Scheu verloren und wurden immer aufdringlicher." Alexandra Ickes, NABU Baden-Württemberg

Auch LBV-Referentin Pergner hält Aufklärung für wichtig, um Rechtsverstöße durch Unwissenheit zu vermeiden.

Wie ist die rechtliche Lage?

Auf EU-Ebene soll die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) die biologische Vielfalt sichern. Dort werden streng geschützte Arten wie Wolf, Luchs, Biber und Fischotter aufgeführt. Wenn diese Tiere getötet werden, sieht die Richtlinie Strafen vor.

Auch weniger streng geschützte Arten werden aufgeführt, die teilweise auch bejagt werden dürfen. Bei diesen Arten ist auch eine gezielte Bestandsregulierung möglich, etwa durch die Tötung einzelner Tiere.

Der Schutz von Vögeln ist auf EU-Ebene durch eine eigene Vogelschutzrichtlinie geregelt. Die FFH-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie bilden gemeinsam das Rückgrat des europäischen Naturschutzrechts. Deutschland setzt die EU-Richtlinien auf nationaler Ebene vor allem durch das Bundesnaturschutzgesetz um.

Verstöße gegen diese Bestimmungen können nach dem Bundesnaturschutzgesetz mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Was tut sich aktuell in Baden-Württemberg wegen des Bibers?

In Baden-Württemberg hat sich die Zahl der Bibers in den vergangenen Jahren erhöht. Das kann laut Landesumweltministerium an bestimmten Stellen gefährlich werden, etwa bei Hochwasserschutzbecken, einer Eisenbahnlinie am Damm oder dem Kanal eines Wasserwerks. Daher plant man eine neue Verordnung, um den Abschuss der Tiere unbürokratischer und leichter zu machen.

Bisher sei dies ein zeitaufwendiger Prozess - "in Zukunft soll das schneller gehen", so Staatssekretär Andre Baumann gegenüber der "Schwäbischen Zeitung". Sollten mildere Maßnahmen an betroffenen Stellen nach vier Wochen keine Wirkung zeigen, sollen Biber in Zukunft abgeschossen werden dürfen - so weit der Plan.

Warum bleiben Täter oft ungestraft?

Illegale Wildtiertötung bleibt allerdings oft unbestraft, weil die Täter nur selten erwischt werden. Denn selbst wenn die getöteten Tiere entdeckt und der Polizei gemeldet werden, gibt es nur selten Spuren oder Zeugen, die eine Aufklärung ermöglichen. NABU-Referentin Ickes kritisiert die aus ihrer Sicht unzureichende Strafverfolgung. "Wir sehen es ja noch immer, dass verschiedene schwere Delikte nicht vollständig geklärt werden können oder konnten. Und das ist vielleicht auch ein Anreiz, solche Taten zu begehen, weil man eben weniger befürchtet, entdeckt zu werden."

Laut Ickes ist es für den Artenschutz wichtig, dass Tötungen zuverlässiger erfasst werden, etwa durch die Einführung behördlicher Stellen. Ein bürgernaher Ansatz, den sie auch hier in Baden-Württemberg für umsetzbar hält, ist das bayerische Projekt "Tatort Natur". Dort können Menschen den Fund getöteter Wildtiere melden.

Was tun, um Konflikte zwischen Mensch und Wildtier zu vermeiden?

NABU und LBV betonen die Bedeutung eines offenen Austauschs zwischen Landwirtschaft, Behörden, Naturschutzverbänden und Jägerschaft. "Vermittlungsansätze sind zum Beispiel eine dialogorientierte Zusammenarbeit, vorwiegend, um regionale Lösungen zu finden", sagt LBV-Referentin Pergner.

Unterstützend wirken Programme wie das Bibermanagement des Landes Baden-Württemberg, das ehrenamtlichen Biberberater einsetzt, um Konflikte zwischen Mensch und Biber zu entschärfen.

Zudem fordern sowohl LBV als auch NABU eine wissenschaftlich fundierte Bestandserfassung, um nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen zu schaffen.

Bei Landwirten im "Fördergebiet Wolfsprävention" übernimmt das Land bereits Kosten für Herdenschutzmaßnahmen und ersetzt über den "Ausgleichsfonds Wolf" Schäden, die etwa durch Wolfsrisse entstehen.

Laut Pergner sei allerdings wichtig, dass diese Hilfen schnell und unbürokratisch erfolgen. "Manchmal fühlen sich Betroffene auch einfach alleingelassen. Wenn Behörden nicht schnell genug auf Schäden oder auffällige Tiere reagieren, dann haben sie das Gefühl, sie müssen sich jetzt selbst schützen", so Pergner.

Welche Positivbeispiele gibt es in Baden-Württemberg?

Einst in Baden-Württemberg heimisch, galt der Luchs ab 1850 als ausgerottet. Seiner Rückkehr standen viele Jäger anfangs skeptisch gegenüber - heute unterstützt die lokale Jägerschaft aktiv das Auswilderungsprojekt "Luchs Baden-Württemberg".

Dass Jäger viel Zeit im Wald verbringen, hilft zudem bei der Bestandsüberwachung des Luchses und anderer geschützter Arten. Für NABU-Referentin Ickes ist diese Entwicklung das Ergebnis eines langjährigen, konstruktiven Austauschs zwischen Naturschutz und Jagd.

Fazit

Illegale Wildtiertötungen offenbaren die tieferliegenden gesellschaftlichen Konflikte zwischen Naturschutz und einer wirtschaftlichen Nutzung unserer Kulturlandschaft. Um die Spannungen zwischen den unterschiedlichen Seiten zu überwinden, braucht es einen intensiven Austausch und politische Transparenz, aber auch Geld. Erfolgsbeispiele wie der Luchs zeigen, dass Lösungen möglich sind. 

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