
Liberaler Politiker Russischer Oppositioneller Schlosberg festgenommen
Kritische Stimmen werden in Russland immer weniger. Jetzt ist Lew Schlosberg, einer der letzten offenen Kriegsgegner auf freiem Fuß, festgenommen worden. Dabei ist er auch unter Oppositionellen nicht unumstritten.
Er ist einer der wenigen russischen Oppositionellen, die noch im Land verblieben sind. Nun wurde Lew Schlosberg nach Angaben seiner Partei, der liberalen Jabloko, am Dienstag festgenommen. Dem 61-Jährigen werde "wiederholte 'Diskreditierung'" der russischen Armee zur Last gelegt. Am Mittwoch orndete ein Gericht in der westrussischen Stadt Pskow dem Politiker laut russischen Medien einen zweimonatigen Hausarrest an.
Hintergrund ist nach Angaben der Partei ein auf einer Internetplattform veröffentlichtes Video von einer Debatte im Januar, in der Schlosberg zu einer baldigen Waffenruhe im Ukraine-Krieg aufgerufen hatte. Schlosberg bestritt, das Video in den Sozialen Medien geteilt zu haben. Der Festnahme gingen laut Jabloko Durchsuchungen des Parteibüros, der Wohnung, in der Schlosberg mit seiner Frau lebt, und der Wohnung seines Vaters voraus.
Nicht das erste Verfahren gegen Schlosberg
Der Pskower Politiker gilt als einer der wichtigsten Vertreter der sozial-liberalen Jabloko, deren Vize-Vorsitzender er ist. Er wurde bereits zweimal wegen "Verunglimpfung" der russischen Armee zu einer Geldstrafe verurteilt.
Im vergangenen Oktober wurde zudem ein Strafverfahren gegen den Politiker eingeleitet, in welchem ihm vorgeworfen wurde, in öffentlichen Äußerungen seinen Status als "ausländischer Agent" verschwiegen zu haben. Mit der Einstufung als "ausländischer Agent" brandmarkt die russische Justiz Kritiker; sie müssen dies bei jeder Veröffentlichung oder jedem Post in sozialen Netzwerken angeben.
Von allen Seiten kritisiert
Schlosberg prangert Moskaus Vorgehen in der Ukraine bereits seit 2014 an. Seit der russischen Invasion 2022 sprach er sich zudem wiederholt für ein Ende des Krieges aus. Zugleich zog er aber nicht nur den Zorn russischer Behörden auf sich, denn Schlosberg kritisierte auch oppositionelle Politiker im Exil, denen er das Recht absprach, für die Belange Russlands einzutreten.
Exil-Oppositionelle werfen ihm wiederum vor, den russischen Angriffskrieg nicht scharf genug verurteilt zu haben. Für Aufsehen gesorgt hatte vor allem ein Interview, in dem Schlosberg die Meinung geäußert hatte, dass die Ukraine nicht als Opfer angesehen werden könne, da sie sich mit militärischer Kraft verteidigt. Auch hatte er sich im Zuge der ukrainischen Offensive in der Region Kursk Regimekritiker kritisiert, die die ukrainische Operation befürwortet haben.
Unterdrückte Opposition, verstummte kritische Medien
In Russland gibt es kaum noch Politiker, die sich öffentlich gegen die Linie von Präsident Wladimir Putin stellen. Der Kreml hat die Opposition, aber auch kritische Medien weitgehend ausgeschaltet. Viele Gegner Putins schweigen aus Angst um ihr Leben. Andere sind im Exil. Wieder andere - wie der prominente Kremlkritiker Alexej Nawanly, der zeitweise auch Mitglied von Jabloko war - sind tot.
Aktiv sind im Land allenfalls noch kraftlose Reste einer liberalen Opposition. Im russischen Parlament ist Jabloko seit 2007 nicht mehr vertreten, aber zumindest auf lokaler Ebene. Parteigründer Gründer Grigori Jawlinski forderte auch mit Blick auf die Wiederannäherung der USA und Russlands einen Waffenstillstand in der Ukraine.
Scharfe Verurteilung aus Berlin
Das Auswärtige Amt verurteilte das jüngste Vorgehen der russischen Behörden gegen Schlosberg scharf. "Wir stellen fest, dass in Russland bewusst eine Atmosphäre der Angst und der Isolation geschaffen wird, vor allem für kritische Stimmen", sagte ein Sprecher. Es werde versucht, jede Stimme, die sich für ein demokratischeres und freieres Russland einsetze, zum Schweigen zu bringen. Man verfolge diese Entwicklung "mit allergrößter Sorge", fügte er hinzu.
Die Bundesregierung habe Russland wiederholt aufgefordert, alle politischen Gefangenen unverzüglich und bedingungslos freizulassen, sagte der Sprecher. "Das tun wir auch weiterhin." Zugleich betonte er, "dass es umso bewundernswerter ist, dass bei weitem nicht alle Russinnen und Russen mit der Politik ihrer Regierung einverstanden sind und nach wie vor dagegen opponieren". Die Bundesregierung bemühe sich, Kontakte zur Zivilgesellschaft zu halten und die versuchte Isolation zu durchbrechen. Dies werde aber immer schwierige, sagte der Sprecher weiter.