
Baden-Württemberg Frust in Au am Rhein: EU bremst Mückenbekämpfung aus
Stechmücken sind in Au am Rhein ein Dauerthema. Damit Schnaken nicht im Garten brüten, setzen Gartenbesitzer auf BTI-Tabletten. Doch die kostenlose Abgabe ist gerade erschwert.
Wer in Au am Rhein (Kreis Rastatt) nach Stechmücken fragt, der bekommt so manche Geschichte erzählt: Von Fußballern, die lieber den nächsten Sprint ansetzen, als wieder von den nächsten Schnakenschwärmen befallen zu werden. Oder vom Imker, der seinen Imkerschleier lieber gegen die stechenden Plagegeister als gegen Bienen einsetzt. Und jetzt sorgt auch noch eine neue Verordnung für Diskussionen. Denn ein Wirkstoff zur Bekämpfung darf nicht mehr so einfach ausgegeben werden.
Gartenbesitzer nutzen BTI-Tabletten für Wassergefäße
Viele Anwohner bekämpfen die Plage: besonders in ihren Gärten, wo stehendes Wasser ideale Brutstätten für Stechmücken bietet. So wie Artur Busch. Sein Garten ist ein wahres Idyll. Doch dort ließe es sich nur schwer aushalten, wenn er nicht Maßnahmen ergreifen würde.
Darum gibt er regelmäßig einen biologischen Wirkstoff des Bakteriums Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) in seine Wasserbehältnisse im Garten. Denn BTI wirkt gegen die Mückenlarven im Wasser.

Gartenbesitzer Artur Busch in seinem Hausgarten
Wir versuchen, als Bürger unseren Beitrag zur Mückenbekämpfung zu leisten. Artur Busch, Gartenbesitzer in Au am Rhein
Au am Rhein: Nur Förster gibt aktuell BTI-Tabletten aus
Doch Gartenbesitzer wie Artur Busch können den Wirkstoff in Tablettenform momentan kostenlos nur einmal wöchentlich im Rahmen einer Sprechstunde beim örtlichen Förster bekommen. Denn Au am Rheins Förster verfügt über einen sogenannten Sachkundenachweis. Dieser erlaubt es ihm, das Biozid an Nutzer abzugeben, was die Bedingung einer neuen EU-Verordnung ist.

Die Bürgermeisterin von Au am Rhein, Veronika Laukart, hat BTI-Tabletten da, darf sie aber nicht ausgeben.
BTI-Tabletten werden in Au am Rhein im Tresor gelagert
Für Bürgermeisterin Veronika Laukart im nahe gelegenen Rathaus ein Ärgernis: "Ich habe BTI-Tabletten da, darf sie selbst aber momentan nicht ausgeben," erklärt die Bürgermeisterin. Denn sie und ihre Kolleginnen von der Verwaltung verfügen nicht über den notwendigen Sachkundenachweis. Derzeit werden die Tabletten im Rathaus in einem Tresor gelagert.
Die Bürger seien in der Mückenbekämpfung in Au am Rhein sehr aktiv, so Laukart. Die aktuell erschwerte Ausgabe durch die EU-Verordnung komme zur absoluten Unzeit, denn es ist Schnakensaison. Einzige Entlastung: Die letzten Monate waren trocken, dadurch ist die Stechmückenpopulation geringer.
Die EU-Verordnung ist in Zeiten von Entbürokratisierung für mich nicht nachvollziehbar. Veronika Laukart, Bürgermeisterin Au am Rhein
So war die Situation im vergangenen Jahr:
BTI-Experten dürfen Wirkstoff aktuell selbst nicht ausliefern
Doch nicht nur die Ausgabe in den Gemeinden wurde durch die neue EU-Verordnung gebremst, sondern auch die Auslieferung komplett gestoppt. Darum erhalten die Gemeinden momentan auch keine neuen BTI-Tabletten von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS).
Denn auch die Angestellten der KABS selbst haben keinen Sachkundenachweis. Ein absurde Situation. Denn wenn es um die Bekämpfung von Stechmücken geht, ist die KABS mit dem wissenschaftlichen Direktor Dirk Reichle einer der Experten in Deutschland. Seit Jahrzehnten arbeitet die KABS mit dem Wirkstoff BTI. Er wird regelmäßig mit Hubschraubern großflächig über den Brutstätten am Oberrhein verteilt. Für die dortigen Anwohner eine große Erleichterung.

Mit den BTI-Tabletten wird die Asiatische Tigermücke bekämpft, solange sie noch im Larven-Stadium ist.
BTI ist effektives Mittel gegen Tigermücken
Laut Dirk Reichle von der KABS ist der Wirkstoff in Tablettenform ein wichtiger Baustein beim Kampf gegen die Stechmücke, und da vor allem auch gegen die Asiatische Tigermücke. Denn die kann verschiedene gefährliche Viruserkrankungen übertragen. Die Kommunen sind da auf die Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Vor allem, weil die Tigermücke sich am Oberrhein immer weiter verbreitet.
Besonders gerne brütet sie in stehenden Wasseransammlungen. Hier können die BTI-Tabletten helfen, die sich innerhalb von einer halben Stunde im Wasser lösen. Reichle schätzt, dass dafür in in den vergangenen Jahren jeweils rund 60.000 Tabletten-Einheiten (10 Tabletten pro Packung) abgegeben wurden.

Der wissenschaftlicher Direktor der KABS, Dirk Reichle, mit den BTI-Tabletten neben einem Bild der Asiatischen Tigermücke
Für uns ist es eine absurde Situation, weil es wenig Institutionen in Deutschland gibt, die so viel Erfahrung mit dem Wirkstoff BTI haben. Und wir dürfen ihn anwenden, aber plötzlich nicht mehr weitergeben. Dirk Reichle, Wissenschaftlicher Direktor der KABS
EU-Verordnung macht KABS das Leben schwer
Laut Reichle macht die neue Biozid-Verordnung zwar Sinn für den Handel, aber nicht für die Mückenexperten von der KABS. Schließlich kenne sich in der Anwendung von BTI kaum jemand in Deutschland besser aus. Doch eine Lösung ist in Sicht: Anfang Juni sollen nun jeweils zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter pro KABS-Kommune online geschult werden. Die Online-Schulung gilt dann nur für BTI und ist deswegen mit zwei Stunden auch deutlich kürzer als der sonstige Sachkundelehrgang.
Damit habe man eine pragmatische Lösung gefunden, sodass bald wieder im Bürgerbüro in Au am Rhein und in den anderen KABS-Gemeinden BTI-Tabletten unkompliziert zu bekommen sind. Auch künftig werden die Tabletten kostenlos bleiben, berichtet Reichle von der KABS. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden bereits geschult, damit die Auslieferung bald wieder anlaufen kann.

Mit den BTI-Tabletten können Stechmücken bekämpft werden.
Bis auch die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im Rathaus in Au am Rhein und anderswo wieder die Tabletten ausgeben dürfen, verweist die KABS auf ihrer Website auf mögliche Alternativen für Anwohner: Dazu gehört, wassergefüllte Behältnisse wöchentlich zu leeren oder sie mit einem engmaschigen Netz zu überziehen.
Sendung am Mo., 26.5.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW