Soldaten der M23-Miliz patrouillieren auf einem Fahrzeug durch Goma (DR Kongo)

M23-Miliz im Osten der DR Kongo Die Grausamkeit der Eroberer

Stand: 17.06.2025 19:29 Uhr

Ende Januar nahm die M23-Miliz Teile des rohstoffreichen Ostens der Demokratischen Republik Kongo ein, offenkundig unterstützt vom Nachbarland Ruanda. Wie brutal die Miliz damals vorging, berichten nun Geflüchtete.

Von Bettina Rühl, ARD Nairobi

Dieudonné Mumbere hat sich seine Gitarre genommen und singt ein Lied über seine Heimat, die Demokratischen Republik Kongo. Der 24-Jährige ist Anfang März aus Goma geflohen, einer Metropole im Osten des Landes. Einige Wochen zuvor hatte die M23- Miliz die Hauptstadt der rohstoffreichen Gegend eingenommen.

Jetzt lebt Mumbere mit zwei weiteren Flüchtlingen aus Goma in einem Apartment in einer ostafrikanischen Stadt, an der Wand hängt die Flagge ihrer Heimat. "Der Kongo hat uns zu dem gemacht, was wir sind", sagt Mumbere, dessen richtiger Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden soll. "Ich lerne ein bisschen Gitarre zu spielen, weil das den Stress etwas abbaut", erklärt er, nachdem die letzten Klänge verklungen sind. "Anstatt einen Psychologen zu haben, kann die Gitarre dabei helfen."

Viele zivile Opfer

Es sind Erinnerungen an die Tage der Eroberung Gomas, die Mumbere auf diese Weise bewältigen will. Immer wieder sitzt er vor seinem Computer oder geht die Fotos auf seinem Handy durch. In den Tagen nach der Einnahme von Goma durch die M23 hat er viel fotografiert.

Die M23 ist die mächtigste von mehr als 100 Milizen im Osten des Kongo und wird vom Nachbarland Ruanda unterstützt. Mumbere erzählt, dass auf den Straßen Tote in ziviler Kleidung gelegen hätten, die Rebellen hätten das Bergen von Leichen immer wieder für längere Zeit verboten.

Weil unter den Toten viele seiner Freunde gewesen seien, habe er beschlossen, die Opfer zu fotografieren und möglichst dabei zu helfen, deren Identität zu klären. Fotos und einige Sprachnachrichten habe er auf einer Speicherkarte gesichert. Mumbere hofft, das irgendwann nutzen zu können, "damit die Täter nicht einfach so davonkommen".

Berichte von Hinrichtungen

Nicht nur er, auch seine beiden Freunde, die ebenfalls geflohen sind, berichten, dass Zivilisten von Rebellen regelrecht hingerichtet worden seien. Jean-Claude Kavira erzählt, er habe sich erst aus dem Haus getraut, nachdem die M23-Miliz die Stadt vollständig erobert hatte und die letzten Soldaten der Regierungsarmee geflohen waren. "Und dann fingen die willkürlichen Übergriffe auf Menschen an, die wir kannten", erzählt Kavira, dem anzumerken ist, dass ihn die Ereignisse in Goma bis heute verstören. Auch sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

"Wenn sich ein junger Mann auf der Straße nicht richtig ausweisen konnte, haben die Rebellen ihn erschossen: Sie haben ihn angehalten und ihm zwei oder drei Fragen gestellt - was sie gefragt haben, konnte ich nicht hören - und ihn dann erschossen." Sie hätten nicht einmal versucht, solche Tötungen vor Passanten zu verbergen. Er habe das mit eigenen Augen gesehen.

Menschenrechtsorganisationen erheben schwere Vorwürfe

Die Schätzungen über die Zahl der Opfer gehen weit auseinander. Eine UN-Vertreterin sprach schon Anfang Februar von mindestens 2.900 Toten. Sie erwarte, dass die Zahl weiter steige.

Die drei Flüchtlinge trauern indes nicht nur um Freunde, die getötet wurden. Sie sorgen sich auch um diejenigen, die von den Rebellen verhaftet und verschleppt worden seien, wie sie berichten - womöglich zwangsrekrutiert, um in den Reihen der M23 zu kämpfen.

Die Internationalen Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International erheben weitere, schwere Vorwürfe gegen die Rebellen. Ende Mai veröffentlichte Amnesty einen Bericht, in dem die Organisation dokumentierte, dass die M23 seit der Machtübernahme in Bukavu und in Goma massive Gewalt gegen die lokale Bevölkerung und gegen Menschen einsetzt, die sie für Kritiker der ruandischen Regierung und der M23 hält.

Franziska Ulm von Amnesty International sagt, die Menschenrechtsorganisation habe Belege dafür, "dass die M23 massenweise Personen verhaftet, festnimmt und in Gefängnisse und in gefängnisartige Einrichtungen steckt und sie dort unter unwürdigen Bedingungen festhält"

Die Menschen haben dort laut Ulm kaum Wasser, kaum Nahrung, keine medizinische Versorgung, kaum Sanitäranlagen und seien massiver Gewalt durch die M23 ausgesetzt. "Angehörige der M23 foltern, misshandeln immer wieder Insassen der Gefängnisse, aber auch Menschen auf offener Straße", sagt Ulm. Die Miliz habe eine Schreckensherrschaft errichtet.

Die Miliz weist die Vorwürfe zurück

Die M23-Miliz antwortet nicht auf konkrete Fragen zu den Vorwürfen und den Berichten der drei Flüchtlinge. Stattdessen schickt der Vize-Sprecher den Link zum dreistündigen Mitschnitt einer Pressekonferenz im Serena-Hotel von Goma.

In deren Verlauf antworteten führende Mitglieder der M23 auf die Vorwürfe, und behaupten, sie hätten sie ausführlich untersucht. Die Zusammenfassung: Es handele sich um Propaganda-Geschichten, erfunden von Amnesty International und den Vereinten Nationen.

Angst macht sich breit

In der Flüchtlings-WG hat Kavira inzwischen gekocht, es gibt Reis und rote Bohnen. Die drei unterhalten sich beim Essen, sind froh, einander zu haben.

In Goma, sagt Mumbere, habe sich "eine furchtbare Angst" breit gemacht, die bis heute anhalte. "Ich weiß wirklich nicht, wie man so etwas überleben kann", fragt er sich. Er sei dankbar dafür, seine Erlebnisse mit den anderen beiden teilen und besprechen zu können. "So etwas zu erleben, ohne darüber reden zu können, ist schrecklich. Man stirbt innerlich."

Die Angst, will Mumbere damit sagen, bringe die Menschen in Goma zum Schweigen. Telefone würden beschlagnahmt, alle Nachrichten gelesen.

Obwohl die drei dankbar sind, derzeit nicht im Kongo zu sein, möchten sie so schnell wie möglich in ihre Heimat zurück - sie alle sind Aktivisten, kämpfen schon lange für politische Veränderung, denn auch die kongolesische Regierung und Armee verletzen seit Jahren Menschenrechte. Diesen Kampf wollen die drei fortsetzen. Noch haben sie nicht aufgegeben.