Markus Frohmaier (AfD) bei seiner Rede zu einer Wahlkampf-Veranstaltung.

Baden-Württemberg AfD-Chef Frohnmaier will Ministerpräsident werden - das passt aber nicht zu den Partei-Grundsätzen

Stand: 30.05.2025 18:15 Uhr

Politischen Gegnern wirft die AfD gerne vor, dass sie keine beruflichen Qualifikationen für ihr Amt haben. Doch gerade dafür ist ihr Spitzenkandidat für die Landtagswahlen in BW ein Paradebeispiel.

Von Katharina Fuß, Christian Susanka

Politischen Gegnern vor allem Grünen Abgeordneten werfen AfD-Politiker gerne vor, dass sie keine berufliche Qualifikationen für Amt oder Mandat haben. Dass ausgerechnet der Mann, der für die AfD den Posten des Ministerpräsidenten anstrebt, ein Paradebeispiel dafür ist, sorgt parteiintern für manche Fragen. Offen reden möchte darüber keiner. Auch nicht an dem Wochenende an dem die Landes-Partei ihren Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten wählen soll.

Markus Frohnmaier ist weit gekommen. Wenn an diesem Samstag die Landes-AfD in der Heilbronner Harmonie zu einem Wahlparteitag zusammenkommt, dann dürfte der Name des Heilbronner Veranstaltungszentrums auch Programm für den einst zerstrittenen Landesverband sein. Es ist vor allem Frohnmaiers Werk, dass die AfD Baden-Württemberg aktuell nach außen ein geschlossenes Bild abgibt. Weit entfernt scheint der berüchtigte Chaos-Parteitag in Rottweil im Februar 2024, wo der Veranstaltungsort wegen Querelen zeitweise geräumt werden musste.

Zwei Tage vor dem kommenden Parteitag sagt AfD-Landeschef Frohnmaier in einem Gespräch mit dem SWR: "Ich glaube, uns ist das gelungen, ganz viele zusammenzuführen. (...) Geschlossenheit ist unheimlich wichtig, um so einen Wahlkampf führen zu können." Frohnmaier, der in früheren Jahren immer wieder als Scharfmacher und Hetzer bezeichnet wurde, fällt in der vergangenen Zeit immer wieder mit einem um Sachlichkeit betonten und bemühten Auftreten auf. In Heilbronn wartet auf Frohnmaier und seine Partei in jedem Fall eine doppelte Premiere. Zum ersten Mal veranstaltet der AfD-Landesverband einen Delegierten-Parteitag, einfache Mitglieder, die kein Delegierten-Mandat haben, müssen diesmal draußen bleiben. Nur 399 Delegierte dürfen in die Halle.

AfD-Landeschef Frohnmaier will Ministerpräsident in BW werden

Frohnmaier ist aber auch persönlich weit gekommen an diesem Wochenende. In der AfD-Hochburg Heilbronn will sich der langjährige Vertraute von Alice Weidel zum Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten wählen lassen. Für den Politiker ist das eine Premiere und für die Partei auch. Die Tatsache, dass Frohnmaier im Vorfeld mit keinem Gegenkandidaten rechnet, zeigt, wie weit er gekommen ist. Frohnmaiers Aufstieg ist von langem Atem und zahlreichen Rückschlägen geprägt. Beobachter packen seinen Werdegang mindestens in die Kategorie "bemerkenswert".

Der 34-Jährige hat nach Haupt- und Realschulabschluss Abitur gemacht, später in Tübingen ein Jurastudium begonnen, aber nicht abgeschlossen. Parallel zum Studium hat sich der zweifache Familienvater, der mit einer russischen Journalistin verheiratet ist, in der AfD hochgearbeitet: Vom Pressesprecher von Ex-Parteichefin Frauke Petry bis in den Bundestag, vom Vorsitzenden der Jungen Alternative BW bis hin zum Landessprecher der gesamten Partei.

AfD-Politiker Frohnmaier fehlt Berufserfahrung

An der AfD-Spitze hat Frohnmaier viele Professoren, Rechtsanwälte und Akademiker kommen und gehen sehen, von sich selbst sagt er, dass bislang keiner die AfD Baden-Württemberg so erfolgreich geführt hat wie er. Doch Frohnmaiers Karriere hat auch einen Makel, der in einer anderen Partei möglicherweise weniger problematisch wäre. Frohnmaier hat außerhalb von Uni, Bundestag und AfD noch nie gearbeitet.

In der Satzung der AfD Deutschland regelt eigentlich ein eigener Paragraph, dass so etwas keine Schule machen soll. Dass dieser Paragraph im Vorfeld des Parteitags für Frohnmaier kein Thema ist - auch das zeigt wieder, wie weit er gekommen ist.

AfD-Satzung setzt Berufserfahrung für Mandat voraus

In der Satzung der AfD gibt es nur 60 Seiten. Zu Anforderungen an Amts- und Mandatsträgern gibt es nur wenige Ausführungen, eine Quotenregelung wird explizit ausgeschlossen. Umso bemerkenswerter scheint, dass die beruflichen Anforderungen an Kandidaten in einem eigenen Paragraphen auftauchen. Unter der Überschrift 'Wider das Berufspolitikertum' hat die AfD folgenden Passus hinterlegt:

Parteimitglieder sollen vor ihrer Kandidatur für ein Mandat mindestens fünf Jahre in einem Beruf tätig gewesen sein. Bezahlte Tätigkeiten in der Politik oder einer Partei gelten hier nicht als anrechenbarer Beruf. Bundessatzung der Alternative für Deutschland (13.03.2025)

Für Frohnmaiers Ambition, Ministerpräsident werden zu wollen, müssten diese Zeilen eigentlich ein Karrierehindernis sein. Zumindest sollten sie ihn zu Erklärungen bringen. Auf Nachfrage erklärt er dem SWR: Bei dem Passus in der Satzung handele sich um eine Kann-Vorschrift, nicht um ein explizites Muss. "Die Vorschrift stellt keine zwingende Voraussetzung dar", so Frohnmaier. In den vergangenen zehn Jahren habe er an verschiedenen Stellen Verantwortung für seine Partei übernommen und dabei Verlässlichkeit sowie Gestaltungswillen unter Beweis gestellt. Und der BW-Landesvorsitzende betont: "Ich bin überzeugt, dass ich auch diese Aufgabe mit dem notwendigen Ernst und zur vollen Zufriedenheit erfüllen werde."

Die Politikwissenschaftlerin Elisa Deiss-Helbig von der Universität Konstanz, die Kandidaturen in Parteien wissenschaftlich untersucht hat, sieht die Passage in der Satzung der AfD-Deutschland zwar auch eher als weiche Anforderung, räumt aber ein, dass ihr im Rahmen der gesamten Satzung eine durchaus hohe symbolische Bedeutung zukommt.

Wenn ich das als einziges Kriterium für eine Kandidatur sehr prominent in einer Bundessatzung hervorhebe, will ich eigentlich schon sagen, dass es was ist, was der Partei wichtig ist. Politikwissenschaftlerin Elisa Deiss-Helbig, Universität Konstanz

AfD-Mitglieder kritisieren Inkonsequenz in der eigenen Partei

Parteiintern ist der Unmut über Frohnmaiers Kandidatur und seine fehlende Berufserfahrung durchaus hörbar, wenn auch oft hinter vorgehaltener Hand. Ein Parteimitglied, das Landesvorstand und Fraktion schon lange kennt, sagt: "Das, was wir anderen Parteien gerne vorwerfen, machen wir jetzt selber. Und das sorgt dafür, dass lauter Unqualifizierte plötzlich ein Amt bekommen, dem sie nicht gewachsen sind!" Ein Mandatsträger auf Kreisebene sagt im Gespräch mit dem SWR: "Es gibt viele Dinge, die in Satzungen stehen, die einfach konsequent ignoriert oder außen vorgelassen werden."

Ebenso heißt es durchaus vorwurfsvoll von dem Parteimitglied, dass die Anforderungen, die die AfD aufgestellt hat, für den "Weidel-Club" jedenfalls nicht gelten. Gemeint ist Frohnmaiers langjähriger Draht mit Bundeschefin Alice Weidel. Dass seine Kandidatur nicht im Einklang mit der Satzung sei, werde in der Partei zwar diskutiert, bliebe jedoch erfolglos. Es sagt also viel über den Zustand der AfD in Baden-Württemberg aus, dass es in der Partei keine offene Diskussion über Frohnmaiers Kandidatur und seine Qualifikation gibt. Und es sagt etwas über seinen Karriereweg aus.

"Das Problem ist, das parteiintern keine offene Debatte stattfindet, weil Markus Frohnmaier derjenige ist, der Mehrheiten in Baden-Württemberg organisiert, und selbst wenn es Leute gibt, die sich daran stören, die beißen natürlich nicht die Hand, die sie füttert", heißt es von einem enttäuschten Mitglied. "Ich fremdel mit dieser Entscheidung, vor allem loyale Leute zu nehmen und nicht Leute, die in irgendeiner Form etwas auf intellektueller, handwerklicher Ebene beitragen."

AfD-Landeschef Frohnmaier will Ministerpräsident in BW werden

Markus Frohnmaier hat seine Kandidatur für den Posten des Ministerpräsidenten von langer Hand geplant und inszeniert. Entscheidend ist ein Auftritt vor der Landespressekonferenz, wenige Wochen vor dem Parteitag. Frohnmaier präsentiert sich vor Journalisten als einer, der gerufen wurde und betont mehrfach, dem Appell einer sogenannten Kreissprechertagung gefolgt zu sein, die ihn einstimmig darum gebeten habe, für die Kandidatur des Ministerpräsidenten zur Verfügung zu stehen - einer Bitte, der er gerne nachkomme.

In einem Gespräch mit dem SWR wiederholt der AfD-Politiker diese Darstellung kurz vor dem Parteitag erneut. Ein Gründungsmitglied, das seine Funktion in der Öffentlichkeit nicht preisgeben will, verweist darauf, dass das Gremium einer Kreissprechertagung laut Satzung gar nicht vorgesehen ist und dem eigentlichen Gremium der Partei - dem Landesparteitag - nicht vorgreifen dürfe.

Politikwissenschaftlerin Deiss-Helbig von der Universität Konstanz erklärt, dass Parteien tatsächlich wenig Regelungen treffen, wie eine Kandidatur für ein Spitzenamt zustande kommen soll. Hier sei die AfD keine Ausnahme. Fakt ist: Frohnmaier hat dieses Vakuum bereits Wochen vor dem Parteitag mit einem Auftritt an der Seite seines Co-Sprechers Emil Sänze gefüllt. Vor Journalisten der Landespresse skizziert der 34-Jährige, was er als Ministerpräsident von Baden-Württemberg sofort angehen würde.

Dabei präsentierte Frohnmaier einen Metallkoffer mit der Aufschrift "Erste-Hilfe für Baden-Württemberg". Der Inhalt des Koffers ist ein sogenannter 9-Punkteplan für das Land. Frohnmaier verspricht im Falle einer Wahl unter anderem Energierabatte für die gesamte Bevölkerung und Deutschlandfahnen vor Schulen, aber auch persönliche Reisen nach Moskau und Washington, um mit Gesprächen vor Ort Druck auf die Bundespolitik auszuüben.

Frohnmaier kandidiert nicht für den BW-Landtag

Das Besondere an Frohnmaiers Kandidatur ist, dass er nicht wie andere Spitzenkandidaten einen Sitz im Landtag anstrebt. Er kandidiert ausschließlich für die Villa Reitzenstein, will Ministerpräsident werden. Nur bei einem Einzug in das baden-württembergische Staatsministerium ist er bereit, sein bisheriges Mandat einzutauschen: Frohnmaier sitzt seit 2017 als Vertreter des Wahlkreises Böblingen im Bundestag. Dass seine Partei diese Absicherung akzeptiert, zeigt wiederum, wie weit er gekommen ist.

Um eine Erklärung für dieses Vorgehen zu finden, muss der Bundestags-Abgeordnete jedenfalls weit ausholen. Auf Nachfrage sagt Frohnmaier dem SWR: Ziel der AfD sei es eben auch, Regierung und Parlament stärker voneinander zu trennen, dies sei auch im Sinne der Gewaltenteilung. "Bei uns ist es in der DNA der Partei: Trennung zwischen Parlament und Regierung und wir wollen auch durch diese Wahl dem Ganzen Form geben und es ist etwas, was wir auch aktiv im Wahlkampf bewerben wollen", sagt der Politiker.

Die Kandidatur von Markus Frohnmaier für das Amt des Ministerpräsidenten hat für Außenstehende zu einer Skurrilität geführt: Die AfD wählt an diesem Wochenende neben dem Ministerpräsidentenkandidaten auch noch einen Spitzenkandidaten für den Landtag. Der einst zerstrittenen Partei scheint das nach innen bislang keinesfalls zu schaden. Ein Mitglied auf kommunaler Ebene quittiert diese "Deichselei" mit Kopfschütteln, bezeichnet die Diskussion darum aber als hoffnungslose Debatte.

Experte: Frohnmaier hat geringe Chancen auf Amt des Ministerpräsidenten in BW

Auch nach außen scheint eine bisweilen skurrile Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten keinen negativen Effekt zu haben. Zwar gehe die Chance, dass Markus Frohnmaier 2026 tatsächlich als Ministerpräsident von BW gewählt werden könnte gegen Null, meint Politikwissenschaftler Marc Debus, die AfD als Partei könne in den kommenden Monaten aber trotzdem noch zulegen und in den Umfragen auch noch die Grünen hinter sich lassen. Auch eine Unzufriedenheit mit der Bundesregierung könne ein Jahr nach Amtsübernahme auf das Konto der AfD einzahlen.

Das eigentliche Potenzial der AfD sei noch immer nicht ausgeschöpft: Es habe sich schon in den 90er-Jahren gezeigt, dass Parteien mit deutlich rechtsextremen Positionen wie die Republikaner, Wählerinnen und Wähler aus diesem Milieu mobilisieren können, so Politikwissenschaftler Debus.

Markus Frohnmaier gibt sich optimistisch. Neben Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird 2026 auch noch in Sachsen-Anhalt gewählt. Dort liegt die AfD in den Umfragen als stärkste Kraft weit vorne und will dort künftig alleine regieren.

"Das mag weit gegriffen sein, aber können wir schon erreichen", so der Co-Landesvorsitzende zu der Situation in Sachsen-Anhalt. In aktuellen Umfragen hat auch die baden-württembergische AfD deutlich zugelegt. Die Partei, die in Baden-Württemberg als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt, gewinnt im aktuellen BW-Trend vier Punkte hinzu und liegt mit 19 Prozent nur noch knapp hinter den Grünen auf Rang drei. AfD-Chef Markus Frohnmaier könnte also auch in den kommenden Monaten noch weit kommen.

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