
Militäreinsatz gegen den Iran Was über Israels Angriff bekannt ist
Es war ein Angriff mit Ansage und kam doch überraschend: Israel hat Ziele im Iran angegriffen. Was über den Militärschlag und seine Hintergründe bekannt ist.
Welche Ziele hat Israel angegriffen?
Kurz vor Tagesanbruch meldeten iranische Medien mehrere Explosionen rund um die Hauptstadt Teheran. Inzwischen ist klar: Das israelische Militär hat in der Nacht etliche Ziele im Iran angegriffen - das israelische Militär selbst nennt die Zahl von mehr als 100 Zielen. Mehr als 200 Militärflugzeuge seien im Einsatz gewesen. Außerdem wurden nach Medienberichten auch verdeckte Sabotageakte im Land ausgeführt. Nach Medienberichten startete das israelische Militär am Mittag eine zweite Angriffswelle.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und das Militär gaben weiter an, der Angriff habe sich gegen das iranische Atomprogramm sowie gegen die militärischen Einrichtungen Irans und gegen seine Raketenproduktion gerichtet. Dutzende Radarsysteme und Startanlagen für Flugabwehrraketen im Westen des Landes seien zerstört worden, gab das israelische Militär bekannt.
Neben Zielen in Teheran sei die Uran-Anreicherungsanlage Natans getroffen worden, teilten der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, und iranische Medien mit. Ebenfalls attackiert wurden nach Angaben iranischer Staatsmedien Ziele in der Provinz Ost-Aserbaidschan. Nach Beginn der zweiten Angriffswelle meldeten iranische Medien Explosionen unter anderem in den Millionenstädten Tabris, Schiras und erneut bei der Atomanlage Natans.
Am Nachmittag hieß es in der iranischen Nachrichtenagentur NourNews, dass bei israelischen Angriffen auf Wohngebiete in Teheran 78 Menschen getötet und 329 verletzt worden seien.

Im Zuge der Operation "Rising Lion" (zu deutsch: Sich erhebender Löwe) wurde auch das Hauptquartier des Oberkommandos der mächtigen Revolutionsgarden angegriffen. Dabei wurden nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim mehrere ranghohe Militärs getötet. Des weiteren meldete Tasnim den Tod von sechs Atomwissenschaftlern.
Auch die Kommandozentrale der Luftwaffe der Revolutionsgarden wurde angegriffen. Das israelische Verteidigungsministerium gab am Mittag bekannt, dass "der Großteil der Führung der Luftwaffe der Revolutionsgarde während einer Sitzung in ihrem unterirdischen Hauptquartier neutralisiert wurde". Laut Armee hatten sich die Kommandeure dort versammelt, "um einen Angriff auf den Staat Israel vorzubereiten". Die Luftwaffe der Revolutionsgarde ist unter anderem an der Überwachung des iranischen Luftraums und der Kontrolle des ballistischen Raketenarsenals des Landes beteiligt.
Sonderkommandos des israelischen Geheimdienstes Mossad sollen Sicherheitskreisen zufolge den Luftangriff auf den Iran mit mehreren verdeckten Einsätzen tief im Landesinneren der Islamischen Republik vorbereitet haben. Dabei seien unter anderem Präzisionswaffen gegen die iranische Flugabwehr in Stellung gebracht worden, heißt es laut der Nachrichtenagentur Reuters in israelischen Sicherheitskreisen. Auch sei dabei eine Startposition für Angriffsdrohnen in der Nähe der iranischen Hauptstadt Teheran eingerichtet worden.
Was ist über einige der getöteten Militärs und Wissenschaftler bekannt?
Hossein Salami war Oberbefehlshaber der iranischen Elitetruppe der Revolutionsgarde (IRGC). Der iranische Oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, ernannte den 1960 geborenen Salami 2019 zum Chef der IRGC. Für die überaus mächtige, in anderen Ländern und auch in der iranischen Wirtschaft einflussreiche Revolutionsgarde dürfte Salamis Tod eine erheblicher Verlust sein.
Generalmajor Mohammad Bagheri, ein ehemaliger IRGC-Kommandeur, war ab 2016 Stabschef der iranischen Streitkräfte. Er wurde 1960 geboren und trat während des Iran-Irak-Krieges 1980 bis 1988 den Garden bei.
Generalmajor Gholamali Raschid leitete das Hauptquartier der IRGC in Chatam al-Anbia. Zuvor war er stellvertretender Stabschef der iranischen Streitkräfte und kämpfte in den 1980er Jahren im Irak-Krieg.
Der Atomwissenschaftler Fereydoun Abbasi-Davani war von 2011 bis 2013 Vorsitzender der iranischen Atomenergieorganisation. Der Hardliner war von 2020 bis 2024 Abgeordneter des Parlamentes.
Auch Mohammad Mehdi Tehranchi war Atomwissenschaftler. Er leitete die Islamische Asad-Universität in der iranischen Hauptstadt Teheran.
Wie begründet Israel sein Handeln?
Netanjahu erklärte am Morgen, der Angriff sei erfolgt, "um die iranische Bedrohung für das Überleben Israels zurückzudrängen". Netanjahu sprach damit das iranische Atomprogramm an, in dem Israels Regierung eine existenzielle Bedrohung seines Landes sieht. Die Regierung wirft dem Iran vor, auf den Besitz von Atombomben hinzuarbeiten. Der Iran bestreitet das und spricht von einem rein zivilen Charakter des Programms.
Das israelische Militär meldete am Morgen, die Islamische Republik habe sich bei ihrem Atomprogramm einer unumkehrbaren Schwelle genähert. In den vergangenen Monaten hätten "die gesammelten Geheimdienstinformationen Beweise dafür geliefert, dass sich das iranische Regime dem Punkt ohne Wiederkehr nähert". Irans Bemühungen seien so weit gediehen, dass es der Führung in Teheran möglich geworden sei, "Uran auf militärisches Niveau anzureichern, wodurch das Regime in der Lage wäre, innerhalb kurzer Zeit eine Atomwaffe zu erhalten".
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz sprach deshalb heute von einem "Präventivschlag" gegen den Iran. Netanjahu unterstrich, die Militäraktion werde "so viele Tage" dauern, wie nötig.
Warum erfolgte der Angriff jetzt?
Nach Angaben der Times of Israel wurde der Angriff auf den Iran jahrelang vorbereitet. Ein Vertreter des Sicherheitsapparates habe berichtet, Armee und der Geheimdienst Mossad hätten dazu eng zusammengearbeitet. Teil der Vorbereitung sei gewesen, im Iran eine Art Stützpunkt für Drohnen zu errichten und Präzisionswaffen in das Land zu schmuggeln.
Israel hat seit vielen Jahren immer wieder erklärt, es werde nicht zulassen, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen gerät. Seit 2023 haben sich aber die militärischen Kräfteverhältnisse im Nahen Osten massiv verändert, was Israel diesen Angriff zweifellos erleichtert hat.
Seit dem Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel gehen die israelischen Streitkräfte massiv gegen die Hamas und weitere Verbündete des Iran vor. Im Libanon wurde die schiitische Hisbollah-Miliz durch Luftangriffe und die Tötung ihrer Führung so sehr geschwächt, dass sie derzeit kaum in der Lage ist, den Iran militärisch zu unterstützen.
Der Iran selbst wurde im vergangenen Jahr mehrmals von den israelischen Streitkräften attackiert. Schon damals, im vergangenen April und Oktober, wurden Anlagen zur Herstellung von Raketen, Boden-Luft-Raketenstellungen sowie weitere iranische Luftabwehrsysteme angegriffen. Nach Einschätzung von Experten war Irans Luftabwehr danach weitgehend ausgeschaltet. Seine Fähigkeit, Israel mit einer großen Zahl von Raketen anzugreifen und damit das israelische Luftabwehrsystem zu überfordern, sei deutlich eingeschränkt worden.
Ob Israel nun vor allem einen entscheidenden Fortschritt in Irans Atombemühungen befürchtete oder einen Fortschritt bei den aktuellen Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran, steht für den Moment dahin. Ohne Zweifel sah das israelische Militär aber eine günstige Gelegenheit gekommen, die iranischen Streitkräfte und Irans Bemühungen um eine Atomwaffe abermals erheblich zu schwächen.
Wie reagiert der Iran?
Der Iran sprach von einer Kriegserklärung. Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, verurteilte den Angriff und kündigte Vergeltung an. Chamenei erklärte laut Staatsmedien, Israel habe ein Verbrechen gegen den Iran begangen und seine "abscheuliche Natur" gezeigt. Es werde deswegen eine harte Strafe erhalten. "Mit diesem Angriff hat das zionistische Regime sich selbst ein bitteres Schicksal bereitet, auf das es sich definitiv gefasst machen kann".
Die iranische Regierung leitet aus dem israelischen Angriff eine weitere Rechtfertigung für das Atomprogramm ab. Er zeige, warum die Führung in Teheran auf die Anreicherung von Uran, die Atomtechnologie insgesamt und das Raketenprogramm bestehe, erklärte die Regierung.
In einer ersten Reaktion griff der Iran Israel seinerseits in mehreren Wellen mit Drohnen an. Das israelische Militär teilte am Vormittag mit, es seien bereits mehr als 100 Drohnen abgefangen worden. Auch die jordanische Nachrichtenagentur Petra teilte mit, es seien am Morgen eine Reihe von Drohnen und Raketen abgefangen worden, die in den jordanischen Luftraum eingedrungen waren.
Wegen der Entfernung zwischen beiden Ländern rechneten Militärexperten am Morgen damit, dass weitere iranische Angriffsversuche Israel im Laufe des Tages erreichen könnten. Ein israelischer Militärsprecher sagte, "uns stehen ein paar harte Stunden bevor". Allerdings hoben die israelischen Behörden am Vormittag die Anweisung für seine Bürger auf, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten.
Wie schwer wurde das Atomprogramm getroffen?
Das lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Das iranische Staatsfernsehen sagte, Natans sei mehrfach getroffen worden. Die Ermittlungen zum Ausmaß der Schäden dauerten noch an.
Bei den Angriffen sei "das Herz" des iranischen Atomprogramms zur Anreicherung von Uran getroffen worden, erklärte Israels Regierungschef Netanjahu am frühen Morgen. Das israelische Militär teilte weiter mit, es seinen in Natans "erhebliche Schäden" angerichtet worden - auch in unterirdische Bereich der Anlage Natans getroffen worden. Dort befänden sich eine mehrstöckige Anreicherungshalle mit Zentrifugen, Stromversorgungsräume und weitere unterstützende Infrastrukturen. Es seien essenziell wichtige Anlagen vor Ort zerstört worden, "die für den fortlaufenden Betrieb und das weitere Vorantreiben des Nuklearprojekts des iranischen Regimes unerlässlich sind", hieß es in der Mitteilung.
Dem widersprach die iranische Atombehörde. Die Schäden in Natans seien "größtenteils" über dem Erdboden entstanden. Auch habe es keine Verletzten gegeben.
IAEA-Chef Rafael Grossi nannte die Lage aber "zutiefst besorgniserregend". Bislang gibt es aber offiziell keinen Hinweis auf erhöhte Strahlenwerte. In Natans sei keinerlei radioaktive oder chemische Kontamination nach außen gedrungen, hieß es in einer Erklärung der iranischen Atomenergieorganisation. Auch die IAEA hatte unter Berufung auf den Iran berichtet, dass die Strahlenwerte dort nicht erhöht seien.
In Natans im Zentraliran wird unter anderem Uran mit einem Reinheitsgrad von bis zu 60 Prozent produziert. Dieses Material ist nach Angaben der IAEA beinahe waffentauglich, denn es könne mit relativ wenig Aufwand auf ein Niveau von 90 Prozent gebracht werden, das für Atomwaffen nötig ist.
Angriffe auf andere Atomanlagen wie etwa das AKW Buschehr, die Anreicherungsanlage Fordo, das Nuklearzentrum Isfahan oder den Forschungsreaktor Chondab, sind derzeit nicht bekannt.
Was bedeutet das für die Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran?
Auch das lässt sich im Moment noch schwer abschätzen. Am Sonntag sollte im Oman die sechste Verhandlungsrunde stattfinden - ob es dabei bleibt, ist unklar. Allerdings sind die Angriffe den Gesprächen wohl kaum förderlich. Ob es die Kompromissbereitschaft des Iran erhöht oder schmälert, ist eine der Fragen, die sich nun viele stellen. Auch ist vorerst unklar, was die Angriffe für die USA bedeuten und über ihren Einfluss auf Israel sowie über ihre Position als Makler aussagen.
Zuletzt waren die Gespräche wegen erheblicher Meinungsunterschiede ins Stocken geraten. Die USA fordern einen vollständigen Stopp der Urananreicherung, was Teheran als rote Linie betrachtet.
Die Nahost-Expertin Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik äußerte im Interview mit tagesschau24 die Erwartung, der Iran werde nach dem israelischen Großangriff im Nuklearbereich weiter eskalieren. Historisch habe sich gezeigt: "Wenn iranische Anlagen in irgendeiner Form attackiert worden sind, dann hat der Iran sie relativ schnell wieder aufgebaut, besser geschützt und das Nuklearprogramm noch deutlicher und schneller ausgeweitet."
Waren die USA an dem Angriff beteiligt?
US-Außenminister Marco Rubio betonte, die USA seien nicht am Angriff Israels auf den Iran beteiligt gewesen. Es handele sich um eine unilaterale Aktion, also um einen Alleingang Israels.
Der US-Sender Fox News berichtete, US-Präsident Donald Trump sei vorab von Israels Militärschlag gegen den Iran informiert gewesen. Trump habe dem Sender gesagt, dass er gewusst habe, dass Israel den Iran angreifen würde, bevor dies geschehen ist. Trump habe zugleich betont, dass er dennoch hoffe, "dass wir an den Verhandlungstisch zurückkehren können". Auf seiner Plattform Truth Social forderte Trump die Führung in Teheran zu einem "Deal" auf - "bevor es zu spät ist".
Dass es schon Mitte der Woche Hinweise auf einen bevorstehenden Angriff gab, lesen Beobachter aus einer vorherigen Äußerung Trumps. Am Mittwoch hatte Trump erklärt, die USA würden ihr Personal in der Region reduzieren. Unter anderem wurde bekannt, dass Washington aus Sicherheitsgründen die Zahl der Mitarbeiter in seiner Botschaft im Irak reduziere. Berichten zufolge wurde auch Personal aus Kuwait und Bahrein abgezogen, erklärte Trump und fügte hinzu, Teheran dürfe "keine Atomwaffe haben, ganz einfach", das werden man nicht zulassen.
Kurz vor dem Angriff unterstrich Trump auf Truth Social seinen Wunsch nach einer "diplomatischen Lösung der iranischen Nuklearfrage" - woraus man möglicherweise einen erheblichen Dissens mit Netanjahu herauslesen kann.
US-Medien berichten seit einiger Zeit, dass Trump und Netanjahu, die sich ansonsten politisch nahestehen, in Sachen Iran deutlich unterschiedlicher Meinung seien. Im April berichtete die New York Times, Trump habe Netanjahu die Unterstützung für einen Angriff auf den Iran verweigert. Führende Vertreter seiner Regierung hätten Sicherheitsbedenken geäußert und einen größeren Konflikt befürchtet.
Am Mittag äußerte sich Trump allerdings gegenüber dem Sender ABC und nannte die Angriffe "exzellent". Es werde hier noch "mehr kommen, sehr viel mehr", sagte Trump. "Wir haben ihnen eine Chance gegeben, und sie haben sie nicht genutzt", so der US-Präsident mit Blick auf jüngste Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran. "Sie wurden hart getroffen, sehr hart. Sie wurden so hart getroffen, wie man nur getroffen werden kann."
US-Medien sehen in dem Angriff nun eine außenpolitische Schlappe des Präsidenten. Auch dessen selbstgemachter Ruf als Deal-Maker, also als Verhandler, sei erheblich angeschlagen.